K. Feuerstein-Prasser: Die preussischen Koeniginnen

Titel
Die preußischen Königinnen.


Autor(en)
Feuerstein-Praßer, Karin
Erschienen
Regensburg 2000: Pustet
Anzahl Seiten
324 S.
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Brigitte Meier, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)

Das zunehmende Interesse an der deutschen Adelsgeschichte manifestiert sich in dem letzten Jahrzehnt in zahlreichen Publikationen.1 Nach der großen Welle der Bürgertums- und Arbeiterforschung entdeckte auch die Sozial- und Kulturgeschichte die Lebenswelt des Adels. Erkenntnisse dieser Forschungen bereicherten wiederum die historische Biographieforschung. Eine Vielzahl bemerkenswerter Arbeiten über einzelne Herrscherpersönlichkeiten erschien in den letzten Jahren.2 Während das große Interesse an den Königen hier nicht zu übersehen ist, wurde den Gemahlinnen nur vereinzelt Beachtung geschenkt. Insbesondere die Ehefrauen der preußischen Könige, sieht man von wenigen Ausnahmen ab, wurden bislang in der zeitgemäßen biographischen Forschung sträflich vernachlässigt. Wer sich informieren wollte, war auf die Borussische Geschichtsschreibung mit ihrem apologetischen Pathos angewiesen.

Karin Feuerstein-Praßer widmete sich nun dem Leben der sieben Gemahlinnen der preußischen Könige.3 In unterhaltsamer Weise versteht es die Autorin, uns interessante Einblicke in durchaus nicht beneidenswerte adlige Frauenschicksale des langen 18. Jahrhunderts zu vermitteln. So unterschiedlich die adligen Damen von ihrer Erziehung, Bildung, ihren Charakteren und Ambitionen auch waren, in ihren beschränkten Wirkungsmöglichkeiten innerhalb dieser patriarchalischen preußischen Adelsgesellschaft ähnelten sich ihre Lebenswege. Sie wurden verheiratet und sie hatten sich mit den Ehemännern zu arrangieren. Natürlich mussten sie ihre Pflichten als Ehefrauen erfüllen und für den männlichen Thronfolger sorgen. Daneben galt es zu repräsentieren und den Gatten bei Laune zu halten, denn von der Gunst des Herren hing letztendlich ihre Lebensqualität ab.

Die erste preußische Königin, Sophie Charlotte von Hannover [1668-1705] wurde als 16 jähriges Mädchen aus machtpolitischem Kalkül mit dem gerade erst verwitweten Kurprinzen Friedrich verheiratet. Das "Beylager" fand am 8. Oktober 1684 im Lustschloss Herrenhausen statt und wurde tagelang zünftig gefeiert. (S. 45) Als die wohlerzogene und durchaus gebildete Sophie Charlotte dann nach Berlin kam, wurde sie nicht nur mit der "vergifteten Atmosphäre" am Berliner Hof, mit seinen Intrigen, seiner Missgunst, seinem Klatsch konfrontiert sondern auch mit einem äußerst steifen Zeremonielle. Sie fügte sich mit diplomatischem Geschick in ihr Schicksal.

Von ihren beiden Söhne überlebte nur Friedrich Wilhelm, der spätere Soldatenkönig, um dessen musische und wissenschaftliche Bildung sie sich immer wieder vergeblich bemühte. Ein Lichtblick in ihrem Leben wurde Lützenburg, das der Gemahl ihr 1695 schenkte und zu einem ansprechenden Lustschloss ausbauen ließ. Nach ihrem Tod wurde es Charlottenburg genannt. 1699 fand die feierliche Einweihung statt. Hier empfing sie zum Beispiel den Universalgelehrten Leibnitz, den sie seit ihren Kindertagen kannte, und Pierre Bayle, den streitbarsten Religionskritiker seiner Zeit. An diesem Ort konnte Charlotte, die ihrem Mann geistig weit überlegen war, ihren wissenschaftlichen und musischen Interessen und Neigungen fast ungestört nachgehen. Charlotte unterstützte die Pläne zur Gründung einer Akademie der Wissenschaften, die dann 1700 in die Tat umgesetzt wurden. Doch nicht alle ihre Vorhaben waren von Erfolg gekrönt. Beispielsweise gelang es ihr nicht, ein ständiges Opernhaus in Berlin zu etablieren. Dennoch zog sie berühmte Musiker in die Stadt. Als Sophie Charlotte mit 36 Jahren verstarb, hatte sie für Berliner Verhältnisse einiges bewegt. Diese erst 1701 gekrönte preußische Königin wusste sich der Intrigen am Hof zu erwehren und ihrem Hof ein eigenes, dem Zeitgeist der Wissenschaften und Künste entsprechendes Profil zu geben. Auf Grund ihrer umfassenden Bildung und ihres künstlerischen Engagements nimmt sie im Reigen der preußischen Königinnen wohl berechtigt eine Sonderstellung ein. Die ihr folgenden Königinnen hatten längst nicht diese geistige Ausstrahlung der "Philosophin auf dem Thron".

Friedrich I. in Preußen nahm sich nach dem Tode seiner jungen Frau noch eine dritte Gemahlin, Sophie Luise von Mecklenburg-Schwerin-Grabow. Die 23 jährige Sophie Luise machte in den Augen ihrer Verwandten eine ungeahnt gute Partie, als sie dem 50 jährigen Friedrich als preußische Königin nach Berlin folgte. Doch für die Königin wurde diese Ehe zum Alptraum. Niemand hatte sie auf das Leben am Berliner Hof vorbereitet und so wurde schon der erste Auftritt zu einem Fiasko für die junge Frau vom Lande. Das durchaus nicht menschenfreundliche Klima am Berliner Hof und die Isolation trieben Sophie Luise langsam in den Wahnsinn. Der Kranken entledigte man sich. Friedrich schickte sie zurück zu ihrer Mutter nach Schwerin, wo sie erst 1835 verstarb.

So dramatisch verliefen die Lebenswege der anderen Königinnen nicht mehr. Obwohl Sophie Dorothea von Hannover (1687-1757) an der Seite des cholerischen und äußerst eifersüchtigen Soldatenkönigs sicherlich auch kein leichtes Leben hatte. Zumal sie innerhalb der ersten 20 Ehejahre 13 Kinder gebar, was eine beachtliche physische Leistung darstellte. Das 14. Kind kam dann nach einer vierjährigen Pause 1730 zur Welt. Was für Sophie Charlotte Lützenburg war, wurde für Sophie Dorothea Monbijou.- ein Zufluchtsort. In Monbijou wurde jedoch weit weniger philosophiert als in Charlottenburg, vielmehr frönte man dem Luxus und schmiedete geheime Heiratspläne für die zahlreichen Kinder, über die man ohnehin mehr erfährt als über die Mutter.

Hatte man am preußischen Hof das Pech einflussreichen Familienmitgliedern nicht genehm zu sein, geriet man sehr schnell in die Isolation. Dies musste auch Elisabeth Christine von Braunschweig-Bevern (1715-1797) erfahren, als sie völlig ahnungslos den Kronprinzen Friedrich zum Manne nehmen musste. Am Hofe freute sich über diese Heirat nur der Soldatenkönig. Sein Sohn hingegen folgte einem königlichen Befehl. Mit der Thronbesteigung Friedrich II. wurde die nicht gerade gebildete Elisabeth aus dem Gesichtskreis des Königs verbannt und nur bei unumgänglichen Anlässen an die königliche Tafel gebeten. Der aufgeklärte Monarch und erste Diener seines Staates handelte seiner Frau gegenüber alles andere als human. Diese ertrug ihr Schicksal jedoch mit königlicher Geduld auf Schloss Schönhausen. Erst nach dem Tod Friedrich II. 1786 wurde ihr am Hof der Platz zuteil, der ihr nach höfischer Etikette gebührte. Friedrich Wilhelm II. holte die vereinsamte Frau aus der Isolation und begegnete ihr mit Respekt und Achtung.

Gleichermaßen behandelte jener preußische König auch seine Ehefrauen. Wahre Gefühle hingegen hegte er für seine Mätressen. Was seiner Majestät jedoch erlaubt war, wurde für seine erste Gemahlin zu einem folgenschweren Verhängnis. Elisabeth von Braunschweig-Wolfenbüttel wurde für ihren Fehltritt mit gesellschaftlicher Ächtung bestraft. Ihr Gatte ließ sich scheiden und verbannte die Untreue nach Küstrin.

Die zweite Gemahlin Friedrich Wilhelm II. wurde 1769 die 17 jährige Friedericke Luise von Hessen-Darmstadt (1751-1805), die sich fügsamer mit ihrem Schicksal abfand. Innerhalb der ersten 14 Ehejahre gebar sie sieben Kinder, vier Jungen und drei Mädchen. Damit hatte sie ihre Bestimmung hinlänglich erfüllt.

Die bekannteste und wohl auch verklärteste preußische Königin dürfte fraglos Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776-1810) sein. 1793 wurde die gut behütete und etwas unstete Luise mit dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm verheiratet. Als der melancholische und alles andere als entschlussfreudige Prinz als Friedrich Wilhelm III. 1797 den Thron bestieg, war absehbar, daß er dieser schwierigen Epoche der Übergänge nicht gewachsen war. Die schöne Luise an seiner Seite entsprach zwar mit ihrem Habitus dem Wunschbild der Untertanen, die sie schon zu Lebzeiten verehrten, aber eine geistige Ausstrahlung oder gar einen machtpolitischen Einfluss auf die Geschicke Preußens hatte sie nicht. Ihr früher Tod und ihr ehrliches Bemühen um dieses Land ließen sie zu einem Mythos werden.

Dem hatte Elisabeth von Bayern (1801-1873), die 1823 mit dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm vermählt wurde, kaum etwas entgegen zu setzen. Elisabeth führte zwar mit dem späteren Friedrich Wilhelm IV. eine harmonische Ehe, aber die Herzen der Untertanen konnte die kinderlose Königin nicht erobern.

Die Biographien, der hier vorgestellten preußischen Königinnen, geben einen Einblick in das eher beschauliche Leben am preußischen Hof und vermitteln einen Eindruck von der adligen Lebensweise, wie sie zu jener Zeit an anderen deutschen Fürstenhöfen so oder ähnlich auch zu finden war. Eine "vergleichsweise homogene Erfahrungsgemeinschaft"4 wird hier vorgestellt, die hinsichtlich des Luxus, der Verschwendung und der geistigen Ausstrahlung graduelle Unterschiede aufwies.

Mit einem Quellen- und Literaturverzeichnis, einem Personen- und Ortregister und dem Bildnachweis schließt das gut geschriebene Buch. Jeder Frauenbiographie wurde ein Bildnis und ein Stammbaum vorangestellt, so daß der interessierte Leser sich selbst über Herkunft und Verbleib der einzelnen Familienangehörigen informieren kann.

Stefan Zweig untertitelte seinen biographischen Roman über Marie Antoinette mit "Bildnis eines mittleren Charakters".5 Nun, die großen Charaktere wird man unter den sieben Gemahlinnen der preußischen Könige sicherlich auch vergeblich suchen. Dennoch lohnt eine Beschäftigung mit diesen Frauenschicksalen, wie die Autorin überzeugend zeigt.

Vielleicht vermag dieses Buch, weitere Forschungen zum Leben dieser Damen anzuregen, denn nach wie vor mangelt es an soliden Kenntnissen über das alltägliche Leben bei Hofe und die spezifischen Interessen und Neigungen der Gemahlinnen. Noch immer stehen sie biographisch im Schatten der Gatten und deren Politik. Das Leben der Damen etwas aus diesem Schatten herausgeholt zu haben, ist ein Verdienst dieses gut recherchierten Buches.

Für die nächste Auflage empfiehlt es sich, kleinere Irrtümer wie das Hochzeitsdatum von Friederike auf Seite 199 zu korrigieren. Die Trauung fand 1769 nicht 1796 statt.

Anmerkungen:
1 Siehe zum Forschungsstand u.a. Rudolf Endres, Adel in der Frühen Neuzeit, Oldenburg 1993 und Heinz Reif, Adel im 19. Und 20. Jahrhundert, Oldenburg 1999.
2 Eine der akribischsten Arbeiten dürfte wohl die von Thomas Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm III. der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992. Siehe auch David E. Barclay, Anarchie und guter Wille. Friedrich Wilhelm IV: und die preußische Monarchie, Berlin 1995;
3 Zuvor hatte sie sich den Biographien der Gemahlinnen der Hohenzollernkaiser zugewandt. Siehe Karin Feuerstein-Praßer, die deutschen Kaiserinnen (1871-1918), Regensburg 1979.
4 Siehe dazu Eckart Conze, Von deutschen Adel. Die Grafen von Bernstorff im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2000.
5 Stefan Zweig, Marie Antoinette. Bildnis eines mittleren Charakters, 4. Aufl. Leipzig 1932.

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