S. Danielson u.a. (Hrsg.): Envisioning the Bishop

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Titel
Envisioning the Bishop. Images and the Episcopacy in the Middle Ages


Herausgeber
Danielson, Sigrid; Gatti, Evan A.
Reihe
Medieval Church Studies 29
Erschienen
Turnhout 2014: Brepols Publishers
Anzahl Seiten
448 S., XX
Preis
€ 126,38
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Dominik Waßenhoven, Historisches Institut, Universität zu Köln

Bilder vom Bischof im Mittelalter untersucht dieser Sammelband, der auf mehrere Sektionen bei den internationalen Mittelalter-Kongressen in Leeds (2009) und Kalamazoo (2009–2011) zurückgeht. Wie der Titel bereits anklingen lässt, geht es dabei nicht nur um bildliche Repräsentationen, sondern auch um Vorstellungen vom Bischof und seinem Amt – also um materielle und immaterielle Imaginationen. Diese beiden sich gegenseitig bedingenden Aspekte werden in einigen Beiträgen gemeinsam behandelt; insgesamt bringt der Band kunsthistorische und geschichtswissenschaftliche Fragestellungen und Herangehensweisen (und auch Forscherinnen und Forscher) zusammen. Die Farbtafeln zu Beginn des Bandes und die in den Text eingebundenen Schwarz-Weiß-Abbildungen, denen bei der methodischen Ausrichtung des Bandes natürlich eine große Bedeutung zukommt, sind bis auf eine Ausnahme1 von sehr guter Qualität. Jedem Beitrag ist ein eigenes Quellen- und Literaturverzeichnis beigegeben; das Register, das den Band abschließt, enthält neben Verweisen auf Personen und Orte auch einen Sachindex, der nicht weiter erläutert wird, aber wohl vornehmlich Quellen und einige wenige Sachlemmata wie "dedications of books" und "ministerium" verzeichnet.

In ihrer Einleitung (S. 1–12), in der auch ein knapper Überblick über die kürzlich publizierte Literatur zum Thema geboten wird, betonen die Herausgeberinnen, dass Bilder und Vorstellungen nicht einfach vorhanden sind, sondern dass sie sich ereignen, dass sie also durch die Art ihrer Vermittlung wie auch durch ihre Wahrnehmung unterschiedlich geformt werden und dabei auch Wandlungen unterworfen sind. Daneben sei zu beachten, dass es Imaginationen individueller Bischöfe ebenso gebe wie des Bischofsamtes und eines (sich ebenfalls wandelnden) Ideals, und dass diese Vorstellungen und ihre Repräsentationen sowohl von Bischöfen selbst als auch von anderen Klerikern produziert, vermittelt und rezipiert wurden. Zieht man in Betracht, dass die 16 Beiträge für dieses komplexe Untersuchungsvorhaben den Zeitraum von der Spätantike bis zum 14. Jahrhundert (mit einem Beitrag zu Ausstellungen über ottonische Bischöfe im Jahr 1993) in den Blick nehmen, wird deutlich, wie ambitioniert der Sammelband angelegt ist. Den Herausgeberinnen ist das durchaus bewusst, ebenso wie die geographische Beschränkung auf Westeuropa und die britischen Inseln.

Die Beiträge im Band sind chronologisch geordnet, eine Differenzierung nach inhaltlichen oder methodischen Kriterien erfolgt also nicht. Dafür schlagen die Herausgeberinnen in ihrer Einleitung und Maureen C. Miller in ihrem Nachwort (S. 427–436) zwei unterschiedliche thematische Schneisen durch die Beiträge. Ein roter Faden, der sich aus der Konzeption des Bandes ergibt, ist das Bischofsideal, das in der einen oder anderen Form in jedem Beitrag thematisiert wird. Es kann an einzelnen Texten abgelesen werden (Kalani Craig über die Libri historiarum decem Gregors von Tours, S. 63–89) oder von einzelnen Autoren entworfen sein (George Hardin Brown zu Beda Venerabilis als Kritiker von Bischöfen, S. 91–102). Es steht aber auch im Spannungsverhältnis zur bischöflichen Praxis, wie Alice Chapman (S. 331–346) anhand von verschiedenen Texten Bernhards von Clairvaux eindrücklich zeigt. Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Liturgie: Sigrid Danielson (S. 127–156) zeigt den "Bischof bei der Arbeit" (S. 129), indem sie westfränkische Darstellungen in Handschriften und auf Elfenbeinplatten aus dem 9. Jahrhundert untersucht und die Bedeutung der Bischöfe als Liturgen unterstreicht, die gleichzeitig auch für die korrekte Durchführung und Überwachung der Riten verantwortlich waren. Evan Gatti (S. 181–214) sieht in Anlehnung an Ernst Kantorowicz’ "Zwei Körper des Königs"2 auch bei den Bischöfen einen natürlichen, zeitlich und physisch gebundenen Körper einerseits und einen öffentlichen, von und für die Gemeinschaft definierten Körper andererseits, die sie in liturgischen Darstellungen Bischof Warmunds von Ivrea wirksam sieht. Joanne Pierce (S. 249–273) analysiert Gebete und Bilder in liturgischen Handschriften, die von Bischof Sigebert von Minden in Auftrag gegeben wurden und verschiedene Vorstellungen vom Bischof evozieren; sie unterstreicht die Performativität des Bischofsamts, die durch bildliche Darstellungen, rituelle Gesten und während des Gottesdienstes gesprochene Texte erfahrbar wurde und den Bischof einerseits als "unwürdigen Sünder" ("indignus peccator", S. 257), andererseits als "zweiten Christus" ("alter Christus", S. 260) zeigten. Kara Ann Morrow (S. 347–376) untersucht liturgische Darstellungen in den Skulpturen an der Kathedrale von Bourges, die die Autorität des Erzbischofs und seinen Anspruch auf Präeminenz im 13. Jahrhundert hervorgehoben hätten. Die Liturgie spielt auch bei Jennifer Kingsley (S. 215–248) eine Rolle, der es in erster Linie um Johannes den Täufer als einem Vorbild für Bischöfe und Mönche (und damit auch für monastische Bischöfe) im späten 10. und frühen 11. Jahrhundert geht. Johannes bot eine Projektionsfläche für das kontemplative Leben ebenso wie für das aktive Handeln des Bischofs in der Welt, wie sich an den Darstellungen im Benedictionale Bischof Æthelwolds von Winchester und auch im sogenannten "Kostbaren Bernwardevangeliar", das unter Bernward von Hildesheim entstand, zeigt – und somit in Handschriften für den liturgischen Gebrauch.

Die Amtsausübung des Bischofs steht auch bei Dorothy Hoogland Verkerk (S. 157–179) im Vordergrund, allerdings nicht seine Tätigkeit als Liturg, sondern seine Aufgabe in der Leitung der Gemeinde, für die es schon in der Bibel das Bild des Hirten gibt. Verkerk untersucht bischöfliche Darstellungen auf irischen Steinkreuzen, wo der Hirte in einer agrarisch geprägten Gesellschaft möglicherweise ein sehr wirkmächtiges Bild war, das aber wohl vor allem auch die Verbundenheit mit dem heiligen Patrick ausdrücken sollte, der sich als Anführer der irischen Herde sah. Einen anderen Fokus setzen dagegen die Beiträge von Deborah Deliyannis (S. 41–62) und Aneilya Barnes (S. 13–40), die Stifter geistlicher Bauten in den Blick nehmen. Deliyannis beschreibt anhand von Stifterporträts in Kirchen und dem Liber pontificalis eine Übergangsphase im 6. Jahrhundert, als die Erinnerung an die finanziellen Förderer eines Kirchenbaus abgelöst wurde durch die Betonung allein des bischöflichen Stifters. Diese Bevorzugung der Bischöfe erklärt sich auch daraus, dass eine Kirche nicht einfach von der reichen Oberschicht gebaut werden konnte, sondern einer Autorisierung und Weihe durch Bischöfe bedurfte. Barnes macht darauf aufmerksam, dass die wichtige Rolle der Frauen als Donatoren für Kirchenbauten im spätantiken Rom im Übergang zum Frühmittelalter im selben Maße abnahm, wie die Autorität der Bischöfe, die seit dem 4. Jahrhundert vermehrt aus einem aristokratischen Umfeld stammten, wuchs. Sie spricht in diesem Zusammenhang von der "Masculinization of Rome’s Sacred Landscape" (S. 30).

Neben den untersuchten Texten und bildlichen Darstellungen werden in drei weiteren Beiträgen noch andere Quellengruppen erschlossen. Winston Black (S. 377–404) beleuchtet die Bedeutung von Merkversen für die Ausbildung von Klerikern und Juristen im 13. und 14. Jahrhundert und zeichnet nach, wie sie ein Idealbild des Bischofs transportieren. John Ott (S. 275–302) illustriert anhand von Dichtung das Amtsverständnis des Erzbischofs Manasses von Reims, der in Anknüpfung an Reimser Traditionen seine Stellung als gleichberechtigt mit dem Papst ansah. Sita Steckel (S. 103–126) untersucht Buchwidmungen an Bischöfe im karolingischen Frankenreich, die sich nicht allein auf Bischöfe als Förderer der Buchproduktion zurückführen lassen, sondern die gestiegene Bedeutung bischöflicher Kontrolle über die kirchliche Lehre zeigen. Um aktuelle Bilder vom mittelalterlichen Bischof geht es im Beitrag von William Diebold (S. 405–426), der die Frage aufwirft, warum die Ausstellungen zu Bernward von Hildesheim und Egbert von Trier im Jahr 1993 kein Publikumserfolg waren (die Egbert-Ausstellung hat nicht einmal stattgefunden, es gibt nur den publizierten Katalog) – ganz im Gegensatz zu den Ausstellungen der folgenden Jahre, die Könige ins Zentrum stellten. Das große Verdienst der Bernward-Ausstellung sei jedenfalls gewesen, dass erstmals nach der Instrumentalisierung der Ottonen durch die Nationalsozialisten im Dritten Reich der Versuch unternommen wurde, die ottonische Zeit zu rehabilitieren und einem breiteren Publikum vorzustellen. Sherry Reames (S. 303–329) schließlich kann anhand der hagiographischen Texte zum heiligen Wulfstan, Bischof von Worcester (1062–1095), zeigen, dass das (Ideal-)Bild dieses Bischofs im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts mehrfach umgeschrieben und an die aktuellen Bedürfnisse angepasst worden ist.

Reames’ Ergebnis, dass es offensichtlich schwer war, einen dauerhaften Konsens darüber zu finden, wie ein idealer Bischof sein sollte (S. 327), kann grundsätzlich als Fazit des gesamten Bandes herangezogen werden. Es gab in synchroner Perspektive divergierende und sich teils widersprechende Bilder vom Bischof, die zudem jeweils einem Wandel unterworfen waren. Angesichts des Facettenreichtums des mittelalterlichen Bischofs und des großen Untersuchungszeitraumes wundert dieser Befund nicht. Dass der Band dennoch anregend zu lesen ist, liegt nicht zuletzt an der durchweg hohen Qualität der Beiträge und der darin erzielten Einzelerkenntnisse. Durch die thematische Fokussierung auf die Vorstellungen vom Bischof korrespondieren die Beiträge zudem sehr gut miteinander und spiegeln die Vielfalt und den Wandel der Bischofsideale und -bilder in angemessener Weise wider.

Anmerkungen:
1 Die Abbildung 7.5 auf S. 167 ist unscharf.
2 Ernst Kantorowicz, The King's Two Bodies. A Study in Mediaeval Political Theology, Princeton 1957; deutsche Übersetzung: Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 1990.

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