Titel
The Other School Reformers. Conservative Activism in American Education


Autor(en)
Laats, Adam
Erschienen
Anzahl Seiten
328 S.
Preis
€ 38,23
Rezensiert für die Historische Bildungsforschung Online bei H-Soz-Kult von:
Lukas Boser, Section d'histoire, Université de Lausanne

„The idea that American education has been steered by progressive values is celebrated by liberals and deplored by conservatives, but both sides accept it as fact.“ Diese im Klappentext formulierte Feststellung bildet den Ausgangpunkt von Adam Laats‘ Studie. Zum Wesenskern einer konservativen (schul-)politischen Haltung gehört es, am Althergebrachten festzuhalten und Veränderungen und neue Ideen nicht gutzuheißen respektive nicht zu akzeptieren. Aber, so fragt Laats zu Recht, bedeutet das auch, dass Konservative bestenfalls Bewahrer, nicht aber Gestalter der Schule sein können? Ist die Schulentwicklung tatsächlich ausschließlich die Domäne von liberalen und fortschrittlich denkenden Schulreformern?

Anhand von vier Fallbeispielen zeigt Laats auf, wie konservative Kräfte sich im Laufe des 20. Jahrhunderts an der Gestaltung und Entwicklung der US-amerikanischen Schule beteiligten, womit sie als „the other school reformers“ bezeichnet werden können. Das Buch enthält fünf Kapitel, denen eine Einleitung vorangestellt ist. In Letzterer werden sowohl das Forschungsinteresse erläutert als auch zentrale Fragestellungen und Thesen des Buches vorgestellt. Die Fragen, die Laats beschäftigen, sind: Wie oft, in welcher Art und mit welchen Absichten haben konservative Kräfte in den USA Einfluss auf den Unterricht in öffentlichen Schulen genommen? Was waren die Folgen dieser Einflussnahme? Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen führt, soviel nimmt Laats in der Einleitung bereits vorweg, zu der These, dass „a powerful tradition of educational conservatism has had a decisive role in shaping schools and culture“ (S. 3).

Im ersten Kapitel beschäftigt sich Laats unter dem Titel „What Does Jesus Have to Do with Phonics?“ mit seinem Forschungsgegenstand, indem er die Begriffe conservatism im Allgemeinen und educational conservatism im Besonderen ausführlich diskutiert. Laats stellt dabei fest, dass eine Auseinandersetzung mit konservativen Ideen Erkenntnisse weit über die Schul- und Bildungsgeschichte hinaus liefern könne. Weil die Themen ‚Lernen‘ und ‚Schule‘ für das konservative Denken und für konservative Ideologien so zentral seien, könne man über diese Themen ein grundsätzliches Verständnis dafür erlangen, was es in verschiedenen historischen Epochen hieß, ‚konservativ‘ zu sein.

Laats sieht sein Buch nicht nur als Beitrag zur Schul- und Bildungsgeschichte der USA, sondern auch als Beitrag zur Geschichte des US-amerikanischen Konservativismus generell. In diesem Zusammenhang referiert er den Forschungsstand und verortet seine eigene Arbeit im Verhältnis zu der schon bestehenden Forschung. Schließlich nimmt Laats in diesem ersten Kapitel viele der in den folgenden Kapiteln ausgeführten Fragen und Thesen vorweg und präsentiert seine Erkenntnisse sozusagen in a nutshell. Das zweite Kapitel mit dem Titel „Monkeys, Morality, and Modern America“ ist dem sogenannten Scopes trial gewidmet. In diesem Gerichtsverfahren standen sich 1925 Gegner und Befürworter der Evolutionslehre gegenüber. Anlass zu dem Verfahren hatte ein junger Lehrer gegeben, der entgegen den Gesetzen in Tennesse in der Schule die Evolutionstheorie unterrichtet hatte. Nationales Interesse erregte der Prozess, weil beide Seiten ihre prominentesten Vertreter gegeneinander antreten ließen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich unter dem Titel "Pulling the Rugg out" mit der Kontroverse in den 1930er-Jahren um die Schulbücher für social studies von Harold Rugg. Anhand dieser Debatte zeigt Laats, welchen Einfluss konservative Kritiker auf Schulbücher und auf die Auswahl des darin enthaltenen Lernstoffs nehmen konnten. Er zeigt auch auf, welche unterschiedlichen Vorstellungen von Demokratie respektive Erziehung zur Demokratie dieser Kontroverse zugrunde lagen und wie die progressive Bildungselite an den Universitäten (z.B. der Columbia University) zum Hauptgegner der konservativen Akteure wurde. Das vierte Kapitel zeichnet unter dem Titel „Rich, Republican, and Reactionary“ nach, wie in den 1950er-Jahren konservative Bürgerinnen und Bürger in Pasadena (Kalifornien) gegen progressive Schulprogramme agitierten, von denen sie befürchteten, sie würden ihren Kindern falsche und gefährliche (sprich sozialistische und kommunistische) Ideen in den Kopf setzen. In den Augen der Konservativen wurde diese Gefahr insbesondere durch Superintendent Willard Goslin und Professor William Heard Kilpatrick personifiziert. Im fünften Kapitel beschäftigt sich Laats unter der Überschrift „Save the Children“ erneut mit einer Schulbuchkontroverse. Diese wurde in den 1970er-Jahren im Kanawha County (West Virginia) ausgetragen. Erneut ging es in dieser Auseinandersetzung darum, dass konservative Bürgerinnen und Bürger ihre Kinder vor schädlichem, falschem und gefährlichem Gedankengut, das über die Schulbücher verbreitet würde, schützen wollten. Die heftig und zuweilen auch gewalttätig geführte Kanawha Kontroverse war eine Auseinandersetzung um die Deutungshoheit über die zentralen Werte und Normen der Schulbildung. Laats schließt sein Werk mit einigen (kurz gehaltenen) Schlussbetrachtungen.

Die vier von Laats behandelten historischen Fallbeispiele an sich sind in der US-amerikanischen historischen Forschung zum Teil bereits eingehend untersucht worden und sind dementsprechend nicht neu. Was Laats’ Buch auszeichnet, sind nicht so sehr die sehr detaillierten und mit einem für amerikanische Verhältnisse beachtlichen Endnotenapparat versehenen historischen Rekonstruktionen der einzelnen Fälle, als vielmehr das Gesamtbild, das er durch deren Verknüpfung zeichnet. Kontinuitäten im Denken der Konservativen streicht Laats dabei genauso heraus wie Wandel, den es beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage der Bedeutung von rassistischen Elementen in den konservativen Vorstellungen durchaus auch gegeben hat. Dabei wird Laats seinem selbsternannten Anspruch gerecht, den konservativen Kräften eine Stimme zu geben (S. 13). Sein Buch tut aber weit mehr als das, indem es den Konservativen einen Platz im grand narrative der US-amerikanischen Schulgeschichte einräumt. Dieses grand narrative wird von Laats durch die Verknüpfung der vier zeitlich und örtlich unabhängigen Einzelfallstudien und durch den Einbezug der Konservativen als wichtige Akteure ausgebaut und gestärkt und nicht etwa in Frage gestellt.

Wie viele seiner US-amerikanischen Kollegen blickt Laats nicht über den US-Tellerrand hinaus – der zugegebenermaßen so schon weit genug ist. Trotzdem gibt es auch für die europäische Leserschaft einige interessante Anknüpfungspunkte, die zu weiterführender oder vergleichender Forschung anregen. Drei Beispiele seien hier genannt: 1) Konservative Vorstellungen nicht nur als verhindernde, sondern auch als gestaltende Kräfte in Schulpolitik und Schulentwicklung zu betrachten, könnte auch der europäischen Schulgeschichtsschreibung neue Impulse geben. 2) Entscheidende Auseinandersetzungen darüber, was in den Schulen vermittelt werden soll und darf, wurden in den USA immer wieder in der Form von Lehrbuchkontroversen ausgetragen. An die Untersuchungen von Laats könnte hier die europäische Schulbuchforschung anschließen. 3) Die Frage danach, wer in welchem Ausmaß an der Auswahl des schulischen Wissens sowie der Festlegung der Normen und Werte, die in der Schule vermittelt werden sollen, beteiligt ist, ist eine der großen Fragen, mit der sich beispielsweise die historische Curriculumsforschung auch in Europa beschäftigt.

Abschließend noch eine Bemerkung zu Laats‘ Schreibstil. Man kann geteilter Meinung sein über seinen Hang zu Wortspielereien und Alliterationen – beispielsweise in den Kapitelüberschriften – und den manchmal etwas saloppen Stil. Nichtsdestotrotz ist das Buch sehr gut geschrieben und daher ist es nicht nur eine informative und lehrreiche Lektüre, sondern auch eine sehr unterhaltsame.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit der Historischen Bildungsforschung Online. (Redaktionelle Betreuung: Philipp Eigenmann, Michael Geiss und Elija Horn). https://bildungsgeschichte.de/
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