M. S. Peacock: Introducing Money

Cover
Titel
Introducing Money.


Autor(en)
Peacock, Mark S.
Reihe
Economics as Social Theory 33
Erschienen
Abingdon 2013: Routledge
Anzahl Seiten
XII, 212 S.
Preis
$45.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Institute for the History of Ancient Civilizations, Northeast Normal University Changchun (China)

Die Frage nach dem Ursprung des Geldes hält Philosophen, Ökonomen, Politologen und Historiker seit der Antike in Atem. Die Anzahl der unterschiedlichen Ansätze, Theorien und Erklärungsmodelle seit Aristoteles ist kaum zu überschauen und mittlerweile fast Legion.1 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte man dabei, sich deutlich vom Erklärungsmodell des Aristoteles (Pol. 1,9 1257a28–b4; Eth. Nic. 5,8 1133a) abzusetzen, nach dem die Unvollkommenheit des Tauschhandels zur Erfindung des Geldes als tertium comparationis geführt habe. Als Motor wurden in der Folge religiöse, militärische (Söldnerbezahlung), staatliche oder kulturell-soziale Praktiken angeführt, ohne jedoch in dieser Frage zu einem Konsens zu gelangen. Grundtendenz und Lerneffekt aus dieser zerfaserten Situation war daher in letzter Zeit, von diesen allzu einseitigen Erklärungsmodellen abzukommen und stärker die Konnektivität verschiedener, bislang oft getrennt betrachteter Bereiche zu betonen und dabei Theorien aus Wirtschafts- und Sozialwissenschaften stärker in die Diskussion mit einzubinden.

Insbesondere die wirtschaftswissenschaftlichen Theorien der Geldentstehung nachzuvollziehen und dann für Antike wie Moderne fruchtbar zu machen, tritt das Werk von Mark Peacock, Associate Professor an der York University in Toronto (Kanada), an. Obwohl einige der einzelnen Kapitel bereits als Aufsätze vorliegen (siehe die Introduction, S. 13f., mit einer bemerkenswerten Kapitulation vor den angeblichen Zwängen heutiger Forschungspublikation), ist der Aufbau des Buches nachvollziehbar und zusammenhängend: Zuerst finden sich die theoretischen Ansätze (Kapitel 1–2), dann folgen die Analyse antiker Verhältnisse (Kapitel 3–7) und zuletzt die Anwendungsmöglichkeiten für moderne Phänomene (Kapitel 8–9). Kurzgehaltene Endnoten zu den einzelnen Kapiteln, ein ausführliches Literaturverzeichnis sowie ein übersichtlicher Index runden den Band ab.

Bevor Peacock in medias res geht, legt er in einer etwas exzentrischen Einleitung (S. 2–14) seine kritische Stellung zur „conjectural history“ dar, die mithilfe philosophisch-allgemeintheoretischer Modelle die fragmentarische historische Überlieferung sinnvoll (und allgemeingültig) zu ergänzen versucht, und spricht sich klar für die Anwendung und Zusammenführung historisch-kritischer Methode und ökonomischer Theorievorstellungen unter dem Primat der Quellenlage aus. So ist für ihn schon seine Anfangsthese, dass sich Geld nicht aufgrund von Tauschhandel und zunächst geldlosem Marktgeschehen entwickelt habe, sondern wesentlich durch die staatliche Autorität in vielfältigen Formen zustande komme, nicht allgemein verbindlich, sondern aus seiner Sicht das Ergebnis seiner Quellenanalyse. Hierfür differenziert er, Karl Polanyi folgend, vier Funktionen von Geld aus, die für seine späteren Analyseschritte wichtig sind: „unit of account, means of payment, medium of exchange, and store of value“ (S. 12).

Im ersten Kapitel widmet Peacock sich zunächst der „klassischen“ Sichtweise auf Geld in Form des Ansatzes des österreichischen Nationalökonomen Carl Menger (S. 17–29): Dessen letztlich aus Aristoteles abgeleitete Theorie der Entstehung von Geld aus Tauschhandel und individuellen Einzelinteressen legt er nicht nur dar, sondern kritisiert insbesondere die Vermischung der beiden Funktionen von Geld als „Zahlungsmittel“ und „Mittel des Austauschs“, die von Menger postulierte historische Entwicklungsfolge spreche somit gegen die Entstehungstheorie. Besonders die Vermengung der Geldfunktionen respektive das fälschliche Annehmen eines „all-purpose money“ ist für Peacock also letztlich die Ursache dafür, dass der wahre Ursprung des Geldes mit diesem Ansatz nicht ergründet werden kann, wie er im letzten Teil des Kapitels anhand der Definition des Tauschkonzeptes sowie dem Aufbrechen des „all-purpose money“-Konzeptes durch John Maynard Keynes zu zeigen versucht.

Dem aus seiner Sicht gescheiterten Konzept Mengers stellt Peacock im zweiten Kapitel sein favorisiertes Modell einer staatlichen Forcierung der Geldentwicklung entgegen (S. 30–46): Ausgehend von der Sichtweise des Nationalökonomen Georg Friedrich Knapp, dass Geld als Wert nicht durch ökonomische, sondern staatlich-rechtliche Garantie zustande komme, identifiziert er in erster Linie die Steuerpolitik des Staates als Triebfeder für die Geldentwicklung und sucht in einem zweiten Schritt Anleihen am vieldiskutierten Taxes-and-Trade-Modell von Keith Hopkins2, das mit seiner These von der ökonomischen Aktivierung und der Ankurbelung des Geldkreislaufs besonders in den Provinzen durch den staatlichen Steuerdruck Roms gut daran anschließt und damit harmoniert.

Damit ist Peacock bei der Antike angelangt, deren Bezug zu Geld er in den nächsten fünf Kapiteln erörtert: Zunächst wendet er sich dabei den Palastkulturen des Nahen Ostens sowie des mykenischen Griechenlands zu (S. 49–67). Während er für Erstere anhand der Ur-III-Periode die starke Rolle des Staates, vor allem bei der (Re-)Distribution von Gütern, sowie eine gewisse Monetarisierung in Form von Wertzähleinheiten und Zahlungsfunktion von Silber und Weizen, jedoch kein „all-purpose money“ konstatiert, fällt Letzteres für die Mykenische Palastzeit aus, obschon sich auch hier eine ausdifferenzierte Arbeitsteilung zeigt. Sicherlich ist in diesem Fall auch die Überlieferungslage schuld daran, dass wir beispielsweise über private ökonomische Aktivitäten oder Märkte nur unzureichend informiert sind3; insofern ist hier von voreiligen Rückschlüssen, etwa auf eine „gift economy“ oder ähnliches, dringend abzuraten (hier ist Peacock vorsichtig, jedoch nicht grundsätzlich abgeneigt, S. 65f.).4

Für die in Ilias und Odyssee dargelegte Gesellschaft arbeitet Peacock in der Folge die Schwäche von zentralen Institutionen und damit, in seiner anfangs postulierten Konsequenz, auch eine Schwäche monetarischer Formen heraus (S. 68–83). Obwohl Werteinheiten wie Rinder sowie Handel auch in den homerischen Epen belegt sind, stellt Peacock hier die vielfach belegten Gabenaustauschprozesse, Plünderungen, agrarisch-aristokratische Wertformen wie Landbesitz oder ähnliches in den Vordergrund und sieht diese im Sinne Polanyis als eingebettet in sozio-kulturelle Praktiken und Wertvorstellungen wie Prestige an.5 Warum in diesem Zusammenhang die anders akzentuierte, den Blickwinkel durchaus auf andere ökonomische Formen und gesellschaftliche Schichten erweiternde Dichtung des Hesiod vernachlässigt wird, der den oikos durchaus eingebettet in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse und Handelsnetzwerke sieht, bleibt dem Rezensenten ein Rätsel.

Das fünfte Kapitel widmet sich intensiv Bernhard Laums Arbeit „Heiliges Geld“ (1924), in der die Entstehung von Geld im religiösen Kontext (Darbringung von Opfern, Tempelwirtschaft) favorisiert wird (S. 84–104). Stieropfer, Belohnungen für Athleten, Votivfigurinen und vieles mehr werden dahingehend von Peacock interpretiert, wobei er auch hier wieder dem Staat und dessen Installation von Regeln eine zentrale Funktion zuschreibt. Indem er sich im abschließenden Teil mit der nationalsozialistischen Vergangenheit von Laum auseinandersetzt, macht er deutlich, wie dessen historisches Konzept von diesem selbst in den 1930er-Jahren hin zu einer Rechtfertigung der „geschlossenen, totalen Wirtschaft“ im nationalsozialistischen Sinne umgebaut und dann auch von Seiten Dritter genutzt wurde. So sympathisch Peacock Laums Ansatz auch erscheint, verwirft er im folgenden Kapitel dennoch die Annahme, dass „Wergeld“, also die Ausgleichszahlung als Sühne für einen Totschlag, die Entwicklung des Geldes im archaischen Griechenland vorangetrieben habe (S. 105–123). Indem er die Regelungen von Drakon und Solon durchmustert, extrahiert er allerdings wiederum die staatlichen Regelungen als entscheidend für die Festsetzung von (Geld)Werten und bleibt damit seiner Linie, wesentliche Entwicklungen dem Eingriff des Staates zuzuschreiben, treu.

Unter diesem Aspekt wendet er sich dann der klassischen Zeit zu (S. 124–144). Nur kurz geht er dabei auf die Entstehung des Münzgeldes ein, deren Beweggründe wie die Herkunft des Geldes insgesamt in der Forschung durchaus umstritten sind. Vielmehr durchmustert er die vier Funktionen von Geld für die athenische Gesellschaft und sieht vor allem in der Allgegenwart des Geldes ein Zeichen für den Niedergang der Aristokratie und deren Wertvorstellungen, deutet das Geld also als Zeichen eines (demokratischen) Bürgerbewusstseins; dass dieses wiederum nicht ohne staatliche Gesetze und Regelungen (von den großen „Staatsverfassungen“ bis hin zu Einzelregelungen wie Leiturgien) einherkam bzw. sich ausgestalten konnte, ist für ihn dabei schlussendlich wiederum Erweis seiner „Staatsthese“.

Die beiden abschließenden Kapitel beschäftigen sich sodann mit der Moderne: Zunächst zeigt Peacock den Einfluss von Missernten und daraus resultierenden Hungersnöten auf Marktgeschehen im kolonialen Kontext auf und fragt nach der Rolle, die Monetarisierung, Steuerforderung und Kommerzialisierung in solchen Situationen spielen können (S. 147–168). Auch wenn hier staatliches Eingreifen in Form der Durchsetzung von bestimmten Monetarisierungsmaßnahmen durchaus negative Auswirkungen haben kann, wendet sich Peacock im letzten Abschnitt dennoch klar gegen ein Verlassen der staatlichen Garantiefunktion von Geld und somit gegen alternative Formen, die sogenannten „local exchange trading systems (LETS)“ (S. 169–182): Diese seien parasitär, da sie eigentlich unter dem Schutzmantel der staatlichen Garantie eines jederzeitigen Rücktausches agieren bzw. sich durch ihre Wert-Setzung stets in Bezug zum Marktgeschehen stellen.

Peacock legt alles in allem eine gut lesbare Einführung in den doch wahrlich komplexen Gegenstand der Geldtheorie vor. Die vermehrte Berücksichtigung neuerer Ansätze, wie etwa der Neuen Institutionenökonomie, oder die kritischere Auseinandersetzungen mit den letztlich „primitivistischen“ Ansätzen im Anschluss an Karl Polanyi wäre jedoch durchaus wünschenswert gewesen. Ebenso ist seine Theorie mit einer fast allmächtigen Stellung und Funktion des Staates zur Initiierung von Geld- wie anderen Innovationsprozessen aus altertumswissenschaftlicher Sicht sicherlich deutlich zu differenzieren, nicht nur aufgrund der verzerrenden Quellenlage, sondern auch wegen der im Begriff mitschwingenden modernen Vorstellung von Staatlichkeit; das Paradigma „Staat“ dürfte somit auch im Bereich der Antiken Wirtschaftsforschung zukünftig einen zentralen Diskussionsplatz einnehmen.6 Insofern die altertumswissenschaftliche Forschung zum Teil, wie gezeigt, schon weiter als die von Peacock vorgestellten theoretischen Modelle ausdifferenziert ist, macht dies aus Sicht des Rezensenten, durchaus zu dessen Zufriedenheit, deutlich, dass Innovationskraft und Erklärungsstärke nicht immer nur von Theorien ausgehen muss.

Anmerkungen:
1 Einen guten Überblick bezüglich wirtschaftswissenschaftlichen Theorien liefert Engelbert Theurl, Konkurrierende Theorien der Geldentstehung: einige Überlegungen zur Vereinbarkeit, in: Robert Rollinger / Christoph Ulf (Hrsg.), Commerce and Monetary Systems in the Ancient World, Wiesbaden 2004, S. 33–53. Eine brauchbare Zusammenstellung der wichtigsten althistorischen Forschungen zur Entstehung vor allem des Münzgeldes steht noch aus. Vgl. aber die konzise Auseinandersetzung mit einigen der auch hier genannten Geldtheorien bei Armin Eich, Die politische Ökonomie des antiken Griechenland (6.–3. Jahrhundert v.Chr.), Köln 2006, S. 459–469. Vgl. hier gerafft die wichtigsten Ansätze: Bernhard Laum, Heiliges Geld, München 1924 (religiöse Praktiken); Édouard Will, Réflexions et hypothèses sur les origines du monnayage, in: Revue Numismatique 17 (1955), S. 5–23 (Umbrüche in einer Polis); Robert M. Cook, Speculations on the Origin of Coinage, in: Historia 7 (1958), S. 257–262 (Söldner); Colin M. Kraay, Greek Coinage and War, in: Waldemar Heckel / Richard Sullivan (Hrsg.), Ancient Coins in the Graeco-Roman World, Waterloo 1984, S. 3–18 (militärischer Kontext); Christopher Howgego, Why did Ancient States strike Coins?, in: Numismatic Chronicle 150 (1990), S. 1–25 (verschiedene militärische, staatliche und ökonomische Beweggründe); Thomas R. Martin, Coins, Mints, and the Polis, in: Mogens Herman Hansen (Hrsg.), Sources for the Ancient Greek City-State, Copenhagen 1995, S. 257–291; ders., Why Did the Greek Polis Originally Need Coins?, in: Historia 45 (1996), S. 257–283 (enger Zusammenhang zwischen Polisausbau und Beginn von Münzprägung); Sitta von Reden, Money, Law and Exchange: Coinage in the Greek Polis, in: Journal of Hellenic Studies 117 (1997), S. 154–176 (Geld als Symbol von Bürgerbeziehungen und Spiegel sozialer, rechtlicher, politischer Praktiken); Vincent Gabrielsen, Finance and Taxes, in: Hans Beck (Hrsg.), A Companion to Ancient Greek Government, Malden 2013, S. 332–348 (staatlicher Organisationsausbau, insbesondere Flottenbau); Hans van Wees, Ships and Silver, Taxes and Tribute, London 2013 (vertragliche, staatliche Transaktionen, u.a. für Bauten, Flottenbau mit Rückwirkung auf Märkte).
2 Vgl. Keith Hopkins, Taxes and Trade in the Roman Empire (200 B.C. – A.D. 400), in: Journal of Roman Studies 70 (1980), S. 101–125; ders., Rome, Taxes, Rents and Trade, Kodai 6/7 (1995/96), S. 41–75. Vgl. ebenso Hopkins’ erneute Rechtfertigung des Modells: Rents, Taxes, Trade and the City of Rome, in: Elio Lo Cascio (Hrsg.), Mercati permanenti e mercati periodici nel mondo romano, Bari 2000, S. 253–267.
3 Zur mykenischen Palastwirtschaft sowie zu den Problemen der Überlieferungslage vgl. einführend Josef Fischer, Die mykenische Palastwirtschaft. Aspekte frühgriechischen Wirtschaftslebens im Spiegel der Linear B-Texte, in: Sven Günther (Hrsg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien, Wiesbaden 2012, S. 41–81.
4 Vgl. dazu jetzt die ablehnende Bewertung einer Gabentauschökonomie durch Marcel Hénaff, Is There Such a Thing as a Gift Economy?, in: Filippo Carlà / Maja Gori (ed.), Gift Giving and the ‘Embedded’ Economy in the Ancient World, Heidelberg 2014, S. 71–84, sowie die Herausarbeitung ökonomischer Faktoren der Gabe bei David Reinstein, The Economics of the Gift, in: Carlà / Gori, Gift Giving, S. 85–101.
5 Vgl. jetzt dazu, terminologisch akribisch, aber in der Schlussfolgerung ähnlich, da auch nur inner-homerisch arbeitend Lucio Bertelli, The Ratio of Gift-Giving in the Homeric Poems, in: Carlà / Gori, Gift Giving, S. 103–134.
6 Zur neuen Diskussion um „Staatlichkeit“ vgl. jetzt einführend den Sammelband von Christoph Lundgreen (Hrsg.), Staatlichkeit in Rom? Diskurse und Praxis (in) der römischen Republik, Stuttgart 2014, und hier insbesondere die „Grundsatzkritik“ von Aloys Winterling, „Staat“ in der griechisch-römischen Antike, S. 249–256.

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