Cover
Titel
Adel im Krieg. Quellen zum Ersten Weltkrieg aus westfälischen Adelsarchiven


Herausgeber
Stumpf, Marcus
Anzahl Seiten
379 S.
Preis
€ 32,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sophia von Kuenheim, Dresden

Marcus Stumpf ist Leiter des Archivamtes des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe und Archivdirektor der Vereinigten Westfälischen Adelsarchive e. V. Er hat mit „Adel im Krieg“ eine Quellensammlung herausgegeben, die Tagebuchausschnitte, Feldpostbriefe, Zeichnungen, Gedichte, Postkarten und Fotos aus den Archiven westfälischer Adelsfamilien enthält. Die Mehrzahl der von ihm ausgewählten Archivalien wurde von Angehörigen dieser Familien verfasst. Es finden sich aber auch andere Dokumente darunter, etwa Tagebuchausschnitte des mecklenburgischen Gutsbesitzers Wilhelm von Oertzen, die sich im Archiv der Familie von Bodelschwingh befinden und so in den Fokus des Herausgebers gerieten oder von Nichtadligen verfasste Briefe an die Lazarettschwester Anna Gräfin von Korff gen. Schmising-Kerssenbrock aus einem Nachlass im Archivdepot Cappenberg. Die Quellen zeigen unterschiedliche und individuelle Facetten des Krieges an der Front und seiner Auswirkungen in der Zivilgesellschaft.

Die Einleitung des Bandes fällt kurz aus. Stumpf erläutert dort das Zustandekommen des Bandes, die Quellenauswahl und die Kommentierung. Unter anderem erwähnt er, dass die persönlichen Nachlässe in den Archivbeständen, die den Zeitraum des Ersten Weltkrieges umfassen, in vielen Archiven des Verbundes bislang in erstaunlich geringer Zahl vorhanden sind. Vielfach würden diese Unterlagen noch als zu privat eingestuft, um sie öffentlich zugänglich zu machen. Nichts desto trotz hat er rund 230 Dokumente aus den verschiedenen Mitgliedsarchiven des „Vereinigte Westfälische Adelsarchive e. V.“ zusammengetragen, die sich zum Teil als Deposita beim Verein befinden, zum Teil bei den Eigentümerfamilien selbst verwahrt werden.

Zur Präsentation der Quellen hat sich Stumpf für eine chronologische Ordnung entschieden. Themen, Autoren und Quellentypen wechseln sich auf diese Weise ab. Für den Leser bedeutet dies auf der einen Seite, die ganze Vielfalt der Quellen direkt vor Augen geführt zu bekommen. Auf der anderen Seite stört die Ordnung den Lesefluss jedoch erheblich. Das ist vor allen Dingen in solchen Fällen zu bedauern, in denen umfangreichere Schriften einer einzelnen Person abgedruckt wurden. Hans Graf von Spee hat beispielsweise seine Erfahrungen von West- und Ostfront in seinem Kriegstagebuch aufgezeichnet. Diese Eintragungen zerfallen jedoch dadurch, dass sie sich über den gesamten Band erstrecken, in so viele Einzelteile, dass es schwer ist, ihnen zu folgen. Zur chronologischen Präsentation der Archivalien sah der Herausgeber jedoch, wie er in der Einleitung schreibt, keine Alternative. Was die Quellenauswahl anbelangt ist dem letztlich zuzustimmen. Es bleibt aber unklar aus welchem Grund sich Stumpf dagegen entschieden hat, einige umfangreichere Bestände einzelner Personen so zu präsentieren, dass der Leser sie als Einheit wahrnehmen kann und im Gegenzug Bestände nicht aufzunehmen, die aus nur wenigen Dokumenten bestehen.

Die Kommentierung der abgedruckten Quellen beschränkt sich hauptsächlich auf die Nennung der vollständigen Namen und Lebensdaten der erwähnten Personen. Bisweilen werden diese Daten durch Angaben zu ihrer weiteren beruflichen Entwicklung ergänzt. Darüber hinausgehende Erklärungen von Begriffen oder Anmerkungen zur historischen beziehungsweise militärischen Entwicklung finden sich nur sehr vereinzelt. Werden Frauennamen in den Fußnoten genannt, wird in der Regel auch der Mädchenname der Betreffenden angegeben. Das geschieht auch dann, wenn die Verwandtschaftsverhältnisse in diesem Kontext keine Rolle spielen, wie etwa bei einem Tagebucheintrag, bei dem der Name eines zum Zeitpunkt der Niederschrift 8-jährigen Mädchens mit ihrem späteren Ehenamen angegeben wird und lediglich die zusätzliche Nennung des Mädchennamens, also des Namens, den sie zum Zeitpunkt der Eintragung trägt, die Beziehung zu den im Text genannten Personen erkennen lässt (S. 68). Der Herausgeber scheint hier weniger vom konkreten Kontext des Tagebuchs und dem Bezug zum Krieg geleitet als eher vom Interesse der Sozialformation an Familiengenealogien und Verwandtschaftsverhältnissen. Denn er folgt hier den Gepflogenheiten des Adels, bei Frauen stets auch den Namen der Herkunftsfamilie mit anzugeben.1

Die Kommentierung des Textes hätte sorgfältiger und umfassender gestaltet werden können, um zum einen den Blick auf den Krieg, den die Quellen ermöglichen, deutlicher herauszuarbeiten und zum anderen um zu vermeiden, dass Merkmale der Sozialformation unbenannt übernommen werden. So entsteht der Eindruck, der Herausgeber interessiere sich lediglich für die soziale Gruppe des Adels, ihre Verwandtschaftsbeziehungen und die Frage inwieweit sie miteinander bekannt waren und nicht oder nur am Rande für die Schilderungen des Ersten Weltkrieges.

Ein umfangreicher Teil der abgedruckten Feldpostbriefe und Kriegstagebücher entstammt dem Nachlass von Heinrich Glasmeier, wie Stumpf in der Einleitung schreibt (S. 13). Er stellt ihn als Kavallerieoffizier und späteren Archivdirektor der westfälischen Adelsarchive vor und geht auf die Bedeutung einer von ihm verfassten Studie über die Geschichte des Kürassierregiments Nr. 4 in Münster ein. Für die Arbeiten an dieser Studie hat Glasmeier zahlreiche Quellen zusammengetragen, die nun Eingang in den vorliegenden Band gefunden haben. Der Herausgeber geht bei der Vorstellung Glasmeiers und seiner Arbeit nicht darauf ein, dass dieser nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Archivdirektors als NSDAP-Mitglied Karriere machte, und nachdem er Intendant des Westdeutschen Rundfunks gewesen war zum Reichintendanten und Generaldirektor der Reichsrundfunkgesellschaft ernannt wurde.2 Diesen weiteren Lebensweg gänzlich unerwähnt zu lassen ist einseitig, besonders im Hinblick darauf, dass andere biographische Angaben im Buch durchaus die späteren Lebensläufe der Genannten enthalten.

Der Herausgeber hat mit „Adel im Krieg“ persönliche Quellen zum Ersten Weltkrieg zugänglich gemacht. Er lädt damit ein, die Geschichte des westfälischen Adels in dieser Zeit genauer zu betrachten. Einleitung, Kommentierung und das Literaturverzeichnis, das kaum adelshistorische Fachliteratur enthält, fallen jedoch insgesamt zu knapp aus, um eine Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg aus dieser Perspektive plausibel zu machen. Nur dem mit der Materie vertrauten Historiker erschließt sich die Adelsspezifik der abgedruckten Dokumente auf der einen Seite bzw. die Einordnung der geschilderten Kriegserlebnisse auf der anderen Seite. Es wäre wünschenswert, der Herausgeber hätte die Quellen so aufgearbeitet, dass sie von einer größeren Leserschaft ohne spezifische Vorkenntnisse hätten verstanden werden können, um so transparent zu machen, ob es einen spezifischen Blick des Adels auf den Krieg gibt.

Anmerkungen:
1 Vgl. hierzu vor allem die genealogischen Nachschlagewerke aus den Verlagen Justus Perthes und Starke.
2 Vgl. zu Glasmeier u. a.: Norbert Fasse, Vom Adelsarchiv zur NS-Propaganda. Der symptomatische Lebenslauf des Reichsrundfunkintendanten Heinrich Glasmeier (1892–1945) (=Schriftenreihe des Jüdischen Museums Westfalen 2) Bielefeld u.a. 2001.

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