F. Bartenstein: Bis ans Ende der bewohnten Welt

Cover
Titel
Bis ans Ende der bewohnten Welt. Die römische Grenz- und Expansionspolitik in der augusteischen Zeit


Autor(en)
Bartenstein, Felix
Reihe
Quellen und Forschungen zur Antiken Welt 59
Erschienen
München 2014: Herbert Utz Verlag
Anzahl Seiten
217 S.
Preis
€ 49,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Wendt, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Das anzuzeigende Buch beruht auf der Dissertationsschrift von Felix Bartenstein, die 2012 an der Universität Göttingen angenommen wurde. Um es vorweg zu sagen: Ein sicher wichtiges, aber auch vielbehandeltes Thema erfährt mit diesem Buch eine sicher nicht angemessene Behandlung.

Nach einer zweiseitigen Einleitung, die das Ziel der Untersuchung vorstellt – in diesem Fall die Neubewertung der „augusteischen Grenz- und Expansionspolitik“, dem Autor zufolge in „ihren Grundzügen und ihren Facetten, die sich komplexer darstellen als es allgemeinere und umfassendere Theorien suggerieren“ (S. 7) –, und einer nochmals knapp zweiseitigen „Einführung“, die den Forschungsstand sichern soll, widmet sich Bartenstein zunächst dem Arabienfeldzug des Aelius Gallus (Kapitel III, S. 11–70). Die Seiten 11–44 gehören der Darstellung der lokalen Verhältnisse, bevor der Feldzug selbst rekonstruiert wird. Die überwiegend deskriptiv gehaltene Behandlung – auch verwandter Operationen wie des bellum Aethiopicum (S. 54–61) – mündet in die leider wenig angebundene Aussage, die Hintergründe des militärischen Engagements seien nicht in der Sicherung von Handelsrouten zu sehen, sondern (mit Christian Marek1) als eine Schwächung eines parthischen Vasallen zu werten.

Kapitel IV (S. 71–127) setzt sich mit den hispanischen Feldzügen unter Augustus auseinander. Zunächst der erneut deskriptive Abriss der römisch-iberischen Beziehungen: Dieser ist offensichtlich sehr eng an die Ausführungen von Curchin2 angelehnt (der von Bartenstein durchgehend als „Churchin“ aufgenommen ist, was angesichts der Häufigkeit der Benutzung nicht als lässlicher Flüchtigkeitsfehler gelten kann; zudem sind viele Passagen auch in Aufbau und Formulierung der englischen Vorlage recht verwandt; diese unschöne Tendenz wird auch deutlich, wenn Bartenstein den Curchinschen Begriff pax Gracchana für den Vertrag mit den Keltiberern von 179/8 v.Chr.3 übernimmt und behauptet: „Diese Ordnung ging als pax Gracchana in die Geschichte ein.“, S. 76). Zu Augustus‘ Initiativen kommt Bartenstein dementsprechend erst auf der zwölften Seite des Kapitels, und zunächst widmet er sich erneut den Verhältnissen auf der Iberischen Halbinsel, wobei nicht klar wird, weshalb etwa die Triumphatoren der Jahre 38–27 aufgelistet werden (S. 84–87); nach 18 von 57 Seiten also wendet sich Bartenstein dem Versprochenen zu. Jedoch paraphrasiert er zunächst die Berichte der zentralen Quellen, die er dann zu einem „Gesamtbild“ kombinieren will. Die ereignisgeschichtliche Rekonstruktion steht im Mittelpunkt der folgenden Darstellung und stützt sich vornehmlich auf Beiträge von Eduardo Peralta Labrador, die Interpretation gerät erneut kurz, die strategische Zielsetzung der Initiative wird knapp anhand der Arae Sestianae diskutiert und so lapidar wie konventionell in einen größeren Kontext, nämlich Augustus‘ Bewährung als Feldherr, eingeordnet.

Der Mehrwert des Germanien-Kapitels (S. 128–176) erschließt sich nicht, weder in der Aussage noch in der Literaturverarbeitung. Widersprüche und Fehler sind häufig anzutreffen (siehe allein S. 132f. zu Caesars Rheinübergängen, in atemraubender Dichte behandelt, dabei etwa die Ubier als bereits linksrheinisch lokalisiert, die Tenkterer als romfreundlich eingestuft, die aber dennoch stets die linksrheinischen Stämme bedrohten, die Treverer als rechtsrheinisch benannt etc.) – dies würde bei einer eigenständigen Position kaum ins Gewicht fallen; beschränkt sich der Autor allerdings auf die bloße Nachzeichnung ohne eigene Akzentuierung, ist die Basis doch etwas löchrig. Was Kapitel wie V.6 „Die Rückkehr des Tiberius an den Rhein“ (S. 170), das aus zwei Quellenzitaten mit knappster Einleitung besteht, dem Leser bedeuten sollen, bleibt rätselhaft und lässt im mindesten den Wunsch nach einer Schlussredaktion legitim erscheinen.
Zur allgemeinen Struktur: Die Einteilung der behandelten Initiativen in „augusteische Feldzüge“ in Spanien (hier stimmen die Kapitelüberschriften nicht mit der Gliederung überein), die offenbar die unter Augustus‘ direkter Führung organisierten Operationen kennzeichnen, und „augusteische Feldzüge“ in Germanien, die unter des Princeps Auspizien geführt wurden, während die Initiativen unter Gallus wiederum ausgegliedert werden, verwirrt und erweckt nicht den systematischsten Eindruck – was für Bartenstein nun „augusteisch“ ist und was nicht (und vor allem: weshalb), wird nicht klar.

Der Wortgebrauch wirkt zum Teil eigenartig – der Feldzug des Aelius Gallus wird abschließend als „begrenzt angelegter Vorstoß in den vermeintlich weichen Unterleib des Partherreiches“ gewertet (S. 66; alle Bergfesten werden „geschliffen“, S. 96; Ovid wurde „aus umstrittenen und mancherorts mysteriösen Gründen von Augustus exiliert“, S. 7; Kriegsschauplätze „akkumulieren inhaltliche Komponenten durch Truppenverlegungen“, S. 11; dies einige Beispiele aus einem beachtlichen Reservoir) – und hinterlässt den Eindruck einer an ihre Grenzen gestoßenen Durchsicht. Bereits die ersten Seiten sind logisch teilweise inkohärent, grammatische und orthographische Fehler prägen das Bild, extensive Zitate und allgemeine Erläuterungen in den Fußnoten stehen lapidaren, verkürzten, aufeinander selten bezogenen Aussagen im Fließtext gegenüber (ein wirklich beredtes Beispiel ist die Charakterisierung der Res gestae in Anmerkung 20; später siehe etwa Anmerkung 257 über zwei Seiten mit gereihten Zitaten von Properz, Ovid und Vergil).

Das Werk lässt den Rezensenten ratlos zurück. Sicherlich können Themeneinsteiger von der Materialzusammenstellung profitieren, doch ein Lehrbuch soll das Werk nicht sein. Die Durchführung der Untersuchung ist wenig nachvollziehbar, ein tatsächlich entwickeltes Ergebnis nicht erkennbar. Zumeist werden Quellenparaphrasen oder äußerst verkürzte Forschungsstandberichte daraus rasch abgeleiteten Aussagen des Autors vorgeschaltet, eingehende Diskussionen sucht man mehrheitlich vergebens, und auch die eigenen Positionierungen des Autors wirken reichlich harmlos. Dass über die Fragen, welches überhaupt die Grenzen des Imperium Romanum gewesen seien, nicht einmal nachgedacht worden zu sein scheint, und vor allem, dass ein Konzept nicht zwingend stets regional gleichförmig sein muss, um dennoch Teil einer politischen Konzeption zu sein (so ist wohl der Schlusssatz zu verstehen, der das Ergebnis wie folgt formuliert, S. 180: „Eine augusteische Grenz- und Expansionspolitik hat es so sicherlich nicht gegeben: die unterschiedlichen Grenzregionen und die militärischen Aktionen des Augustus wurden immer innerhalb ihrer jeweiligen Situation betrachtet und flexibel den Erfordernissen der jeweiligen Zeit angepasst.“), spricht für eine nicht zwingend überzeugende Reflexion der heuristischen Fundamente dieser Arbeit. Dies gilt insbesondere, wenn die Wahl des Titels wie auch die in der Einleitung dargelegten Ambitionen erheblich mehr suggerieren, als die Untersuchung leisten kann.

Anmerkungen:
1 Christian Marek, Die Expedition des Aelius Gallus nach Arabien im Jahre 25 v.Chr., in: Chiron 23 (1993), S. 121–156.
2 Leonard A. Curchin, Roman Spain. Conquest and Assimilation, London / New York 1991.
3 ebenda, S. 33 – pax Gracchana ist eine Zuspitzung von Curchin; als terminus technicus ist die Junktur dem Rezensenten nicht bekannt.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension