B. Holmes u.a. (Hrsg.): The Frontiers of Ancient Science

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Titel
The Frontiers of Ancient Science. Essays in Honor of Heinrich von Staden


Herausgeber
Holmes, Brooke; Fischer, Klaus-Dietrich
Reihe
Beiträge zur Altertumskunde 338
Erschienen
Berlin 2015: de Gruyter
Anzahl Seiten
XXI, 754 S.
Preis
€ 199,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jan Timmer, Institut für Geschichtswissenschaft, Universität Bonn

Wissenschaft, Medizin, Philosophie und Literatur der Antike sowie ihr Nachleben: Die Themenfelder, die Max von Staden als Professor seit 1968 zunächst in Yale, dann über mehr als ein Jahrzehnt am Institute for Advanced Study bearbeitet hat, sind vielfältig. Vielfältig sind auch die methodischen Zugriffe, mit denen sich von Staden seinen jeweiligen Gegenständen näherte. Vielfältig sind dementsprechend schließlich auch die Disziplinen der Wissenschaftler, die er mit seinen Arbeiten beeinflußt hat.

Diese Vielfalt spiegeln auch die 29 Beiträge der anzuzeigenden Festschrift wider, die alle von Wissenschaftlern stammen, die während von Stadens Tätigkeit am Institute for Advanced Study in Princeton dort geforscht haben.

Ein Schwerpunkt liegt dabei auf verschiedenen Facetten der Medizingeschichte: Eine erste Gruppe widmet sich der Untersuchung von Prozessen medizinischen Kulturtransfers: Markus Asper untersucht den Zusammenhang zwischen hippokratischer Medizin und ihren mesopotamischen Vorläufern, wobei er diese Differenz relativiert und stattdessen einen Bruch innerhalb der griechischen Medizingeschichte betont. Han Baltussen vergleicht Verpflichtungen zum Arzt-Patienten-Verhältnis in Griechenland, Indien und China und arbeitet Ähnlichkeiten moralischer Normen heraus. „Übersetzungsprobleme“ zwischen der Medizin unterschiedlicher Kulturräume behandelt Christopher Faraone am Beispiel griechischer Amulette, deren Bildsprache Motive ägyptischer Mythologie aufgreift.

Eine zweite Gruppe umkreist allgemeine Fragen antiker Medizin: Brooke Holmes beschäftigt sich in einer begriffsgeschichtlichen Studie mit den unterschiedlichen Bedeutungen von symptoma und deren Entwicklung in der medizinischen Fachliteratur. Jacques Jouanna bemüht sich um die Identifikation der Quelle für Erotians Glosse Phi 2. Isabella Andorlini geht der Verwendung von Papyrus als Heilmittel insbesondere bei Soranos nach. Danielle Gourevitch und Philippe Charlier präsentieren ein bislang unpubliziertes Votiv für die Heilung eines Augenleidens und setzen es zu Vergleichsstücken in Beziehung. Roberto Lo Presti beschäftigt sich mit der Parallelisierung von Epilepsie und Schlaf bei Aristoteles und in der mittelalterlichen Aristoteles-Rezeption.

Vier Aufsätze sind speziell Galen gewidmet: Amneris Roselli zeigt, mit Hilfe welcher philologischen Kriterien Galen die Unechtheit der Hippokrates zugeschrieben Prorrhetik nachweist. Heinrich Schlange-Schöningen verfolgt die Darstellung monarchischer Herrschaft in Galens Oeuvre und zeigt, wie weitgehend die Kritik an Königen war, in denen Galen häufig mangelndes Interesse an der Wissenschaft und einen Hang zum Machtmißbrauch vereint sah. Philip van der Eijk beschreibt die Methoden, mit deren Hilfe Galen die für sein Verständnis körperlicher Gesundheit zentrale Mischung von Hitze, Kälte, Trockenheit und Feuchte feststellte und die Form der dyskrasia bestimmte, die den Ausgangspunkt für die Behandlung darstellte,. Vivian Nutton diskutiert ausgehend von der Entdeckung einer Handschrift mit Werken Galens im Vlatadon-Kloster in Thessaloniki die alte Frage nach dem Gentilnomen des Arztes.

Neben der Medizingeschichte ist es die Behandlung antiker Naturwissenschaften, die einen weiteren Schwerpunkt des Bandes ausmacht: Zwei Beiträge beschäftigen sich mit den Anfängen der Wissenschaft in mesopotamischen Keilschrifttexten: Francesca Rochberg versucht, die Astronomie nicht nur als bloßen Vorläufer westlicher Wissenschaft zu betrachten, und betont stattdessen ihre Eigenständig- und Anschlußfähigkeit. Gleiches gilt auch für Christine Proust, die sich mit der besonderen listenförmigen Darstellungsform mathematischer Probleme in Mesopotamien beschäftigt. Helen Lang geht der Bedeutung des „Körpers“ in den platonischen Schriften nach und zeigt, dass es bei dem Konzept zunächst um Ordnung und erst in zweiter Linie um Dreidimensionalität geht. Die Rolle der Mathematik in Platons Staat ist Gegenstand der Ausführungen von Carl A. Huffman, der die Bedeutung hervorhebt, die der Philosoph der mathematischen Ausbildung der Wächter für die Möglichkeit, das Gute zu erkennen, beimißt. Ebenfalls mit der Mathematik des späten 5. bzw. frühen 4. Jahrhunderts v.Chr. beschäftigt sich Stephen Menn in seinem Beitrag zur Methode, mit deren Hilfe Archytas von Tarent die Verdopplung des Würfels gelang.

Mit aristotelischer Zoologie und Botanik setzen sich Allan Gotthelf, Andrea Falcon und Joshua Katz auseinander: Gotthelf ordnet die Darstellung der Entwicklung des Embryos in Aristot. gen. anim. 2,6 in den Argumentationsgang der Schrift ein. Falcon versucht aus den umfangreich überlieferten zoologischen Schriften auf botanische Vorstellungen des Philosophen rückzuschließen. Katz schließlich bemüht sich um den Nachweis, daß es sich bei dem tróchos in gen. anim. 3,6 um die Beschreibung eines Dachses handelt.
Etwas weniger Raum nimmt die Beschäftigung mit der hellenistischen Wissenschaft ein: Katerina Ierodiakonou zeichnet den Streit zwischen Epikureern und Stoikern nach, ob Farben Eigenschaften von Dingen oder reine Wahrnehmungsphänomene seien. Mark J. Schiefsky stellt dar, welche Bedeutung Philon von Alexandria Theorie und Erfahrung bei der Konstruktion von Kriegsmaschinen beimaß, während W.R. Laird sich Heron und den Prinzipien seiner Mechanik widmet.

Arnaldo Marcone verfolgt ausgehend vom s.c de C. Pisone patre die Entwicklung des numen als Teil der politischen Theologie des Prinzipats. Einen neuen Vorschlag zur Datierung der fälschlicherweise Thessalos von Tralles zugeschriebenen Schrift De virtutibus herbarum macht Ian S. Moyer, der statt der häufig vertretenen spätantiken Entstehung eine Abfassung zwischen dem späten 1. und frühen 3. Jahrhundert n.Chr. wahrscheinlich macht.

Drei Beiträge – von Alan Bowen über die Rolle von Simplicius in Paris des 13. Jahrhunderts, von Klaus-Dietrich Fischer über das Genre der diätetischen Kalender und von Thomas Rütten über Hippokrateskommentare im 16. Jahrhundert – sind schließlich dem Fortleben antiker Medizin und Wissenschaft in Mittelalter und früher Neuzeit gewidmet.

Vielfalt war der Leitbegriff dieser Rezension. Vielfalt ist bei der Beschreibung eines Forschers, wenn es um seine thematische und methodische Breite geht, eine positive Eigenschaft. Ob dies bei Büchern zu Ehren eines Forschers auch der Fall ist, muß der Leser entscheiden.

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