Ph. Kay: Rome’s Economic Revolution

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Titel
Rome’s Economic Revolution.


Autor(en)
Kay, Philip
Reihe
Oxford Studies on the Roman Economy
Erschienen
Anzahl Seiten
XV, 384 S.
Preis
£80.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, Universität Bielefeld

Die Römische Republik unter dem Paradigma der Ökonomie zu analysieren, war trotz aller post-Finleyschen Bewegung und Aktivität in der Antiken Ökonomie in der letzten Dekade keine wirkliche Option. Zwar wurden ökonomische Sachverhalte, etwa bei den Gracchischen Agrarreformen, des Öfteren in die Betrachtungen mit einbezogen; diese standen aber stets unter dem Primat politisch-sozialer oder auch kulturell-mentalitätsgeschichtlicher Fragestellungen, mit denen man vornehmlich der letzten beiden vorchristlichen Jahrhunderte Herr zu werden glaubte.

Diesen Blickwinkel ändert die vorliegende, aus einer Dissertation hervorgegangene Schrift des Supernumerary Fellow am Oxforder Wolfson College und Investmentmanagers Philip Kay radikal. Ganz im Stile der renommierten Reihe „Oxford Studies on the Roman Economy“ mit deren interdisziplinären wie quantifizierenden Ansätzen zur Erfassung und Interpretation ökonomischer Daten untersucht Kay die Effekte der außenpolitischen Expansion Roms im 3. und 2. vorchristlichen Jahrhundert auf die römische Geldwirtschaft und die weiteren Folgewirkungen sowohl auf die Ökonomie als auch auf politischer, rechtlicher, sozialer und kultureller Ebene. Mit dieser gleichsamen Umkehrung der Vorzeichen gelangt er zu faszinierenden und diskussionswürdigen Ergebnissen, welche die vielfach erforschte, aber immer neu erklärungsbedürftige Spätphase der Römischen Republik einmal nicht als Niedergangsepoche, sondern als letztlich ökonomische Erfolgsgeschichte mit vielfältigen Transformationen charakterisieren und damit die alte Gewissheit einer „Krise ohne Alternative“ wenigstens in Teilen aufbrechen.

In seiner kurzen Einleitung (S. 1–7) hält sich Kay nicht mit den mannigfaltigen Debatten um den Charakter der antiken Wirtschaft(en) und neuere Theoriemodelle – etwa der Neuen Institutionen-Ökonomie (NIÖ) – auf, sondern legt präzise seine Fragestellung nach den Wandlungsprozessen der römischen Wirtschaft vom 3. bis ins 1. Jahrhundert v.Chr. sowie seine Methodik dar: den starken Einbezug archäologischer, numismatischer, epigraphischer Erkenntnisse als eine Ergänzung des literarischen Grundgerüstes und den Versuch quantifizierend-statistischer Analysetechniken.

Die drei folgenden Teile mit insgesamt zehn Unterkapiteln durchmessen sodann die ökonomische Entwicklung Roms seit dem Ende des Zweiten Punischen Krieges (S. 9–18), indem zunächst die Quellen der aufkommenden Geldwirtschaft (S. 19–83), sodann die Ausbreitung derselben im römischen Herrschaftsgebiet (S. 85–128) und zuletzt die Interdependenzen etwa mit Entwicklungen in der Landwirtschaft, den Handelsbeziehungen oder dem Kreditwesen (S. 129–265) erörtert werden. In einem vierten, wohl dem spekulativsten Teil der Arbeit (S. 267–325) versucht sich Kay dann an Quantifizierungen, etwa der Berechnung der Bevölkerungsentwicklung, der Geldversorgung oder des Bruttoinlandsproduktes, bevor er seine Hauptthesen in einem kurzen Abschlusskapitel (S. 327–334) noch einmal komprimiert präsentiert. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis – durchaus mit Einbezug von Arbeiten außerhalb des anglo-amerikanischen Wissenschaftsmarktes – sowie ein Quellenindex und Stichwortregister runden den Band ab.

Kay zeigt im ersten Teil auf, dass Rom auch im 3. Jahrhundert v.Chr. kein ökonomischer Nobody war: Die nachzuweisenden Bautätigkeiten, etwa die Aqua Appia oder die Aqua Anio Vetus, oder die vieldiskutierte lex Claudia de nave senatorum von 218 v.Chr. erweisen für ihn deutlich die wirtschaftliche Verflechtung Roms im mediterranen Raum. Den eigentlichen ökonomischen Quantensprung sieht er allerdings mit dem Ende des Zweiten Punischen Krieges gekommen: Durch das massenhafte Einströmen von Gold und vor allem Silber als Edelmetall aufgrund der zum großen Teil literarisch überlieferten Reparationszahlungen der Kriegsgegner, der nur ansatzweise schätzbaren Kriegsbeute, der literarisch wie archäologisch-biologisch (insbesondere durch Bleiverschmutzungsraten) fassbaren Ausbeutung der (spanischen) Bergwerke und der nach und nach aufgenommenen monetären Besteuerung der Provinzialen sei eine enorme Geldmenge in den Wirtschaftskreislauf gekommen. Minutiös trägt Kay hierfür die Belege zusammen, unterscheidet strikt zwischen tatsächlich überlieferten Zahlen und modernen Schätzungen und diskutiert hier wie andernorts nicht nur die quantitas, sondern auch die qualitas der antiken Belege, besonders die geglätteten Zahlenangaben sowie die heutigen Schätzungsmethoden, so dass die Zahlen einigermaßen belastbar und wenigstens von der Tendenz her richtig erscheinen.

Als Folge dieses massiven Einströmens von Edelmetall konstatiert Kay – ausgehend von den numismatischen Untersuchungen der Hortfunde – eine höhere Münzproduktion sowie Monetarisierung, die zudem in einem einigermaßen geschlossenen Wirtschaftsgebiet ohne größere Abflüsse von Geldmengen vor allem in den Osten des Mittelmeerraumes stattgefunden habe. Diese Beobachtung, die durch die neueren Untersuchungen zum Münzumlauf in der Römischen Republik von Fleur Kemmers sicherlich noch zeitlich wie räumlich differenzierter zu betrachten sein wird1, verknüpft er geschickt mit der Frage, ob sich dieser Geldzuwachs in Inflation oder vermehrter ökonomischer Aktivität niedergeschlagen habe. Kay plädiert für Letzteres, da die, zugegebenermaßen wenigen Belege für Preise in dieser Zeit nur eine moderate Inflation für normale Produkte vermuten ließen, hingegen es nachweislich eine enorme Bautätigkeit und eine massive Einfuhr teurer Luxusartikeln gegeben habe. Indem er zusätzlich noch einmal mit dem alten Vorurteil aufräumt, dass die Antike kein funktionierendes Bankenwesen mit Kreditvergabe und bargeldlosen Zahlungsverkehr gekannt habe, kann er eine zusätzliche Vermehrung der Geldmenge konstatieren. Dass das Bankenwesen dabei nicht losgelöst von persönlichen Netzwerken, Freundschaften und Nahbeziehungen funktionierte2 und sich zum Ende der Republik hin nach der Kreditkrise des Jahres 88 v.Chr. und den entsprechenden einhegenden Gesetzen sogar wieder stärker an diesen Faktoren und auf geringerem Level orientierte, macht Kay ebenfalls deutlich. Wenn er dann das Auf und Ab in der Geldmenge als wesentlichen Einflussfaktor bei politischen Entscheidungen – etwa dem zeitweisen Schließen der Bergwerke in Makedonien nach dem Dritten Makedonischen Krieg – deutet, stellt dies die wissenschaftliche Diskussion auf eine neue Grundlage, ohne dass man Kay mit seiner ökonomischen Betrachtungsweise in allen Details folgen mag.

Anregend sind dann seine Einblicke in die Wirkungen dieses ökonomischen Wachstums: Detailliert und differenziert erläutert er die sogenannte Agrarkrise des 2. Jahrhunderts v.Chr., indem er die neueren archäologischen Feldforschungen über Parzellengrößen mit der verstreuten literarischen wie inschriftlichen Überlieferung zusammenbringt. So kann er einleuchtend darlegen, dass die intensivierte großflächige Landwirtschaft auf Latifundien im Wesentlichen auf das Umland von Rom und das westliche Zentralitalien beschränkt blieb, während im restlichen Italien durchaus der Kleinbauer noch sein Auskommen hatte, wobei letztlich die schrittweise Privatisierung des Landes, die vor allem in juristischen Quellen aufscheint, stets auf Kosten der lokalen einheimischen Bevölkerung erfolgte. Hiermit offenbart er exemplarisch, mit welcher interdisziplinären Methodik eine Gesamtstudie zu den Agrargesetzen der Römischen Republik arbeiten müsste, die nach wie vor ein Forschungsdesiderat darstellt.

Das Aufkommen entsprechender Lehrwerke zur Landwirtschaft, allen voran natürlich Catos de agri cultura, bringt Kay im Folgenden zu Recht mit der technischen Innovation und der Ausweitung der Handelsmärkte in Verbindung. Er kann zugleich verdeutlichen, dass sich diese landwirtschaftliche Betätigung auch in Finanzinvestments niederschlug.3 Die vermehrten Fernhandelswarenströme macht Kay darauf am Freihandelshafen Delos mit einer Untersuchung der dort verhandelten Waren wie der versammelten großen römischen Händler-Community fest. Schließlich analysiert er in extenso die Zusammenhänge zwischen außenpolitischen Krisensituationen, etwa im Zuge der Mithridatischen Kriege, und der Entwicklung der inneren Kreditwirtschaft in der sogenannten Kreditkrise des Jahres 88 v.Chr.

Weitgehend spekulativ und auf unsicherer, da zum Teil auf Annahmen von Annahmen fußender Grundlage sind dann seine Berechnungen des Bruttoinlandsproduktes und des Pro-Kopf-Wachstums während der beiden letzten Jahrhunderte der Römischen Republik. Dessen ist sich der Autor gewahr, möchte allerdings in der Tendenz den Zahlen Bedeutung und Erklärungskraft zumessen. Da diese Statistik-Euphorie allerdings keinen Einfluss auf die anderen, substantiellen Ergebnisse der Studie hat, sondern der insgesamt gut untermauerten These eines wirtschaftlichen Wachstums mit vielfältigen Transformationsprozessen auch am Ende der Römischen Republik in Zahlen Ausdruck verleihen möchte, kann das Werk uneingeschränkt zur Nutzung und zum weiteren Nachdenken über die ökonomischen Einflüsse auf die Entscheidungen und Entwicklungen in der Römischen Republik genutzt werden.

Anmerkungen:
1 Vgl. das DFG-Forschungsprojekt „Münzen und die Dynamik der Macht: Der westliche Mittelmeerraum 500 – 100 v. Chr.“ (<http://www.uni-frankfurt.de/47219502/muenzen_dynamik_macht>) (05.07.2014). Siehe ebenso bald den angekündigten Tagungsband zum Abschluss des DFG-Projektes „Die Bedeutung der Stempelstellung für die Interpretation römisch-republikanischer Münzen“. Auf der Tagung „Neue Forschungen zur Münzprägung der Römischen Republik“ wurden Geldkreisumläufe, Monetarisierung usw. intensiv diskutiert, vgl. das Tagungsprogramm auf H-Soz-u-Kult: <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=24965> (05.07.2014).
2 Vgl. dazu auch die Arbeiten von Christian Rollinger, Solvendi sunt nummi. Die Schuldenkultur der Späten Römischen Republik im Spiegel der Schriften Ciceros, Berlin 2009; Zur Bedeutung von amicitia und Netzwerken für das Finanzwesen der Späten Republik, in: Sven Günther (Hrsg.), Ordnungsrahmen antiker Ökonomien. Ordnungskonzepte und Steuerungsmechanismen antiker Wirtschaftssysteme im Vergleich, Wiesbaden 2012, S. 111–126.
3 Vgl. dazu von deutschsprachiger Seite auch die Arbeiten von Ulrich Fellmeth, vor allem: „Eine wohlhabende Stadt sei nahe …“ Die Standortfaktoren in der römischen Agrarökonomie im Zusammenhang mit den Verkehrs- und Raumordnungsstrukturen im römischen Italien, St. Katharinen 2002; gut und komprimiert nachzuvollziehen in: ders., Pecunia non olet. Die Wirtschaft der antiken Welt, Darmstadt 2008, S. 80–119 (Römische Republik), bes. S. 110–119 (Agrarschriftsteller).

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