J. Wienand (Hrsg.): Contested Monarchy

Cover
Titel
Contested Monarchy. Integrating the Roman Empire in the Fourth Century AD


Herausgeber
Wienand, Johannes
Reihe
Oxford Studies In Late Antiquity
Erschienen
Anzahl Seiten
XIX, 530 S.
Preis
$ 99,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Der hier zu besprechende Sammelband, der in seinen Grundlagen auf eine Konferenz in Konstanz im Jahr 2009 zurückgeht, enthält mit der Einleitung und dem Schlussbeitrag des Herausgebers Johannes Wienand insgesamt zwanzig Aufsätze, die zum Ziel haben, die politischen, institutionellen und sozialen Wandlungen des 4. Jahrhunderts und den Umgang der Kaiser mit den daraus resultierenden Herausforderungen zu beleuchten.

Zu Beginn bietet Johannes Wienand (S. 3–14) eine Zusammenfassung der einzelnen Beiträge. John Weisweiler (S. 17–41) demonstriert die in den konstantinischen Maßnahmen, durch die der Rang nicht mehr von den bekleideten Ämtern, sondern der Nähe zum Kaiser abhing, bedingten Änderungen in der Selbstdarstellung des Senatorenstandes: Die Senatoren der Spätantike sahen sich nunmehr nicht als (stadt)römische republikanische Aristokratie, sondern als eine globale Klasse, bestehend aus den besten Männern der gesamten römischen Welt. John Noël Dillon (S. 42–66) setzt sich mit dem Problem der „inflation of rank“ auseinander. Er erweist die mit diesem Begriff einhergehenden Folgerungen eines zunehmenden Rangverfalls als nicht haltbar und zeigt, dass die Ziele der Politik Konstantins darin bestanden, die Senatoren zum Dienst in der Verwaltung zu ermutigen und den Status der Beamtenschaft zu erhöhen.

Sebastian Schmidt-Hofner (S. 67–99) bemüht sich um den Nachweis, dass die Vielzahl erhaltener Gesetze aus den Jahren 364 und 365 nicht auf einen Überlieferungszufall, sondern auf das Bestreben Valentinians I. zurückführen sei, Gesetze als Kommunikationsmedium zur Stabilisierung seiner Herrschaft zu nutzen. Dies wäre jedoch nur dann haltbar, wenn die Voraussetzung, die meisten Gesetze brächten keine Neuigkeiten und würden nur vorhandene Bestimmungen wiederholen (S. 79 u. 87), korrekt wäre. Wie jedoch Schmidt-Hofner selbst mehrmals feststellt (S. 73f., 76, 79f., 83 u. 87), wird in den Gesetzen nicht nur die Rechtslage wiederholt, sondern oft auch modifiziert. Für den Fall des cursus publicus (S. 82f.) kommt hinzu, dass es sich dabei um eines der am häufigsten behandelten Themen der spätantiken Gesetzgebung handelt; die Vielzahl der Bestimmungen Valentinians muss hier also nicht verwundern, auch Julian erließ zu diesem Thema fünf Gesetze in etwa elf Monaten. Ein Argument für einen Überlieferungszufall liefert der Hinweis, dass die Gesetzgebung des Valens fast vollständig verloren ist (S. 67). Spätantike Gesetze dienten somit in erster Linie der Rechtspflege; eine zusätzliche Funktion als Akt der Kommunikation wird dadurch keineswegs ausgeschlossen, ist aber im Normalfall nicht der primäre Zweck.

Der Aufsatz von Doug Lee über das Verhältnis von Kaiser und Generalität im 4. Jahrhundert (S. 100–118) informiert über die Entwicklung des Heermeisteramtes, die Einkünfte der Heermeister und deren Titulatur sowie über die kaiserlichen Strategien zum Erhalt der Loyalität und zur Vermeidung von zu starken Generälen. Joachim Szidat (S. 119–134) untersucht die Rolle Galliens im 4. Jahrhundert, wobei unter Rückgriff auf seine älteren Forschungen die Usurpationen eine wichtige Rolle einnehmen, deren Hintergründe in der häufigen Abwesenheit des Kaisers in Kombination mit den zahlreichen Barbarenangriffen zu sehen sind. Darüber hinaus werden verwaltungsgeschichtliche Aspekte wie die gallische Prätorianerpräfektur betrachtet.

Nur wenig ergiebig ist der Aufsatz von Michael Kulikowski über die lokalen Eliten (S. 135–148), da der Verfasser nach umfangreichen allgemeinen Ausführungen zur Vorgeschichte überhaupt auf den letzten drei Seiten erst in knappen Ausführungen zum eigentlichen Thema kommt. Kulikowski weist darauf hin, dass die Strukturen der Karrieren und Netzwerke lokaler Eliten von beiden Seiten des limes mit denen anderer Provinzen übereinstimmen; entscheidend für einen Aufstieg sei also nicht die Herkunftsregion, sondern die Tätigkeit am kaiserlichen Hof. Mark Humphries (S. 151–168) zeigt, wie Usurpationen das Verhältnis zwischen dem Kaiser und der Stadt Rom beeinflusst haben. Zentraler Aspekt sind hierbei die kaiserlichen Rombesuche, die als Folge des Aufstandspotentials der sich immer wieder an Usurpationen beteiligenden Senatoren anzusehen seien.

Johannes Wienand (S. 169–197) arbeitet die Entwicklung, dass ab Konstantin Triumphe fast nur noch als Folge innerer Konflikte gefeiert werden, für die Zeitspanne vom Triumph Konstantins über Maxentius bis zu dem des Honorius über Priscus Attalus heraus. Der Aufsatz von Hartmut Leppin (S. 198–214), der bereits in einer deutschsprachigen Fassung vorliegt1, stellt die Frage, wie nach der Niederschlagung einer Usurpation mit den Anhängern des besiegten Gegners umgegangen wurde. Auf Basis von drei Beispielen (Magnentius, Procopius, Magnus Maximus) kommt er zu dem Schluss, dass weitreichende Amnestien und die Bestrafung einzelner besonders gefährlicher Personen der Normalfall waren; abweichende Darstellungen etwa des Ammianus seien auf eine übertriebene Betonung des letztgenannten Aspektes zurückzuführen.

Christopher Kelly (S. 215–238) untersucht die Rede des Pacatus vor Theodosius I. und ihre Relation zum Panegyricus des Plinius. Er nimmt an, dass die Anordnung der Panegyrici latini (Plinius an erster und Pacatus an zweiter Stelle) den Leser zu einem Vergleich beider Reden führen soll, und arbeitet die Vorbildfunktion der Rede des Plinius heraus. Henning Börm (S. 239–264) fragt nach den Gründen und Konsequenzen der Tatsache, dass mit Ausnahme Jovians alle Kaiser des 4. Jahrhunderts ab Konstantin nur zwei Dynastien angehörten. Er führt dies auf die Betonung des dynastischen Systems unter Konstantin zurück und stellt fest, dass die daraus resultierende unvollständige Entwicklung zu einer Erbmonarchie insgesamt das Kaisertum mehr geschwächt als gestärkt habe.

Christian Reitzenstein-Ronning (S. 265–288) wendet sich gegen Annahmen, nach denen unter Konstantin eine drastische Brutalisierung des Rechts stattgefunden habe. Er wertet die schweren Strafen konstantinischer Gesetze als hochsymbolischen Code zur Kommunikation mit den Untertanen und als eine Steigerung der Gewalt nur auf der Diskursebene. Harold Drake (S. 291–308) arbeitet die Bedeutung des Eusebios für die Neudefinition der Rolle des Herrschers aus christlicher Sicht heraus und legt dar, dass der Konflikt zwischen Kaiser und Klerus nicht über die Sakralrechte des Kaisers oder über die Trennung von Staat und Kirche, sondern über den Zugang zum Göttlichen handelte. Bruno Bleckmann (S. 309–329) untersucht die Verbindung zwischen Konstantins Rompolitik und seiner Religion. Er zeigt, dass die Bekehrung Konstantins nicht den zentralen Faktor für seine Rompolitik bildete, sondern diese etwa auch auf tetrarchische Traditionen zurückgeht.

Noel Lenski (S. 330–352) setzt sich mit der Gründung Konstantinopels auseinander und demonstriert, dass es sich dabei nicht um eine rein christliche Gründung ohne jegliche heidnische Elemente handelte. Steffen Diefenbach (S. 353–378), dessen Aufsatz eine Kurzfassung eines umfangreicheren Beitrages in deutscher Sprache bildet2, untersucht die Religionspolitik Constantius’ II. und kommt zu dem Schluss, dass ein Streben nach einem einheitlichen Glaubensbekenntnis nicht vor 359 nachweisbar und das Interesse des Kaisers an dieser Frage von den Bischöfen geweckt worden sei. Weiterhin bestehe die Politik des Constantius in der Isolation einzelner Abweichler zum Erhalt der Einheit. Johannes Hahn (S. 379–404) bietet einen Überblick zu verschiedenen Formen religiöser Konflikte in der Spätantike, der ihn zu dem Ergebnis führt, dass die postulierten religiösen Motive oft vorgeschoben seien, tatsächlich aber persönliche, wirtschaftliche und soziale Interessen die entscheidende Motivation bildeten.

Rita Lizzi Testa (S. 405–419) widmet sich dem bekannten Streit um den Victoriaaltar und hebt die Bedeutung der politischen Aspekte innerhalb des Senats in Form von Konflikten (zumal von Senatoren unterschiedlicher Religion) hervor. Bei dem Schlussbeitrag von Johannes Wienand mit dem Titel „The empire’s golden shade. Icons of sovereignty in an age of transition“ (S. 423–451) handelt es sich um eine detaillierte Studie zur Darstellung des Constantius II. in der Münzprägung, deren Wert vor allem darin besteht, dass sie auch wenig bekanntes numismatisches Material ermittelt und ausgiebig berücksichtigt.

Dieser Band enthält eine Vielzahl an Beiträgen von hoher Qualität und mit für gewöhnlich überzeugenden Thesen, die dazu beitragen, das Kaisertum der Spätantike und die Transformationen in Staat und Gesellschaft im 4. Jahrhundert besser zu verstehen. Auch im Detail ist der Band fachlich wie formell gelungen3; kleinere Einwände können diesen Eindruck nicht ändern.4 Ob man die Abfassung sämtlicher Beiträge in englischer Sprache als nachahmenswert bezeichnen kann, sei aber dahingestellt; ein gewiss nicht optimaler Nebeneffekt dieser Sprachform ist die Verwendung von veralteten englischen Quellenübersetzungen (etwa S. 202, Anm. 15, 205, Anm. 21f. u. 451, Anm. 88). Insgesamt aber handelt es sich um eine wichtige Ergänzung der Forschungen zum 4. Jahrhundert.

Anmerkungen:
1 Hartmut Leppin, Überlegungen zum Umgang mit Anhängern von Bürgerkriegsgegnern in der Spätantike, in: Kaja Harter-Uibopuu / Fritz Mitthof (Hrsg.), Vergeben und Vergessen? Amnestie in der Antike, Wien 2013, S. 337–357.
2 Steffen Diefenbach, Constantius II. und die „Reichskirche“, in: Millennium 9 (2012), S. 59–121.
3 An kleineren Versehen ist zu notieren: S. 201 wird Constantius II. als Onkel Julians bezeichnet, tatsächlich war er sein Cousin. Die S. 33, Anm. 47 zitierte Angabe des Ausonius ist in allen einschlägigen Editionen 3,15, nicht 10,4. Der S. 349, Anm. 62 zitierte Beleg Mamertinus 27,2 trägt (im Gegensatz zur anderen genannten Stelle) nichts zur diskutierten Frage bei. Die Abkürzung „De mach. bell.“ (S. 45, Anm. 8) für De rebus bellicis ist eher ungünstig. Im Register (S. 504) wird übergangen, dass Codex Theodosianus 7,7,2 noch S. 69, Anm. 7 zitiert wird. S. 128, Anm. 69 „Diesner“ (richtig „Desnier“); S. 163 „Magentius“ (richtig „Magnentius“); S. 167, Anm. 74 „Lenksi“ (richtig „Lenski“); S. 171 „Aurelius“ (richtig „Aurelian“).
4 Von den S. 96, Anm. 104 als Zeugnisse für die Rücknahme christenfeindlicher Maßnahmen Julians angeführten Gesetzen lässt keines diese Deutung zu; die Argumentation dafür, dass Konstantin kein Usurpator war (S. 143, Anm. 30), übergeht seine eigenmächtige Annahme des Kaisertitels; als Beispiel für einen Kaisersohn, der ohne Gewalt nach dem Tod seines Vaters nicht für die Nachfolge berücksichtigt wird (S. 242, Anm. 8), wäre Varronianus, der Sohn Jovians, zu nennen; als Zeugnis für Konstantins frühe Titulatur gewichtiger als Laktanz (S. 246f., Anm. 39) ist die Münzprägung; die Annahme einer konstantinischen Nachfolgeregelung mit zwei Augusti und zwei Caesares (S. 252) erzeugt mehr Probleme als Lösungen. Ein wenig verwundert es, dass in dem gesamten Band die älteren, aber noch immer lesenswerten Dissertationen von Johannes Straub (Vom Herrscherideal in der Spätantike, Stuttgart 1939) und Otto Treitinger (Die oströmische Kaiser- und Reichsidee nach ihrer Gestaltung im höfischen Zeremoniell, Jena 1938) nicht genannt werden.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension