Cover
Titel
Carnuntum. Wiedergeborene Stadt der Kaiser


Herausgeber
Humer, Franz
Erschienen
Anzahl Seiten
168 S.
Preis
€ 29,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Theresia Pantzer, Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde, Papyrologie und Epigraphik, Universität Wien

Wenn man die heute noch aus dem Boden ragenden Reste von Carnuntum betrachtet, fällt es mitunter schwer, sich bewusst zu werden, dass dieser 40 Kilometer von Wien entfernte Ort in römischer Zeit eine bedeutende Metropole gewesen ist, die das damalige Vindobona, das sich zur heutigen Hauptstadt Österreichs entwickelt hat, bei weitem überragt hat. In Carnuntum, immerhin Verwaltungssitz der römischen Provinz Pannonia superior, wurde Septimius Severus von den Donaulegionen zum Kaiser des Römischen Reiches ausgerufen, hier fand im Jahr 308 eine Kaiserkonferenz statt. Dieses Bewusstsein für den hohen historischen Stellenwert auch – bzw. vor allem – in der breiten Öffentlichkeit zu schaffen sowie eine Vorstellung von der flächenmäßigen Ausdehnung zu geben, hat sich Franz Humer mit diesen Sammelband zum Ziel gesetzt. Und es lässt sich jetzt schon vorwegnehmen, dass ihm dies auch eindrucksvoll gelingt.

Spektakuläre archäologische Funde einerseits sowie andererseits eine rasante Entwicklung des Archäologischen Parks, der sich gezielt auf die Bedürfnisse der Besucher von heute einstellt, tun ihr übriges. Der Band spannt dabei einen weiten Bogen von den geologisch-topographischen Voraussetzungen über die historische Entwicklung von Carnuntum, zu mehreren Aspekten römischen Lebens am pannonischen Limes und versäumt außerdem nicht, auch Einblick in die Aufgaben der Konservierung und Kulturvermittlung zu geben. Wie vom Zabern-Verlag gewohnt, ist auch dieser Band reich bebildert. Exemplarisch sollen hier nur einige Beiträge herausgegriffen werden.

Während Christian Gugl den archäologischen Befund des Legionslagers von Carnuntum vorstellt (S. 64–67), und in einem weiteren Beitrag gemeinsam mit Michael und Nives Doneus auch den Befund der Lagervorstadt (S. 67–72), konzentrieren sich Franz Humer und Andreas Koneczny auf die Zivilstadt, circa 2,2 Kilometer westlich des Lagers, und zeichnen anhand der archäologischen Befunde ihre Entwicklung nach (S. 78–87). Dabei präsentieren sie auch den Fund einer Gladiatorenschule, welche in ihrer Vollständigkeit international einzigartig und mit ihrer Größe von 2.800 Quadratmetern nur mit dem ludus magnus in Rom vergleichbar ist (S. 83–84). Durch die archäologischen Prospektionen ließen sich in diesem Komplex auch die Fundamente einer beheizbaren Trainingshalle sowie einer Badeanlage ausmachen. Sie gehen in ihrem Beitrag außerdem auf das Konzept des Archäologischen Parks ein, „Römisches Leben“ spürbar zu machen, indem Gebäude auf Grundlage der archäologischen Befunde und mit Techniken der Antike rekonstruiert werden (S. 86–87). So wurde im Jahr 2011 die Rekonstruktion einer Therme fertig gestellt, die in Bauweise und Material nach antiker Tradition errichtet worden ist. Sie verfügt über funktionstüchtige Hypokaustenheizungen, und auch die Bemalung der Wände ließ sich durch die Reste der ursprünglichen Wandmalereien rekonstruieren. Die antiken Techniken und den durch ihre Anwendung erzielten Gewinn für die archäologische Forschung führt Franz Humer in einem weiteren Beitrag näher aus (S. 102–107). Für die Rekonstruktion des Hauses des Lucius beispielsweise wurde 2004 erstmals eine funktionierende Fußbodenheizung rekonstruiert. Eine Herausforderung war dabei die Herstellung der Suspensurplatten, die auf den kleinen Ziegelstützen und direkt unter dem Fußbodenestrich liegen. Der Brand dieser Platten, die nicht nur massiv sein und möglichst viel Hitze aushalten, sondern auch das Gewicht des Estrichs halten müssen, ist selbst in modernen Öfen ein Problem. In einem an Ort und Stelle rekonstruierten Ziegelbrennofen jedoch konnten die Platten authentisch hergestellt werden. Bei dem Befeuern der Fußbodenheizung konnte außerdem festgestellt werden, dass Reisigbündel sich als wesentlich geeigneter erwiesen als das Verbrennen von Harthölzern wie Buche, da sie bei hoher Temperatur schnell niederbrennen und für einen besseren Zug der Anlage sorgen. Die Ziegelplatten im Boden speichern die Wärme schließlich bis zu 36 Stunden.

Der reichen inschriftlichen Hinterlassenschaft widmet sich der Beitrag von Franziska Beutler und Ingrid Weber–Hiden (S. 114–120). Für einen militärischen Standort nicht überraschend entfallen zwei Drittel der über 600 gefundenen Grabinschriften auf Militärpersonen. Dabei lässt sich beobachten, dass jede in Carnuntum stationierte Legion ihre eigenen Steinmetze und Handwerker mitbrachte, weil sich von Legion zu Legion der Grabstelentypus veränderte. Zu den Soldaten, die in Italien, Gallien, Pannonien, Noricum, aber auch in Spanien, England und im Osten rekrutiert worden waren, treten auch zahlreiche Händler, die im Umfeld der wachsenden Stadt an der alten Handelsroute der Bernsteinstraße ihr Geschäft machen konnten, so etwa C. Domitius Zmaragdus aus Antiochia, der als Gemeinderat von Carnuntum auf seine Kosten ein Amphitheater errichten ließ. Und erst vor wenigen Jahren sind bei Vorarbeiten zum Bau des Besucherparkplatzes Inschriften zu Tage gekommen, unter denen sich auch der Grabstein eines M. Mulvius aus Iudaea befand, der sich ebenfalls als Händler ein stattliches Vermögen erwirtschaftet hatte.1

Die Kultlandschaft dieser bunt gemischten Bevölkerung nimmt Gabrielle Kremer in den Blick (S. 108–113). In Carnuntum überwiegen zwar die Zeugnisse für die oberste römische Gottheit Iuppiter, der hier als Iuppiter Heliopolitanus und Iuppiter Dolichenus zwei Heiligtümer von überregionaler Bedeutung besaß. Aber die zahlreichen Epiklesen, die Iuppiter in den Einzeldenkmälern führt, reflektieren wiederum die multikulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung und bezeugen die „integrierende Funktion des obersten römischen Reichsgottes in Carnuntum“ (S. 111). Während vor allem Militärpersonen ihre Weihungen an Iuppiter richten, ist in zivilen Kontexten vor allem der Silvanuskult weit verbreitet. Eine einheimische Gottheit ist nur in der Göttin Magula fassbar, die viermal dem Silvanus zur Seite gestellt ist. Dies mag, der Autorin zufolge, daran liegen, dass die peregrine Bevölkerungsschicht der Stadt epigraphisch kaum zu fassen ist.

Insgesamt bietet dieser Band, dessen Beiträge allesamt von bereits langjährig in Carnuntum tätigen Forschern stammen, einen umfassenden Überblick über Carnuntum, vermittelt dabei den aktuellen Kenntnisstand und erlaubt Einblicke nicht nur in das römische Leben, sondern auch hinter die Kulissen des Archäologischen Parks und ist daher nicht nur für interessierte Laien ein Gewinn.

Anmerkung:
1 Siehe dazu Franziska Beutler / Gabrielle Kremer, Domo Iudaeus – Zwei neue Inschriften aus Carnuntum, in: Tyche 28 (2012), S. 5–20.

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