F. Edelmayer u.a. (Hgg.): Globalgeschichte 1450-1620

Titel
Die neue Welt (Bd. 3); Globalgeschichte 1450 - 1620 (Bd. 4). Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche )Bd. 3); Anfänge und Perspektiven (Bd. 4)


Herausgeber
Edelmayer, Friedrich; Feldbauer, Peter; Wakounig, Marija
Reihe
Edition Weltregionen Bd. 3;4
Erschienen
Anzahl Seiten
230 S., 3 Karten; 278 S.
Preis
€ 19,90; € 24,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Mario Koch, Düsseldorfer Institut für amerikanische Völkerkunde

Ein breiter Kreis von österreichischen und deutschen Historikerinnen und Historikern trägt die seit 1999 hervorgetretene Reihe „Edition Weltregionen“. Alle vier bisher erschienenen Bände sind aus Wiener Ringvorlesungen hervorgegangen (1. Ostasien; 2. Afrika; 3. Die „Neue Welt“; 4. Globalgeschichte 1450-1620). Weitere fünf befinden sich bereits in der Planung. In dem von HSOZUKULT üblicherweise abgedeckten Rezensionszeitraum des laufenden und des vergangenen Jahres sind aus dieser Reihe vor allem der dritte und der vierte Band von besonderem Interesse. In ihrer Selbstdarstellung heben die HerausgerInnen der Reihe besonders hervor, dass es ihnen weniger um die Ereignisgeschichte von außereuropäischen Großräumen zu tun sei, als vielmehr um die Darlegung von „größeren sozialen wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungszusammenhängen.“ Angelehnt an die sogenannten „Area Studies“, die vor allem im englischsprachigen und nicht-europäischen Ausland betrieben würden, soll dem „im deutschsprachigen Raum nicht zu leugnenden Eurozentrismus“ entgegen getreten werden.
Paradoxerweise entspricht es nun aber eher einer europäisch-frühneuzeitlichen Perspektive wenn, wie im dritten Band, die „Neue Welt“ zu einer Einheit zusammen gefasst wird. Angesichts der internationalen Spezialisierungstendenzen kann diese Entscheidung, den gesamten Doppelkontinent in einem Band abzuhandeln, nur als mutig bezeichnet werden, denn schon als die Europäer mit der Kolonisierung der riesigen Landmasse begannen, war diese durch eine große politische und ethnische Vielfalt gekennzeichnet.

Der Band umfasst insgesamt elf Aufsätze. Johannes Dörflinger eröffnet mit einer Übersicht über „Die kartographische Darstellung Amerikas im 16. Jahrhundert“. Der Karte von Giovanni Battista Mazza, die wohl um 1590 erschienen sein dürfte und nur in wenigen Exemplaren erhalten ist, gilt dabei sein besonderes Augenmerk. Christian F. Feest versucht sich an der – nach eigenen Worten – kaum lösbaren Aufgabe, die Situation der indigenen Völker Nordamerikas um 1500 im Überblick zu behandeln. Viele Ethnien seien im Laufe der Jahrhunderte ausgelöscht worden, lange bevor ihre Geschichte auch nur annähernd hätte erforscht werden können. Feest betont, wie schwer und in manchen Hinsichten fragwürdig es sei, auf dieser, zum Teil sehr lückenhaften Quellengrundlage deutliche Grenzen zwischen nordamerikanischen Kulturarealen für diesen Zeitraum zu ziehen, schreckt aber dann doch vor einem Entwurf nicht zurück.

Jürgen Golte stellt sich derselben Aufgabe für die indigene Bevölkerung Lateinamerikas um 1500. Anders als Feest geht Golte dabei aber nicht auf die Frage der Bevölkerungsentwicklung ein, sondern stellt die Reproduktionsverhältnisse in den Vordergrund. Nach Golte lassen sich zwei Arten von Gesellschaften unterscheiden. Während die eine auf einer „geschlechtlichen Arbeitsteilung“ beruhe, gründe sich die andere auf eine „fortgeschrittene Arbeitsteilung“. Während beim ersten Gesellschaftstyp die Verdrängung oder Eliminierung der einheimischen Bevölkerung als der vorrangige Weg zur Kolonisierung zu beobachten sei, sei bei dem anderen die soziale Organisation und Verwaltung so weit fortgeschritten, dass es den Europäern gelang, sich diese Systeme für den Aufbau ihrer eigenen Herrschaft zu Nutze zu machen. Diesen Ansatz vertieft Golte dann anhand von einigen regionalen Fallbeispielen.

Schon diese beiden Aufsätze, die völlig unterschiedlichen Ansätzen folgen, verdeutlichen, dass der Anspruch auf eine integrierte Betrachtung des Doppelkontinentes nur begrenzt eingelöst wird. Das gilt auch für die folgenden Beiträge, von denen drei Hispano-Amerika, zwei dem restlichen Nordamerika, einer Portugiesisch-Amerika und einer der Karibik gewidmet sind.

Die hispano-amerikanische Geschichte wird chronologisch in drei Jahrhunderte aufgeteilt, wobei Friedrich Edelmayer das 16., Bernd Hausberger das 17. und Peer Schmidt das 18. Jh. vorstellen. Den Autoren gelingt es, auf wenigen Seiten einen zwar knappen aber doch ausgewogenen Überblick zu geben. Sie zeigen Änderungen in der Bevölkerungsstruktur Amerikas ebenso wie ökonomische und politische Umgestaltungen. Sie behandeln Hispano-Amerika dabei insbesondere in seinen europäischen Bezügen und vor dem Hintergrund der spanischen Großmachtpolitik. Schmidt hebt besonders hervor, dass die spanischen Kolonien erst seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts tatsächlich als solche bezeichnet wurden, während sie bis dahin noch als „reinos“, also als eigenständige Reiche der spanischen Krone gegolten hatten.

Der „Sonderfall“ Brasilien ist das Thema von Gerhard Pfeisingers Beitrag. Auch hier wird die Rolle Portugals im Konzert der europäischen Kolonialmächte besonders betont. Nikolaus Böttcher skizziert die „Kolonialsysteme in der Karibik“ dagegen stärker aus ihrer inneren Dynamik: Anhand zweier Fallbeispiele (Trinidad und Kuba) zeigt er, wie sich die Aufteilung der Gebiete vollzog. Auch er stellt die englisch-spanischen Konflikte dabei aber stark in den Vordergrund.

Im Nordamerikateil betrachtet zunächst Mark Häberlein die englischen und französischen Kolonialbestrebungen in Nordamerika im 17. Jahrhundert. Nach Häberlein war die Kolonisierung Nordamerikas wesentlich bedingt durch „...die Motive und Ziele der Koloniegründer und Kolonialpolitiker“ und „durch Umfang und Zusammensetzung der europäischen Einwanderung“ (S. 171), wobei die unterschiedlich agierenden Kolonialmächte Frankreich und England Nordamerika seine besondere Prägung gaben. Von Thomas Fröschl wird dann die weitere Entwicklung der europäischen Kolonialreiche in Nordamerika und die Entstehung der Vereinigten Staaten, 1713-1801“ beschrieben.

Renate Pieper beendet den Sammelband gewissermaßen mit einem Ausblick: „Der amerikanische Doppelkontinent und die Entstehung des Welthandels“. Ihr besonderes Interesse gilt dabei dem Kolonialhandel zwischen Spanien und der Neuen Welt und kommt zu dem Schluss, dass „die von der europäischen Wirtschaft ausgehenden Impulse für die koloniale Neue Welt ab dem 17. Jahrhundert in der Literatur häufig überschätzt“ worden seien (S. 228).

In wesentlichen Teilen spiegelt der Band die Ansätze einer jüngeren Generation von Europa- und Amerikahistorikerinnen wider, die entweder in den letzten Jahren frisch berufen wurden oder, wie zu hoffen ist, kurz vor einer solchen Berufung stehen. Im Gegensatz zur Programmatik der Reihe scheint die Herausforderung eines europazentrischen Weltbildes aber viel weniger das Anliegen dieser Gruppe zu sein, als die enge Verflechtung von amerikanischer und europäischer Geschichte zu betonen. Möglicherweise wären manche Beiträge daher viel besser in einer „atlantischen Geschichte“ aufgehoben als im Rahmen einer in vielen Hinsichten fragwürdigen und praktisch in den Beiträgen kaum eingelösten Geschichte des amerikanischen Doppelkontinentes.

Ein alternatives Ordnungsangebot macht nun der zweite hier zu besprechende Band der Reihe, der der Globalgeschichte zwischen 1450 und 1620 gewidmet ist. „Die zentrale Herausforderung hinter diesem Neubeginn“, so beschreiben die Herausgeber ihr Programm, „war wohl die Frage, wie sich in einer Zeit der weltumspannenden Kommunikation, kurzum, in einem Zeitalter beschleunigter Globalisierung, Geschichte analysieren lässt“ (S. 8). Wallerstein und Braudel hätten großen Anteil an einer solchen Neuorientierung der Geschichtswissenschaften gehabt. Während sich aber im angloamerikanischen Raum die „neue“ Geschichte schnell durchsetzt habe, täten sich Universitäten im deutschsprachigen Raum noch immer schwer damit. Noch schlimmer sähe es an den Schulen aus, die die neuen Herausforderungen bisher kaum in die Lehrpläne im Fach Geschichte integriert hätten.

Der Band vereint insgesamt vierzehn Aufsätze, die zwar jeweils spezifische Regionen behandeln, sich aber an einer neuen Globalgeschichte orientieren sollen. Der Untersuchungszeitraum wird dabei als Startphase des europäischen Weltsystems in den Blick genommen.

Wieder eröffnet Johannes Dörflinger mit einer Beschreibung des europäischen Weltbildes und der politischen Allegorie im ausgehenden 16. Jahrhundert, die anhand der >>Christian Knight<<-Karte von Jodocus Hondius erläutert werden sollen. Peter Feldbauer untersucht in seinem Aufsatz den Weg von der Expansions- zur Interaktionsgeschichte. Sein Aufsatz ist besonders richtungsweisend, denn er macht deutlich, &#8222;dass das Zusammenwachsen der Welt seit dem 15. Jahrhundert nicht bloß die Durchsetzung westlicher Errungenschaften war.&#8220; Europa war nicht durchweg dominierend, wie die Rolle der großen asiatischen Reiche zeige.

Während Friedrich Edelmayer die Entwicklung der Kolonialmacht Spanien in ihrem Kerngebiet untersucht, befasst sich Bernd Hausberger mit den spanischen Besitzungen in Amerika. Er hebt hervor, dass Amerika und seine indigene Bevölkerung nicht nur als Opfer der Kolonisation angesehen werden könnten. Durch die ungeheuren Migrationbewegungen sei Amerika tiefgreifend umgestaltet worden und hätte sich rasch in arme und reiche Gebiete ausdifferenziert.

Maria Auböck behandelt das Afrika südlich der Sahara und die methodischen Probleme, die sich bei der Betrachtung der Rolle dieser Region gerade für das &#8222;lange 16. Jahrhundert&#8220; stellten. Erich Landsteiner führt uns dagegen in seinem wirtschaftsgeschichtlichen Beitrag zurück nach Zentraleuropa. Er wendet sich gegen das vorherrschende Paradigma, dass die Entwicklung der Fugger gleichbedeutend mit der Entwicklung der oberdeutschen Wirtschaftszentren sei. Michael Limberger beschreibt den Wandel der Niederlande und Belgiens von einer Textilregion zum Warenhaus Europas und damit &#8222;zur Kernregion der Weltwirtschaft&#8220;. Käthe Uray-Köhalmi berichtet vom &#8222;Endspiel der großen Nomadenreiche&#8220; in Zentralasien und Andreas Kappeler über die Entwicklung Russlands vom Moskauer Fürstentum des 15. zum eurasischen Vielvölkerreich des 17. Jahrhunderts und fragt, ob es sich dabei eher um eine Spielart der europäischen Expansion oder eher um eine Orientalisierung Osteuropas gehandelt habe.

Angela Schottenhammer gibt einen kurzen historischen Überblick über die Entwicklung des Chinesischen Reiches und Ingrid Getreuer-Kargl beschreibt &#8222;Japan im Zeitalter der Kämpfenden Provinzen&#8220;. Sie entwickelt dabei die These, dass Japans Abschottung zwischen 1639 und 1854 nicht nur gegenüber Europa, sondern auch gegenüber Ostasien gewirkt habe, so dass die dann folgende Ausrichtung nach Europa und Amerika und nicht nach Asien möglicherweise gerade in dieser Abschließung eine wesentliche Ursache gehabt habe. Bernhard Dahm untersucht die Transformationen im vorkolonialen Südostasien. Deutlich wird die Rolle Portugals und Spaniens, später dann der anderen europäischen Mächte. Dietmar Rothermund behandelt das >>Schießpulverreich<< der Großmoguln (also Indien) und seine Beziehungen zu den europäischen Seemächten. Schließlich behandelt Reinhard Schulze die Frühe Neuzeit in der islamischen Welt. Jedes Kapitel wird von einem Literaturverzeichnis abgeschlossen.

Es ist bemerkenswert, dass der Band zur Globalgeschichte, den neuen Ansatz eher in einer regionalgeschichtlichen Exemplifizierung als durch theoretische und konzeptionelle Erörterungen darzustellen versucht. Vielleicht ermöglicht aber gerade eine solche Konkretisierung, dass der Band &#8211; wie eingangs als wesentliches Ziel beschrieben &#8211; wesentlich zu einer stärkeren Berücksichtigung postnationalgeschichtlicher Perspektiven im schulischen Geschichtsunterricht beiträgt.

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