S. Witter Connor: Wisconsin's Flying Trees in World War II

Cover
Titel
Wisconsin's Flying Trees in World War II. A Victory for American Forest Products and Allied Aviation


Autor(en)
Witter Connor, Sara
Erschienen
Charleston 2014: The History Press
Anzahl Seiten
287 S.
Preis
€ 24,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Bemmann, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

1942 veröffentlichte der aus Europa in die USA emigrierte Holzwirtschaftsexperte Egon Glesinger einen längeren Essay, in dem er ausführte, wie Hitlers NSDAP seit den 1920er-Jahren und das NS-Regime ab 1933 aktiv daran gearbeitet hätten, Holz zum zentralen Rohstoff ihrer Weltbeherrschungspläne zu machen. Ziel sei es gewesen, zunächst die europäische und später die globale Forst- und Holzwirtschaft direkt oder indirekt zu kontrollieren. Unfaire handelspolitische Praktiken gegenüber Holzexporteuren in (Ost-)Europa hätten ebenso zum Repertoire deutscher Behörden gehört wie die Infiltration ausländischer Forstbehörden mit Agenten, der Aufkauf internationaler Holzfirmen und die intensive wissenschaftliche Forschung, um neue und vor allem effiziente Holzverwendungsmöglichkeiten zu etablieren.1

Glesingers Behauptungen waren stark übertrieben, teils schlichtweg falsch und im Nachhinein erscheint sein Buch eher als Thriller denn als Sachbuch. Dem entsprechend waren Fachleute eher reserviert gegenüber seinen Ausführungen. In Teilen der zeitgenössischen amerikanischen Öffentlichkeit wurde sein Buch jedoch interessiert bis besorgt wahrgenommen und seine Botschaft mittels Artikeln in renommierten Wochenmagazinen und Zeitungen weiter verbreitet. Glesinger konnte diese Resonanz erzeugen, weil viele seiner Darlegungen einen wahren Kern beinhalteten und er als gut informierter Experte galt. Wichtiger aber war, dass es für viele Zeitgenossen ganz offensichtlich vorstellbar war, dass Holz tatsächlich zu einem zentralen Rohstoff der modernen Kriegführung werden könne.

In ihrem vor allem auf Zeitzeugeninterviews, Unternehmensakten und Dokumenten staatlicher Behörden basierenden Buch beleuchtet Sara Witter Connor einen Teil jener Entwicklungen, die zur Entstehung dieses Glaubens beigetragen hat. Holz, so macht sie an Beispielen der amerikanischen und britischen Flugzeugindustrie, den Forschungsaktivitäten des „Forest Products Laboratory“ in Madison/Wisc. und an der intensivierten staatlichen Kontrolle der Holzwirtschaft durch Bundesbehörden deutlich, war für hochindustrialisierte Gesellschaften wie die amerikanische alles andere als ein Rohstoff vergangener Epochen. Gerade in den 1930er- und 1940er-Jahren erlebte die chemische und mechanische Verarbeitung von Holz sowie der Ausbau diesbezüglicher Forschungsinstitutionen international einen Boom, der von der Wirtschafts- und Wissenschaftsgeschichte bisher nur wenig beachtet worden ist.

Im Zentrum von Connors Ausführungen steht die Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Sperrholzfabrik „Roddis Lumber and Veneer Company“ in Marshville/Wisc., zu der sie eine familiäre Beziehung hat. Die Firma versorgte amerikanische Reedereien während des Kriegs mit feuerfesten und wasserdichten Sperrhölzern für den Schiffsbau. Vor allem aber interessiert Connor die Verwendung dieses Werkstoffs im Flugzeugbau. Detailliert beschreibt sie, wie er beim Bau von Segelfliegern, Jagdflugzeugen, Bombern und Transportflugzeugen zum Einsatz kam, die sich für den Sieg über Deutschland als unabdingbar erwiesen hätten. Größere Bekanntheit erhielten dabei die „Mosquito“- und „Hornet“-Flugzeuge der britischen „De Havilland Aircraft Company“, die die Zeitgenossen auch als „Wooden Wonders“ und „Timber Terror“ bezeichneten und die auf die Lieferung von „Roddis“ angewiesen waren. Denn das amerikanische Unternehmen war eine der wenigen Firmen im alliierten Machtbereich, die nicht nur entsprechende Maschinen besaßen, um die nötigen, sehr dünnen Sperrholzfurniere zu schneiden. Es beherrschte auch die spezialisierte Verleimungs- und Presstechnik, um die Furniere zu Platten zusammenzufügen, die den enormen Belastungen des Luftkriegs standhalten konnten. Interessanterweise, so Connor in einem kurzen Kapitel, stammten sowohl die Leime als auch die Presstechnik aus Deutschland und wurden von „Roddis“ erst kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs erworben.

Die große Bedeutung der wissenschaftlichen Holzforschung für den Flugzeugbau und andere Industriezweige macht Connor am Beispiel des amerikanischen „Forest Products Laboratory“ deutlich, dessen Mitarbeiterzahl während des Kriegs von 175 (1940) auf rund 700 (1944) anstieg. Nur durch die Kooperation dieses Instituts mit Firmen der Holz verarbeitenden Industrie, so wird implizit deutlich, war es möglich, die Qualität und die Effizienz der chemischen und mechanischen Verarbeitung von Holz so zu steigern, dass die Nutzung komplexerer Holzprodukte für die Kriegswirtschaft im großen Maßstab möglich wurde. Die Folge freilich war eine stetig wachsende Nachfrage nach bestimmten Hölzern (etwa Birke für die Sperrholzherstellung), die rasch nur noch schwer erhältlich waren. Produktion, Handel und industrielle Verwertung dieser Hölzer versuchte der „War Production Board“ der amerikanischen Regierung daher zu koordinieren und zu kontrollieren, was aber Connor zufolge nur eingeschränkt funktionierte.

Die Stärke von Connors Buch liegt zweifellos darin, detaillierte Einblicke in die Arbeiten einzelner Firmen der amerikanischen Holzwirtschaft während des Zweiten Weltkriegs zu geben und deren Kooperation mit Wissenschaft, Verwaltung und anderen Unternehmen in den USA und in Großbritannien zu beleuchten. Diese Konzentration verweist jedoch gleichzeitig auf die Schwächen der Darstellung. Es fehlt ihr eine erkenntnisleitende Frage oder These, viele der Ausführungen stehen mehr oder weniger unvermittelt nebeneinander, manche Aussage wiederholt sich und eine Einordnung in allgemeinere Forschungskontexte findet nicht statt. Das ist schade, da die Anknüpfungspunkte an die Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte so offensichtlich sind. Insbesondere die wenigen Seiten zur „German Connection“ (S. 146) der Firma Roddis laden zudem zu einem Vergleich mit der deutschen Entwicklung geradezu ein, die zumindest im wissenschaftlichen Bereich sehr ähnlich verlief.2 Da Connor ihr Buch jedoch offenbar vor allem für ein lokales und fachlich an der Sperrholzindustrie interessiertes Publikum geschrieben hat, sind ihre Ausführungen weitgehend deskriptiver Natur. Der Band lässt sich daher in erster Linie als Informationsquelle nutzen, kaum aber als Inspiration für übergreifende Fragen oder zur Kontextualisierung eigener Untersuchungen.

Anmerkungen:
1 Egon Glesinger, Nazis in the Woodpile. Hitler‘s Plot for Essential Raw Material, Indianapolis 1942.
2 Einführend dazu Heinrich Rubner, Deutsche Forstgeschichte 1933–1945. Forstwirtschaft, Jagd und Umwelt im NS-Staat, 2., erw. Auflage, St. Katharinen 1997; Peter-Michael Steinsiek, Forst- und Holzforschung im „Dritten Reich“, Remagen 2008.

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