L. P. Wandel (Hrsg.): A Companion to the Eucharist in the Reformation

Cover
Titel
A Companion to the Eucharist in the Reformation.


Herausgeber
Wandel, Lee Palmer
Reihe
Brill's Companions to the Christian Tradition 46
Erschienen
Anzahl Seiten
518 S.
Preis
€ 185,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernward Schmidt, Institut für Katholische Theologie, RWTH Aachen

In der renommierten Companion-Reihe von Brill liegen schon seit längerem ein Band zur Eucharistie im Mittelalter und zwei Bände zur anglikanischen Eucharistietheologie vor. Mit dem vorliegenden „Companion to the Eucharist in the Reformation“ erfährt vor allem ersterer eine sinnvolle Fortsetzung, die auch die deutschsprachige Literatur zum Thema ergänzt und bereichert. Schließlich handelt es sich bei der Eucharistie um ein Zentralthema für Theologie und kirchliche Praxis in allen Konfessionen – in der Reformationszeit und darüber hinaus. Das Buch beansprucht also Relevanz für das kulturhistorische Verständnis von Eucharistie und Abendmahl im 16. Jahrhundert ebenso wie für den Dialog der christlichen Konfessionen.

Das Buch gliedert sich in sechs Teile, von denen die ersten beiden, zu Theologie und liturgischen Praktiken, nicht nur die ausführlichsten, sondern auch weitgehend parallel angelegt sind. Man bekommt hier Überblicke zur altgläubigen Seite „vor Trient“, Luther bzw. Lutheranern, Reformierten, Anglikanern, Täufern und zum tridentinischen Katholizismus. Im theologischen Teil wird dieses Schema insofern durchbrochen, als das Spektrum neben Luther auch Zwingli und Bullinger (gemeinsam in einem Aufsatz) sowie Bucer und Calvin umfasst. Das ökumenische Anliegen, das der Herausgeber in seiner Einleitung formuliert, kommt hier besonders zum Tragen: die verurteilende Sprache der Frühen Neuzeit soll vermieden, stattdessen allen Theologen gleichermaßen mit Wertschätzung begegnet werden.

Die Beiträge in beiden Sektionen bieten, dem Titel des Bandes entsprechend, solides und übersichtlich aufbereitetes Handbuch-Wissen, die Qualität überzeugt (fast) durchweg. Auf unterschiedliche Weise enttäuschen freilich die Beiträge zum Katholizismus. So wird zwar Vieles zum spätmittelalterlichen Eucharistieverständnis und zur Praxis der Eucharistieverehrung geboten, doch nicht stringent weitergeführt: Ein Artikel zur Eucharistie in der altgläubigen Kontroverstheologie zwischen 1520 und 1550 etwa fehlt, obwohl das Thema eine kaum zu unterschätzende Rolle spielte; der Beitrag des Jesuiten Robert Daly zur Eucharistietheologie des Konzils von Trient scheint weniger an einer profunden theologiehistorischen Auseinandersetzung interessiert, als vielmehr an der späteren katholischen Rezeption des Tridentinums und seinen ökumenischen Implikationen. Im deutschen Sprachraum hat Josef Wohlmuth schon vor vielen Jahren gezeigt, dass das eine das andere nicht auszuschließen braucht. Und schließlich ist es zwar bereichernd, einen Artikel über die Versuche zu lesen, die Eucharistie in Lateinamerika „inkulturierend“ zu verankern, doch fehlt ausgerechnet ein Beitrag über die Praktiken der Eucharistieverehrung „nach Trient“. Das Thema wird verstreut über verschiedene andere Aufsätze aufgegriffen. Wo im Übrigen von Theologie die Rede ist, setzen die Autoren allesamt voraus, dass ihre Leser bereits Grundbegriffe von Eucharistietheologie haben – eine Einführung in für die Epoche grundlegende Gedanken wie die Transsubstantiation oder den Opfercharakter der Messe gibt es nicht.

Die dritte Sektion des Bandes besteht aus einem einzelnen Aufsatz von Andrew Spicer, der schon wegen seines ganz Europa umfassenden und die Konfessionen vergleichenden Blicks hervorgehoben werden muss. Spicer ist ausgewiesener Experte für die Gestaltung frühneuzeitlicher Kirchenräume, der in seinen Analysen Innenarchitektur und Theologie ins Gespräch zu bringen vermag, und gibt in seinem Beitrag einen exzellenten und konzisen Überblick über sein Forschungsfeld.

Die kunsthistorisch ausgerichtete vierte Sektion („The Art of the Liturgy“) bietet sodann drei Beiträge. Wiederum wird dabei die altgläubig-katholische Seite auf einen – an sich durchaus interessanten – Beitrag zur spätmittelalterlichen Kunst mit eucharistischen Themen reduziert, der leider den Blick nicht über die deutschen Lande hinaus richtet. Immerhin wird hier ebenso wie im Aufsatz zur lutherischen „art of the liturgy“ auch Gebrauchskunst in den Blick genommen (Sakramentshäuser bzw. Altargerät). Freilich wird die Rolle des Mediums Bild eher im Sinne eines Propagandainstrumentes verstanden, was für den Kontext der Ausbreitung der lutherischen Reformation sicherlich zutreffender ist als für die niederländischen Kircheninterieurs des 17. Jahrhunderts. Letztere bilden in einem Band zur Eucharistie in der Reformation spürbar einen Fremdkörper.

Zweifellos hätte diese unbestritten wichtige kunsthistorische Sektion gewonnen, wenn man Bilder nicht nur als Transporteure theologischer Aussagen, sondern als Diskursmedium, vielleicht gar als „Aktanten“ im Sinne Bruno Latours wahrgenommen und eine umfassendere kulturhistorische Perspektive eingenommen hätte. Gleiches gilt für die ebenfalls nur mit einem Aufsatz bestückte musikhistorische Sektion, die zwar mit einer Fülle interessanter und wichtiger Beobachtungen aufwartet, den Leser aber mit der Einordnung weitgehend allein lässt. Denn den meisten Lesern wird es beispielsweise wenig helfen zu wissen, dass im posttridentinischen Rom Vertonungen von O salutaris hostia als Teil eines größeren eucharistischen Hymnus des Thomas von Aquin erklangen, wenn sie den Text nicht kennen und so nicht einmal zu fundamentalen Reflexionen über die in Rom betriebene liturgisch-musikalische Eucharistiedeutung angeregt werden.

Einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt auch die abschließende sechste Sektion „Import of the Eucharist“, in der sich zwei Beiträge mit der Frage befassen, inwieweit Eucharistietheologie in der Literatur des 17. (John Milton) und 18. (Gotthold Ephraim Lessing) Jahrhunderts neue Wirksamkeit entfalten konnte. Dabei wäre zu fragen, ob ihr Sakramentenbegriff nicht zu säkular bestimmt ist und hinter das in der theologiehistorischen Sektion bereits erreichte Reflexionsniveau zurückfällt.

Um bei all der so geäußerten Kritik nicht missverstanden zu werden: Jeder einzelne Beitrag zeichnet sich durch teils hohe wissenschaftliche Qualität und interessante Zugänge aus. Mit Blick auf das Thema des Bandes, die Eucharistie in der Reformation, müssen allerdings auch die teilweise mangelnde Kohärenz und die nicht durchweg überzeugende Behandlung der katholischen Theologie und Praxis bemängelt werden. Die Ausblicke auf das 17. und 18. Jahrhundert lassen befürchten, dass eine Fortsetzung der beiden nun vorliegenden Companions zur Eucharistie im Mittelalter und in der Reformation nicht geplant ist – eine lohnende Aufgabe dürfte es trotzdem sein.

Nichtsdestotrotz ist der gesamte Band eine anregende Lektüre, die Zusammenschau der Eucharistiedeutungen in Theologie, liturgischer und außerliturgischer Praxis, Kunst und Musik verdienstvoll. Dass inhaltlich in vielerlei Hinsicht das in Lehr- und Handbüchern der Kirchen- und Theologiegeschichte Gebotene überschritten wird, dürfte allen willkommen sein, die sich intensiver und umfassender mit der Reformationsgeschichte auseinandersetzen wollen. Dass Fragen und Kritik an den Band und an einzelne Beiträge formulierbar sind, mag im besten Fall weitere Forschungen anregen. Den Anspruch auf Unverzichtbarkeit für eine ernsthafte Beschäftigung mit der Theologie der Reformationszeit und ihren gesellschaftlichen Folgen sowie auf Nützlichkeit im ökumenischen Dialog darf das Buch ohne weiteres erheben.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension