Cover
Titel
Faschisten im KZ. Rumäniens Eiserne Garde und das Dritte Reich


Autor(en)
Köpernik, Gerhard
Reihe
Forum Rumänien 20
Erschienen
Berlin 2014: Frank & Timme
Anzahl Seiten
286 S.
Preis
€ 39,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Grzegorz Rossolinski-Liebe, Berlin

Bereits in den frühen 1920er-Jahren war der Faschismus ein komplexes und transnationales Phänomen, das infolge nationaler, regionaler und individueller Rezeptionen verschiedene Formen annahm und für Verwirrung sowohl unter seinen Gegnern als auch Verbreitern, Trägern und Befürwortern sorgte. Da faschistische Bewegungen und Regime extrem nationalistisch waren, die Gewalt verherrlichten und sich überschätzten, ist die Geschichte des transnationalen Faschismus sowohl von Kooperation als auch von Konflikten geprägt. In einer zum Nachdenken anregenden und gut belegten, obwohl nicht im klassisch geschichtswissenschaftlichen Ton geschriebenen Publikation, stellt Gerhard Köpernick einen dieser Konflikte dar. Er erklärt, wie die drittgrößte europäische faschistische Bewegung – die Eiserne Garde, zuerst als die Legion Erzengel Michal bekannt – nicht aus ideologischen, sondern pragmatischen und kriegsorientierten Gründen Rumänien verlassen musste und Asyl im nationalsozialistischen Deutschland suchte, wo sie Plätze in Lagern auch mit gleichgesinnten Sonder- oder Ehrenhäftlingen aus anderen Ländern teilte. Dabei greift der Autor einen Aspekt auf, der in früheren Publikationen über den europäischen Faschismus eine Nebenrolle spielte und beleuchtet ihn anhand einer breiten Basis von Dokumenten.

Köpernick beginnt die Geschichte des Konflikts mit dem charismatischen und antisemitischen Faschisten aus Iaşi, Corneliu Codreanu, der der Tradition seines Landes folgend sich in folkloristischer Bauernkleidung abbilden ließ und so gekleidet auch bei Aufmärschen auftrat. In den frühen 1920er-Jahren machte er sich als Student in Berlin und Jena mit Hitler und seiner Bewegung vertraut und verfolgte gleichzeitig die für ihn nicht weniger interessanten Ereignisse in Italien. Der Duce war für ihn „ein strahlender Stern, der uns mit froher Hoffnung erfüllte“. Die Tatsache, dass Mussolini seinen Hass nicht in erster Linie gegen die Juden richtete, musste Codreanu rationalisieren (S. 13f.); die Eiserne Garde bestand zum großen Teil aus antisemitischen und antikommunistischen Studenten und anderen Akademikern (S. 14f.).

Hinsichtlich einer angestrebten Machtübernahme und staatlich sanktionierten Gleichschaltung der Gesellschaft hatten es die rumänischen Faschisten, wie auch alle anderen mittelost- und südosteuropäischen Bewegungen mit Ausnahme der deutschen Nationalsozialisten, nicht leicht. Bis zum Zweiten Weltkrieg befand sich die Eisernen Garde meistens im Konflikt mit den gerade regierenden königlichen Diktatoren und ihren Regierungen, gegen die sie immer wieder gewaltsam vorging und weswegen ihre Mitglieder wiederholt verhaftet und teilweise auch exekutiert wurden. Dass es ihr im Dezember 1937 gelang, in den Parlamentswahlen mit 15,5 % die drittstärkste Partei zu werden, war eher untypisch für Bewegungen ähnlichen Typus in diesem Teil Europas (S. 16).

Deutschlands Einstellung gegenüber der politischen Lage in Rumänien war ambivalent. Obwohl Reinhard Heydrich, Joseph Goebbels und teilweise auch Adolf Hitler, mit der Eisernen Garde sympathisierten und sich ihr ideologisch verwandt fühlten, wollten sie sich in die politischen Konflikte in Rumänien nicht einmischen. Nach der Ermordung von Codreanu und 13 weiteren Legionären am 30. Dezember 1938, war Hitler zwar zutiefst empört und erlaubte der NS-Presse den rumänischen König Carol II. anzugreifen, aber er machte es unter anderem aus dem Grund, um den Vorwurf zu vermeiden, die Beseitigung wäre mit ihm vereinbart gewesen (S. 22f.). Nicht weniger empört war Goebbels, der in seinem Tagebuch Carol II. als ein „Dreckschwein“ bezeichnete, das „seiner späten Strafe nicht entgehen“ werde (S. 24). Bei diesen Auseinandersetzungen diente Deutschland den Legionären als ein Rückzugsland, in das Condreanus Nachfolger Horia Sima und seine Kampfgenossen immer wieder fliehen konnten (S. 27–30). Die ohnehin turbulente und konfliktgeladene Situation in Rumänien wurde Ende August 1940 noch durch die von Hitler und Mussolini sanktionierte Zuteilung umstrittener Gebiete in Siebenbürgen an Ungarn weiter verschärft (S. 36–43).

Der „national-revolutionäre Staat“, der sich nach Carols II. Abdankung am 6. September 1940 bildete, mag zwar nach außen hin nationale Kohärenz und faschistische Entschiedenheit ausgestrahlt haben, aber er war ein provisorisches Gebilde, das national-konservativen Militarismus (General Ion Antonescu) mit revolutionär-kämpferischem Faschismus (Horia Sima) zu vereinen versuchte und durch innere Konflikte zum Scheitern verurteilt war (S. 51). Bei der Wahl zwischen Antonescu und Sima entschied sich der Führer für den General, der nach Goebbels – im Gegensatz zu den „etwas unausgegorenen“ Legionären – „einen sehr guten männlichen Eindruck“ machte (S. 63). Nicht weniger entscheidend war jedoch, dass der General Rumänien stabilisieren konnte und Sima nicht in der Lage war, die radikalen Fraktionen seiner Bewegung zu kontrollieren, wodurch die Lage hinter der Front destabilisiert zu werden drohte. So entschied sich der Führer, dem die Legion auch zu „mystisch“ und im Gegensatz zu Antonescu „zu wenig realistisch“ (S. 102) erschien, für den General.

Nachdem Antonescu aus der Auseinandersetzung mit den faschistischen „Idealisten“ als Sieger hervorgegangen war und Hitlers Vertrauen genoss, machte er mit seinen faschistisch-revolutionären Kontrahenten kurzen Prozess. Eine kleine, etwa 250 Personen starke Gruppe, die sich vor der Verhaftungswelle retten konnte, floh nach Deutschland, wo sie aufgeteilt und in Fabriken (Rostock) sowie SS-Erholungslagern und Villen (Berkenbrück bei Berlin) untergebracht wurde (S. 120). Als politische Sonderhäftlinge des Reichssicherheitshauptamtes lebten sie unter guten Bedingungen, durften sich aber offiziell nicht in die rumänische oder internationale Politik einmischen und ihre Internierungsorte nicht ohne Erlaubnis verlassen. Antonescus Bemühungen um eine Auslieferung Simas wurden von Berlin abgewiesen, um die Beziehungen mit Rumänien nicht zu verkomplizieren. Zu einer Komplikation kam es jedoch als der Căpitanul der Eisernen Garde während der Schlacht um Stalingrad aus Berlin floh und Mussolini in Rom aufsuchen wollte. Bevor er zum Duce vordringen konnte, wurde er auf Hitlers Anweisung in Italien verhaftet und in das Deutsche Reich zurückgeflogen, wo der Führer, laut Goebbels, so wütend auf ihn war, dass er ihn „zum Tode verurteilen“ wollte (S. 184, 191–193).

Simas Flucht hat das „zwischenfaschistische“ Vertrauen erschüttert und wirkte sich auf die Lage der Legionäre in Deutschland entsprechend aus. Von nun an wurden sie in Konzentrationslagern, teilweise in von ihnen selbst erbauten Baracken, untergebracht (S. 201). Sima wurde im Zellenbau untergebracht, ein Gebäude für Ehren- und Sonderhäftlinge im Konzentrationslager Sachenhausen, wo für ihn und seinen Adjutanten Traian Borubaru einige Zellen verbunden wurden, so dass er über getrennten Schlaf-, Erholungs-, Dusch- und Toilettenräume verfügte. Da in demselben Gebäude Stepan Bandera, Yaroslav Stets’ko und einige weitere ukrainische Gleichgesinnte saßen, konnte er auch nicht über Mangel an passender Gesellschaft klagen (S. 205).

Simas letzter Einsatz war skurril aber fast typisch für die Geschichte des transnationalen Faschismus östlich und südöstlich der Spree. Nachdem Antonescu den Endsieg des rassistischen Imperiums immer öfter in Frage stellte und schließlich die Macht in Rumänien verlor, wurde Sima zu Hitler bestellt, um die Rettung der Lage in Rumänien zu besprechen. Bei seinem ersten Gespräch mit dem Führer versicherte ihn der gerade entlassene rumänische Faschist, dass er der Sache immer noch treu sei und eine neue Regierung aufstellen werde, um die Bevölkerung in Rumänien auf seine Seite zu ziehen und dem Kommunismus Widerstand zu leisten. Trotz propagandistischer Anstrengungen, die von einem Wiener Radiosender nach Rumänien ausgestrahlt wurden, musste dieser Plan scheitern (S. 222). Mit Hilfe der durch den transnationalen Faschismus verfestigten Netzwerke musste Sima jedoch nach Ende des Krieges nicht Antonescus Schicksal teilen, sondern konnte sich – wie durchaus viele Veteranen gleichgesinnter Bewegungen – politisch und kulturell sowohl in Europa als auch auf anderen Kontinenten weiter betätigen. In Rumänien in Abwesenheit zum Tod verurteilt, fand er in Francos Spanien Unterschlupf. Er starb 1993 in Madrid.

Köpernicks Publikation bringt einen zentralen Aspekt der europäischen Geschichte ans Licht, ohne in die Einseitigkeit eines nationalen Narrativs zu verfallen. Der Autor macht deutlich, dass die inter- und innerfaschistischen Konflikte für den transnationalen Faschismus nicht weniger bedeutend waren, als die immer wieder und fast zwanghaft hervorgehobenen Kooperationen. Selbst wenn die Publikation einige Simplifikationen vornimmt und die Leser zum Beispiel nicht darüber informiert, wie sich Carol II. in den späten 1930er-Jahren bemühte, sich dem Zeitgeist anzupassen und seine autoritäre Monarchie zu „faschisieren“, ist sie ein wichtiger Beitrag zu der wachsenden Literatur über den transnationalen Faschismus und ein schätzenswerter Denkanstoß.

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