D. Gehrt u.a. (Hrsg.): Fürstinnen und Konfession

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Titel
Fürstinnen und Konfession. Beiträge hochadeliger Frauen zu Religionspolitik und Bekenntnisbildung


Herausgeber
Gehrt, Daniel; Osten-Sacken, Vera von der
Reihe
Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Beiheft 104
Erschienen
Göttingen 2015: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
381 S.
Preis
€ 74,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Andreas Rutz, Institut für Geschichtswissenschaft, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Die deutsche Frühneuzeitforschung hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt adligen Frauen als politischen Akteuren zugewandt. In den Blick genommen wurden selbstständig herrschende Frauen, wie Regentinnen, Fürstäbtissinnen und Herrscherinnen kraft eigenen Rechts, aber auch regierende und verwitwete Fürstinnen, die informell auf ihren Mann, ihren Sohn, den Hof sowie mittels umfangreicher Korrespondenzen und persönlicher Kontakte auch auf die Akteure an anderen Höfen politischen Einfluss zu nehmen suchten. Im Mittelpunkt der Forschungen steht zum einen die Frage nach den strukturellen Bedingungen weiblicher Herrschaft bzw. Herrschaftspartizipation. Zum anderen wird nach den konkreten Verfahren und Strategien des politischen Handelns der betreffenden Frauen gefragt. Die Themen, mit denen sich die Frauen auseinandersetzten, werden dabei zwar auch behandelt, stehen aber in der Regel nicht im Mittelpunkt der Untersuchungen. Erst in jüngerer Zeit macht sich ein Trend bemerkbar, bei der Diskussion um Frauen und Politik in der Frühen Neuzeit einen thematischen Zugriff zu wählen und etwa weibliche Handlungsfelder im Bereich von Außenpolitik und Diplomatie zu analysieren.1 In diesen Zusammenhang lässt sich auch der vorliegende Sammelband einordnen, der sich mit dem Anteil von Fürstinnen an Religionspolitik und Bekenntnisbildung befasst. Der Politikbegriff wird dabei entsprechend den Spezifika dynastischer Herrschaft in der Vormoderne weit gefasst und beschränkt sich nicht auf das politische Handeln in einem institutionellen Rahmen.

Der Band geht auf eine Tagung des Instituts für Europäische Geschichte Mainz und der Forschungsbibliothek Gotha auf Schloss Friedenstein im März 2011 zurück. Den inhaltlichen Rahmen steckt der einführende Beitrag von Heide Wunder ab, der auf die Voraussetzungen konfessionspolitischen Handelns sowie die konkreten Möglichkeiten und Handlungsfelder von Regentinnen und regierenden Fürstinnen eingeht. Bedenkenswert ist der Hinweis, dass katholische Fürstinnen von der Forschung bislang kaum berücksichtigt wurden – eine konfessionelle Engführung, die freilich auch den vorliegenden Band betrifft. Der zeitliche Schwerpunkt des Bandes liegt auf dem 16. Jahrhundert. Mit einer Ausnahme behandeln die 16 Beiträge das Thema anhand von Beispielen aus dem Heiligen Römischen Reich. Der Beitrag von David Scott Gehring zu Elizabeth I. (1533–1603) fügt sich insofern in diesen Diskussionszusammenhang, als die englische Königin enge Kontakte zu den deutschen protestantischen Fürsten pflegte und bemüht war, theologische Differenzen zwischen den Fraktionen zugunsten einer panprotestantischen, antikatholischen Zusammenarbeit zu überwinden.

Wie Gehring fokussieren auch die meisten anderen Beiträgerinnen und Beiträger des Bandes auf einzelne Persönlichkeiten: Einen gewissen Schwerpunkt bildet die Auseinandersetzung mit Dorothea Susanna von Sachsen-Weimar (1544–1592), der immerhin vier Beiträge gewidmet sind. Auch wenn sich dabei gelegentliche Überschneidungen ergeben, erscheint die mehrfache Aufmerksamkeit für die Herzogin durchaus angemessen, war sie doch eine wichtige Protagonistin im lutherischen Differenzierungs- und Einigungsprozess der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Zudem werden zahlreiche Autographen der Herzogin – etwa ihr Glaubensbekenntnis von 1575, das für die hochadligen Frauen ihrer Zeit ein singuläres Zeugnis darstellt – am Tagungsort Gotha verwahrt. Hendrikje Carius zeigt anhand zweier zentraler Konfliktpunkte die sich wandelnden Strategien der Herzoginwitwe zur Durchsetzung ihrer konfessionspolitischen Ziele in ihrem Wittum während der Zeit der Vormundschaftsregierung für ihren Sohn Friedrich Wilhelm durch Kurfürst August von Sachsen. Nachdem sie zunächst erfolglos die landesherrliche Kirchenvisitation in ihrem Wittum mit Verweis auf ihre Jurisdiktionsrechte abgelehnt hatte, bekam ihre Argumentationsstrategie im Falle der Einsetzung von Hofpredigern eine stärker theologische Fundierung. Die politische Wirksamkeit sollte so nicht mehr über den Rechtsdiskurs, sondern über das Glaubensbekenntnis hergestellt werden. Daniel Gehrt befasst sich mit der Prinzenerziehung als einem zentralen Handlungsfeld der Herzoginwitwe, das diese nicht nur durch eine Erziehungsinstruktion, sondern auch durch die Pflege der Memoria ihres verstorbenen Mannes Johann Wilhelm I. und die Selbststilisierung als Bekennerfigur gestaltete. Auch in diesem Zusammenhang werden wiederum Konflikte mit dem Vormund August von Sachsen deutlich, insbesondere mit Blick auf die (religiöse) Erziehung des ältesten Sohnes. Die erzieherischen Aspekte der Memorialkultur behandelt Gehrt vor allem anhand der Leichenpredigten. Diese spielen auch im Beitrag von Ernst Koch zur Pflege der Memoria Johann Wilhelms I. eine zentrale Rolle, außerdem analysiert er Grabmonument und Grabinschrift des verstorbenen Herzogs. Der Beitrag von Vera von der Osten-Sacken hätte gut am Anfang der Aufsatzsequenz stehen können, denn er gibt zunächst einen grundsätzlichen Überblick über die Protagonistin und ihre Stellung in der Zeit der Vormundschaftsregierung des sächsischen Kurfürsten. Im Mittelpunkt der Analyse stehen sodann die Amtsenthebung der ernestinischen Prediger durch August und die Versuche Dorothea Susannas, diese vielfach exilierten Geistlichen an sich zu binden und schließlich wieder in ihre Positionen zu bringen.

Weitere Beiträge behandeln ebenfalls Einzelpersonen: Siegfried Bräuer schildert Sibylle von Kleve (1512–1554) als Ehefrau Kurfürst Johann Friedrichs von Sachsen, wobei er unter anderem auf ihre katholische Erziehung und die Frage der Übernahme des protestantischen Glaubens am neuen Hof eingeht. Inge Mager widmet sich der schriftstellerischen Tätigkeit Elisabeths von Calenberg-Göttingen (1510–1558) und arbeitet die laientheologischen Charakteristika ihrer Schriften heraus.2 Weiterer Diskussion wert ist sicherlich der von Mager konstatierte Widerspruch zwischen Schreiben und Handeln: So skizziert Elisabeth in ihren ehe- und familienethischen Schriften für Sohn und Tochter ein christliches Frauenbild, das auf Gehorsam und Unterwerfung unter den männlichen Vormund basiert. Auch ist sie sich des neutestamentlichen Schweigegebots für Frauen bewusst. Gleichwohl trat sie in ihrer Rolle als Regentin sowie als Autorin laientheologischer Schriften als selbstständig handelnde Frau in Erscheinung. Lothar Berndorff befasst sich eingehend mit dem Kirchen- und Hausregiment der Margareta von Mansfeld (1534–1596) und stellt vor diesem Hintergrund die in vergleichender Perspektive noch zu verifizierende These auf, „dass kleine, von diffusen Herrschaftsverhältnissen durchwirkte Gebiete weiblichen Regenten möglicherweise mehr Handlungsspielräume ließen als große streng unilineal und vertikal vermachtete Fürstentümer“ (S. 301). Siegrid Westphal untersucht anhand von Anna von Pfalz-Neuburg (1552–1632) die komplexe und konfliktreiche Situation, die die Konversion eines Fürsten für seine Familie bedeuten konnte. Annas Sohn Wolfgang Wilhelm konvertierte 1613/14 im Zusammenhang des jülich-klevischen Erbfolgestreits zum Katholizismus. Die Fürstinwitwe blieb lutherisch und versuchte im Zuge der Rekatholisierung Pfalz-Neuburgs, ihre konfessionelle Identität und die ihrer nachgeborenen Söhne zu bewahren. Zudem setzte sie sich für den Erhalt des Luthertums insbesondere in ihrem Wittum und den Erbämtern der Söhne ein, intervenierte aber auch beim Fürsten für die lutherischen Städte des Territoriums. Andreas Waczkat skizziert die Auseinandersetzung Sophie Elisabeths von Braunschweig-Lüneburg (1613–1676) mit der geistlichen Musik ihrer Zeit und ihre Beziehung zu Heinrich Schütz, was freilich eher in den Kontext von Frömmigkeitspraxis und Hofkultur als den von politischem Handeln gehört. Auch Ute Gause befasst sich am Beispiel von Henriette Catherine Freiin von Friesen (1648–1726) mit individueller Frömmigkeit, kann aber durch die Analyse einer 1665 von ihrer Protagonistin veröffentlichten Schrift zeigen, wie ein bestimmtes theologisches Selbstverständnis zu politisch-konfessionellem Handeln führte: Die „Selbstvergewisserung des religiösen Ich“ drängte „zum Eintreten für die eigene Konfession“, die „Existenzialisierung der Frömmigkeit“ führte „zu einer Politisierung bzw. zu gesellschaftspolitischem Engagement“ (S. 364).

Der Fokus auf einzelne Fürstinnen hat selbstverständlich seine Berechtigung und erbringt, wie die genannten Beiträge zeigen, vielfältige Ergebnisse. Aber er ist auch Kennzeichen eines noch im Werden begriffenen Forschungsfeldes, für das zunächst einmal Material zusammengebracht und exemplarisch aufgearbeitet werden muss, um Fragestellungen zu konkretisieren und Thesen zu entwickeln. Umso erfreulicher ist es, wenn neben der allgemeineren Einführung von Wunder verschiedene Beiträge mittels Vergleich oder thematischer Fokussierung übergreifende, auf allgemeine oder zu verallgemeinernde Strukturen und Muster zielende Befunde diskutieren: Katrin Keller behandelt zwei regierende Fürstinnen – Anna von Sachsen (1532–1585) und Maria von Innerösterreich (1551–1608) – und vergleicht die Rahmenbedingungen ihres Handelns, ihre Religiosität und christliche Lebenspraxis sowie das religionspolitische Handeln der lutherischen Kurfürstin und der katholischen Erzherzogin. Trotz der unterschiedlichen Rahmenbedingungen identifiziert Keller eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die für die Fürstinnen mit Blick auf das Handlungsfeld Kirche und Religion entscheidend waren. So hatte die persönliche Frömmigkeit jeweils politische Wirkung, traten beide Fürstinnen aktiv für die Sicherung des eigenen Bekenntnisses ein und prägten damit den Prozess der Bekenntnisbildung, was sie zur Zielschreibe der Kritik ihrer konfessionellen Gegner machte. Zugleich wird in beiden Fällen deutlich, dass dem Handeln der Fürstinnen klare Grenzen gesetzt waren, denn die konfessionellen Weichenstellungen wurden vom Fürsten und nicht von seiner Frau vorgenommen. Bettina Braun untersucht in einem chronologischen Durchlauf für das 16. Jahrhundert die Frauen einer Dynastie, nämlich der kurpfälzischen Wittelsbacher. Im diachronen Vergleich bestätigt sich, was auch Beiträge zu einzelnen Fürstinnen gezeigt haben, nämlich dass Ehevereinbarung und Wittumsvertrag sowie die Herkunftsfamilie der Fürstin für das konfessionelle bzw. konfessionspolitische Handeln der Frauen entscheidende Faktoren waren. Die größte Wirkung erzielte eine Fürstin, wenn sie die konfessionelle Entscheidung ihres Mannes beeinflussen konnte. Direkte Einflussnahmen auf institutionellem Wege sind dagegen nicht nachweisbar. Anne-Simone Rous gibt einen systematischen Überblick über die Rolle von Fürstinnen als Ehestifterinnen im konfessionellen Zeitalter und exemplifiziert diese an kursächsischen Beispielen. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Frauen erheblichen Einfluss auf die dynastische Heiratspolitik hatten und in diesem Zusammenhang maßgeblich zur konfessionellen Kontinuität einer Fürstenfamilie beitrugen. Ausgehend vom Werk Lucas Cranachs d. Ä. analysiert schließlich Michael Müller die Darstellung von protestantischen Fürstinnen in der Bildniskunst des 16. Jahrhunderts, wobei Bildnisse im öffentlichen Raum (Schloss und Rathaus in Torgau) sowie Cranachs Judith-Darstellungen im Porträtformat im Mittelpunkt stehen. Die biblische Gestalt der Judith figurierte nicht nur als Heroine des protestantischen Fürstenbundes, sondern war auch „Projektions- und Identifikationsfigur speziell für das Selbstverständnis der protestantischen Fürstin“ (S. 85).

Der Band bildet einen gewichtigen Beitrag zur aktuellen Forschungsdiskussion um die Rolle von Frauen in Politik und Herrschaft der Frühen Neuzeit. Mit Religionspolitik und Bekenntnisbildung wird ein für das 16. Jahrhundert entscheidendes Handlungsfeld in den Mittelpunkt gerückt, so dass auch die Reformationsgeschichte wichtige Impulse erhält.

Anmerkungen:
1 Vgl. etwa Corina Bastian, Verhandeln in Briefen. Frauen in der höfischen Diplomatie des frühen 18. Jahrhunderts, Köln 2013.
2 Vgl. hierzu jetzt auch Saskia Schmidt, Schreiben und Schriften der Elisabeth von Braunschweig-Calenberg vor dem Hintergrund des protestantischen Frauenbildes, in: Historisches Jahrbuch 136 (2016), S. 361–406.

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