J. Meiner u.a. (Hrsg.): Friedrich Wilhelm IV. von Preußen

Cover
Titel
Friedrich Wilhelm IV. von Preußen. Politik – Kunst – Ideal


Herausgeber
Meiner, Jörg; Werquet, Jan
Anzahl Seiten
166 S.
Preis
€ 25,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Winfried Baumgart, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Das Thema König Friedrich Wilhelm IV. und die Kunst, besonders die Architektur, ist ein Feld, das die Forschung seit je beschäftigt. Nachdem die geteilten Quellen seit der Wende von 1989/90 wieder in Berlin vereint sind, bieten die Tausende von Skizzen und Entwürfe des Königs Anlass zu neuen Fragestellungen. Der vorliegende Band versammelt zehn Vorträge eines Kolloquiums, das von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, vom Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin und von der Stiftung Historisches Museum Berlin über König Friedrich Wilhelm IV. als Künstlerpersönlichkeit im März 2012 am Berliner Kulturforum stattgefunden hat. Es dominieren Vorträge über die immense Zahl von Zeichnungen Friedrich Wilhelms aus seiner Kronprinzenzeit vornehmlich zu Architekturvorhaben. In seiner Zeit als König nahm das Interesse an Zeichnungen zwar nicht ab, die Regentenpflichten ließen ihm dafür aber längst nicht mehr so viel Muße wie vor 1840. Zusätzlich zu diesen Vorträgen wurde je ein solcher über das Herrschaftsverständnis des Königs und über die Huldigungslyrik aus Anlaß der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms 1840 einbezogen, die also aus dem Rahmen des Zentralthemas etwas herausfallen.

Frank-Lothar Kroll sieht in der Lehre vom organischen Ständestaat das zentrale Anliegen aller innen- und verfassungspolitischen Überlegungen und Planungen Friedrich Wilhelms. Das übersteigerte Herrschaftsverständnis des Königs kommt in einer Briefstelle aus dem Jahr 1844 zum Ausdruck: „Es gibt Dinge, die man nur als König weiß, die ich selbst als Kronprinz nicht gewusst und nun erst als König erfahren habe.“ (S. 25) Dass Friedrich Wilhelm die Verfassung von 1848/50 wieder beseitigen wollte, wird durch neueste Quellen untermauert. Jörg Meiner weist auf die enorme Zahl von Zeichnungen des Königs hin, die heute noch erhalten sind: Von den 4300 Blatt stellt er ein Dutzend etwas näher vor. Eva Börsch-Supan geht in ihrem Vortrag auf drei große Bauvorhaben Friedrich Wilhelms ein: den Plan zum Bau eines (protestantischen) Doms auf der Spreeinsel, der den (katholischen) Kölner Dom replizieren sollte; zum Bau einer Kapelle des Berliner Schlosses und zur Planung eines Forums auf den Spreeinseln, die das Forum Romanum nachahmen sollte. Von allen drei Vorhaben wurde nur das Neue Museum als Teil des Forums verwirklicht (1855). Rolf H. Johannsen bespricht gleichfalls Bauplanungen, die nie Wirklichkeit geworden sind: den Plan, ein Schloss Belriguardo und ein Friedrichsdenkmal in Potsdam zu errichten; diese Pläne mussten wegen der Revolution von 1848 zu Grabe getragen werden. Jan Werquet führt aus Berlin heraus und behandelt die vielen Bau- und Restaurierungsprojekte in der rheinischen Kulturlandschaft, darunter den Wiederaufbau der Zisterzienserabtei Altenberg, die 1842 begonnene Vollendung des Kölner Doms und die Wiederherstellung der Trierer Konstantinbasilika. Andreas Meineke widmet sich der Wiederherstellung oder Vollendung von bedeutenden Baudenkmälern unter anderem in Breslau (Schloss), Havelberg (Dom) und Lehnin (Klosterkirche). Jan Andres untersucht einige Gedichtbeispiele, die bei den Huldigungszeremonien anlässlich der Thronbesteigung am 10. September in Königsberg und am 15. Oktober 1840 in Berlin gedruckt wurden; ein paar platte Verse von Unbekannt und ein anspruchsvolleres Poem von Ludwig Tieck. Rolf Thomas Senn geht auf die Beziehungen des Königs zu Tieck („Der Gestiefelte Kater“) und Bettina von Arnim ein und weist (leider sehr kurz) auf die Anfang der 1840er-Jahre einsetzende Flut von Karikaturen hin, die den König aufs Korn nahmen. Am Schluss geht Peter Betthausen auf das in früher Kindheit schon ausgeprägte Zeichentalent Friedrich Wilhelms ein und auf die vielen Zeichenlehrer, die – vergebens – den Drang des Kindes zum Zeichnen in geordnete Bahnen lenken wollten.

Alle Beiträge liefern (auch mit den zahlreichen Abbildungen) vielfältige Anregungen zur Beurteilung dieses seltsamen Königs, der nach Leopold von Ranke „mehr Gemüth [gehabt hat], als der Staat vertragen kann“.1 Da die zahlreichen Skizzen und Entwürfe Friedrich Wilhelms IV. von der Graphischen Sammlung der Schlösserstiftung derzeit online erschlossen werden, steht der Forschung demnächst ein denkbar umfangreiches Material zur Beurteilung der Bauten und Bauvorhaben dieses „ewig zeichnenden Königs“ zur Verfügung.

Anmerkung:
1 Leopold von Ranke, Art. Friedrich Wilhelm IV, in: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 7, Berlin 1877, S. 776.

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