Cover
Titel
Painting a People. Maurycy Gottlieb and Jewish Art


Autor(en)
Mendelsohn, Ezra
Erschienen
Anzahl Seiten
279 S.
Preis
$ 50.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Cornelia Aust, z. Zt. Universität Warschau

Was ist jüdische Kunst? Die Antworten auf diese Frage sind so vielfältig wie gegensätzlich. Ezra Mendelsohn versucht in seinem Buch “Painting a People“ nicht, diese Frage grundlegend zu beantworten, sondern Maurycy Gottlieb im Spannungsfeld zwischen allgemein europäischer sowie polnischer und jüdischer Kunst im Besonderen zu verorten.

Geboren 1856 im galizischen Drohobycz (Drohobycˆ) der Habsburger Monarchie wuchs Maurycy Gottlieb in einem der verschwundenen multiethnisch und multireligiös geprägten europäischen Landstriche auf. Schon sein Vorname weist auf die verschiedenen Möglichkeiten von Identität in seiner Heimat hin. Geboren als Sohn religiöser Eltern, benutzte er kaum die hebräische Form seines Vornamens „Mosche“, genauso wenig wie die jiddische „Mojsche“ oder die polnische „Maurycy“, sondern meistens den deutschen Namen „Moritz“ (S. 25).

Zum Studium zog es ihn, wie viele galizische Juden dieser Zeit, westwärts – nach Wien, von der Peripherie ins Zentrum der Habsburger Monarchie. Doch bald verließ er zur tiefen Enttäuschung seines Vaters die Hauptstadt, um als Schüler Jan Matejkos, einem der damals wie heute berühmtesten polnischen Maler, nach Krakau zu gehen (S. 31). Er selbst begründete diesen Sinneswandel mit der Wirkung des Gemäldes „Rejtan. Der Fall Polens“ auf ihn. Unter dem Eindruck, den das Gemälde auf ihn gemachte habe, sei der Wunsch entstanden, Anerkennung als polnischer Maler zu finden – ungeachtet des Umstandes, dass er nach eigener Aussage immer Schwierigkeiten mit dem Polnischen hatte. So bearbeitete er während seines kurzen Lebens – er starb schon mit 23 Jahren –, anders als von früheren Biografen Gottliebs behauptet, neben jüdischen immer auch nichtjüdische Themen (S. 34).

Es bleibt die Frage, was „jüdische Kunst“ ausmacht und inwiefern man die Kunst Gottliebs als „jüdisch“ bezeichnen kann. Mendelsohn versteht unter jüdischer Kunst Arbeiten “by artists of Jewish origin whose Jewishness is of evident importance to them, and whose paintings deal with specifically Jewish subjects, shed light on various aspects of Jewish history and contemporary Jewish life, and may also be read as promoting a particular ‘Jewish agenda’, that is, a particular point of view regarding the past, present, and future of the Jews“ (S. 95). Nach dieser Definition könne man Gottlieb, so Mendelsohn, nie als ausschließlich jüdischen Künstler bezeichnen. Am Beispiel einiger Arbeiten Gottliebs zeigt Mendelsohn überzeugend, dass jüdische, orientalische und religiöse Motive nicht ausschließlich auf die jüdische Herkunft des Malers zurückgeführt werden können, sondern dass diese Themen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein fester Bestandteil des Repertoires vieler nichtjüdischer Maler war (S. 50, 53f., 58.). Allerdings, so Mendelsohn, habe der auch bei seinen nicht-jüdischen Zeitgenossen vorherrschende Orientalismus für ihn auch eine persönliche Bedeutung gehabt. Gottlieb habe sich nicht nur als europäischer und polnischer Künstler gesehen, sondern auch als „member of a people of eastern origin with close links to oriental culture“ (S. 89). Dies wird laut Mendelsohn unter anderem an Gottliebs Selbstporträts deutlich: Eines zeigt ihn in arabischem Kostüm, ein anderes stellt ihn in der Kleidung eines polnischen Adeligen dar. Es ist allerdings fraglich, ob man daraus, wie Mendelsohn es tut, eine Aussage über die Identität des Künstlers ableiten kann. So malten sich andere europäische Künstler der Zeit ebenfalls in exotischer Kleidung, ohne damit orientalische Wurzeln oder Bindungen herstellen zu wollen.

In Verbindung mit dem orientalischen Selbstporträt sieht Mendelsohn auch eines der bekanntesten Gemälde Gottliebs, „Christus predigt in Capernaum“, in dem Christus, wie bei einer Reihe anderer jüdischer Maler seiner Zeit, als Jude dargestellt wird, gleichzeitig das reine Judentum wie auch das reine Christentum repräsentierend (S. 137). So stellt der Autor abschließend eine Paradox im gesamten Schaffen von Maurycy Gottlieb fest, dem einerseits viel an einer Versöhnung zwischen Juden und Polen lag und dessen „pantheon of Jewish heroes privileges the universalist and integrationist views of his patrons and of the Jewish newspapers and organizations that supported him“. Dagegen betonen einige Porträts und im Besonderen seine Selbstporträts ein „jüdisches Anderssein“, eine Fremdheit die auf die östlichen, exotischen Wurzeln der Juden zurückgeführt wird (S.149).

Im vierten Kapitel stellt Mendelsohn schließlich die Frage, wie Maurycy Gottlieb von den anderen, Polen wie Juden, gesehen wurde. Er fasst das Bild griffig in der Formel „Jewish Hero, Noble Pole“ zusammen (S. 151). Die Interpretationen seines Werkes reichten von „integrationistisch-europäisch“ bis zum Triumph eines neuen „jüdischen Geistes“ (S. 156f.), wobei die Vertreter der zweiten Interpretation oft seine Werke zu nichtjüdischen Themen ignorierten. Vielen Polen wiederum erschien er als Modell des aufgeklärten Juden, wobei vor allem seine enge Bindung zu Matejko seine Glaubhaftigkeit als polnischer Patriot erhöhte. Die Tatsache, dass Maurycy Gottlieb heute in Polen kaum noch bekannt ist, obwohl drei seiner Gemälde im Warschauer Nationalmuseum gegenüber Mateikos bekanntestem Werk – „Der Schlacht von Grunwald“ – hängen, kann allerdings nicht allein mit seiner jüdischen Herkunft begründet werden. Nahm er für die jüdische Malerei, wie auch Mendelsohn betont, eine wichtige Vorreiterrolle ein, so war er im polnischen Umfeld einer von vielen Schülern Matejkos.

Anders in Palästina (und später Israel), wohin er neben anderen polnisch-jüdischen Malern von der 1906 gegründeten Bezalel Kunsthochschule in Jerusalem eingeladen wurde. Obwohl seine oft melancholischen Gemälde betender Juden oder seine Porträts „typisch europäischer“ Juden nichts mit den zionistischen Vorstellungen eines neuen „Muskeljudentums“ gemeinsam hatten, wurde er in Israel zum Schöpfer eines authentischen Judentums erklärt. „Gottlieb’s once-despised Galicia, heartland of the Jewish exile, is now celebrated as the heartland of authentic Judaism, and its pious Jewish inhabitants are shown to be inextricably bound to present-day Israel by the golden chain of tradition. Continuity, not disruption, is the theme.“ (S. 193)

Mendelsohn selbst liest Gottlieb als „artist of Jewish universalism“ (S. 195) und versucht, dies in den letzten beiden Kapiteln des Buches zu begründen. Hierbei sind seine Beispiele zum Teil recht wage. Im Vordergrund steht dabei offenbar der Versuch eine universalistische Tradition unter jüdischen Künstlern in Europa und Amerika zu betonen, deren geistiger Vater unter anderen Maurycy Gottlieb sei (S. 208).

So ist Mendelsohn zwar ein interessantes und gut lesbares Buch über die Arbeiten Gottliebs in ihrem jüdischen, polnischen und europäischen Kontext gelungen. Andererseits aber erweckt es den Eindruck, als habe es der Historiker hier vor allem den Kunsthistorikern recht machen wollen. Ein stärker historisch orientiertes Buch hätte möglicherweise noch mehr von Gottliebs Lebenswelt und Umwelt zeigen können, während so die Einordnung in den kunsthistorischen Kontext im Fordergrund steht.

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