J. den Boeft u.a.: Commentary on Ammianus Marcellinus XXIX

Cover
Titel
Philological and Historical Commentary on Ammianus Marcellinus XXIX.


Autor(en)
Boeft, Jan den; Drijvers, Jan Willem; Hengst, Daniël den; Teitler, Hans Carel
Reihe
Philological and Historical Commentary on Ammianus Marcellinus 10
Erschienen
Anzahl Seiten
XXI, 301 S.
Preis
€ 125,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

„Whereas Book 28 is the most Roman book of the Res Gestae, with half of its pages devoted to events in Rome, the present book only contains a brief description of the term of office of one praefectus urbi“ (S. IX). Mit dem einleitenden Satz des aktuellsten der Kommentarbände zum Werk des Ammianus Marcellinus ist Buch 29 bereits treffend charakterisiert: Die ersten beiden Kapitel des 29. Buches behandeln nach einem kurzen Bericht über die römisch-persischen Auseinandersetzungen ausführlich die Verschwörung gegen Valens um Theodorus und die folgende Prozesswelle sowie in einem kurzen Epilog die Tätigkeit des Fest(in)us in Syrien und in der Provinz Asia. Im dritten Kapitel wird das Wüten des Prätorianerpräfekten Maximinus und Valentinians in Gallien geschildert. Das vierte Kapitel berichtet über einen erfolglosen Versuch, den Alamannenkönig Macrianus gefangen zu nehmen. Bei dem besonders umfangreichen fünften Kapitel handelt es sich um die Darstellung des Aufstandes des maurischen Häuptlings Firmus. Die Themen des sechsten und letzten Kapitels sind Valentinian und die Quaden, Theodosius und die Sarmaten sowie eine Tiberüberschwemmung in Rom.

Der Aufbau dieses Kommentarbandes der niederländischen Forschergruppe entspricht dem seiner Vorgänger. Einleitend finden sich ein Vorwort (S. VII), eine Einführung (S. IX–XII), Ausführungen zur Chronologie (S. XIII–XVIII) sowie einige Hinweise zur Benutzung (S. XIX–XXI). Den Hauptteil macht der Kommentar (S. 1–250) aus, gefolgt von Bibliographie (S. 251–269), Indices (S. 271–298) und Kartenmaterial (S. 299–301). Der Kommentar präsentiert zahlreiche interessante Einzelergebnisse zu den Detailfragen des Buches 29, von denen lediglich einige genannt seien: Entgegen der Annahme Češkas ist Heliodorus (und nicht dessen anonymer Informant) der Eunuch und cubiculariis officiis praepositus des Valens (S. 85–87). Das überhaupt nur in res gestae 29,2,22 in der lateinischen Literatur nachweisbare Wort contogatus meint nicht den mit der toga virilis bekleideten Bürger, sondern denjenigen, der (als solcher) die Toga des Advokaten trägt (S. 107). Der in res gestae 29,2,22 erwähnte Beamte Fest(in)us ist wohl mit dem Breviator identisch (S. 108). Die Erhebung des Firmus sei nicht als Usurpation anzusehen, da er hauptsächlich von mauretanischen Stämmen unterstützt worden sei und die Revolte einen deutlichen regionalen Charakter aufweise (S. 150). Von diesen Thesen sind nach Ansicht des Rezensenten insbesondere die ersten beiden plausibel. Hingewiesen sei zudem noch auf die Diskussion der Chronologie des Firmusaufstandes (S. XVf. und 149f.).

Die zitierte Literatur ist für gewöhnlich aktuell und der Kommentar somit stets auf dem Stand der gegenwärtigen Forschung. Nur an wenigen Stellen ließen sich Beiträge aus den letzten Jahren nachtragen.1 Auch die möglichen Ergänzungen aus der älteren Forschung halten sich in Grenzen, hier könnten einige historische Arbeiten zur Regierung Valentinians und insbesondere zum Firmusaufstand2 sowie einige philologische und textkritische Beiträge zu Buch 29 ergänzt werden.3 Einige kleinere Versehen sind zu korrigieren: Der S. 66 zitierte Artikel I 401 aus der Suda zu Kaiser Jovian wird für gewöhnlich als ein Fragment aus den Historien des Eunapios (Frg. 29,1 Blockley) angesehen, zudem wird der Brand der Bibliothek in Antiochia auch bei Johannes Antiochenus (Frg. 206 Mariev) berichtet. Der Kurztitel „Weijenborg, 1975“ (S. 134) ist im Literaturverzeichnis (siehe S. 269) nicht aufgelöst.4 Die S. 150 herangezogene Angabe aus der Vita des Firmus der Historia Augusta taucht im Quellenregister (siehe S. 290) nicht auf.5 Im Literaturverzeichnis ist S. 263 bei Nixon im Titel „364“ statt „363“ und S. 266 „Santos Yanguas“ statt „Santos Annguas“ zu lesen. Die Dissertation von Glanville Downey zu den comites Orientis und den consulares Syriae stammt aus dem Jahr 1934; die Angabe 1939 (S. 255) ist aber insofern korrekt, als in diesem Jahr ein knapper Auszug aus dieser Arbeit veröffentlicht wurde. Da die Online-Zeitschrift Histos kürzlich rückwirkend für alle Ausgaben eine durchgehende Paginierung eingeführt hat, ließe sich bei Seagers Aufsatz (S. 266) noch die Angabe „S. 1–12“ ergänzen.

Die genannten Details – von denen insbesondere die Literaturaddenda nicht als Kritik an der Leistung der Kommentatoren, sondern als zusätzliche Hilfestellung für den Forscher verstanden werden wollen – ändern jedoch nichts daran, dass dieser Kommentarband wie schon seine Vorgänger eine hervorragende Leistung darstellt, die sowohl auf philologischer als auch auf historischer Ebene einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Werkes des Ammianus Marcellinus darstellt. Das ausgesprochen nützliche Werk ist somit seinen stolzen Preis durchaus wert. Es bleibt zu hoffen, dass die niederländischen Kommentatoren die Fachwelt nicht zu lange auf die zwei verbleibenden Bände zu den Büchern 30 und 31 warten lassen.

Anmerkungen:
1 So fehlt Éric Fournier, Les procès d’Antioche de 371/2 (Ammien Marcellin 29.1-2), in: Hirundo 2 (2002), S. 19–36. S. 6 wäre zum Friedensvertrag von 363 noch hinzuzufügen: Karin Mosig-Walburg, Römer und Perser vom 3. Jahrhundert bis zum Jahr 363 n. Chr., Gutenberg 2009, S. 305–324. Über die Verwendung von exempla bei Ammianus (S. 102) handelt jetzt auch Barbara Scardigli, Überlegungen zu Gestalten der römischen Republik in Ammianus Marcellinus, in: Anabases 12 (2010), S. 149–161. Zum Usurpator Procopius (S. 128) zudem Stefano Conti, Consenso militare, popolare e religioso alla rivolta procopiana (365–366 d.C.), in: Maia 63 (2011), S. 310–318. Mit der spätantiken Akklamation (S. 182) befasst sich auch Hans-Ulrich Wiemer, Voces populi. Akklamationen als Surrogat politischer Partizipation, in: Egon Flaig (Hrsg.), Genesis und Dynamiken der Mehrheitsentscheidung, München 2013, S. 173–202.
2 Alexander Demandt, Die afrikanischen Unruhen unter Valentinian, in: Hans-Joachim Diesner (Hrsg.), Afrika und Rom in der Antike, Halle 1968, S. 277–292; Alexander Demandt, Die tripolitanischen Wirren unter Valentinian I., in: Byzantion 38 (1968), S. 333–363 (zur Vorgeschichte des Firmusaufstandes); Wilhelm Ensslin, Carpentum oder Carruca?, in: Klio 32/N.F. 14 (1939), S. 89–105 (S. 92f. zum iudicali carpento in 29,6,7); Elfrieda Frank, Symbolic imagery in Ammianus Marcellinus, in: Classical Bulletin 42 (1966), S. 46f. (zu 29,1,33 und 29,2,20); Tadeusz Kotula, Trois bouleversements. La révolte de Firmus, la révolte de Gildon, l’usurpation d’Héraclien et le problème de la crise politique de l’Afrique romaine, in: Eugeniusz Konik (Hrsg.), 1500-lecie upadku cesarstwa zachodniorzymskiego, Wrocław 1979, S. 35–42; Denis Lengrand, L’inscription de Petra et la révolte de Firmus, in: Bulletin archéologique du comité des travaux historiques et scientifiques, série B: Afrique du Nord 23 (1990–1992), S. 159–170; John F. Matthews, Symmachus and the magister militum Theodosius, in: Historia 20 (1971), S. 122–128 (zum Firmusaufstand); M. Moreau, La guerre de Firmus (373–375), in: Revue d’histoire et de civilisation du Maghreb 10 (1973), S. 21–36; I. G. Nagy, Bemerkungen zur Deutung der Stelle SHA Vita Marci 14, in: Acta antiqua academiae scientiarum Hungaricae 16 (1968), S. 343–350 (zu 29,6,1); Roger Pack, St. Peter in Ammianus?, in: Harvard Theological Review 47 (1954), S. 319–321 (zu 29,2,17).
3 Mögliche Ergänzungen: Cornelius Brakman, Ammianea et Annaeana, Leiden 1909, S. 16–18; Cornelius Brakman, Ammianea, in: Mnemosyne N.S. 47 (1919), S. 100–110 (S. 110 zu 29,5,7); Otto Crusius, Ein griechisches Sprichwort bei Ammian, in: Philologus 53/N.F. 7 (1894), S. 322 (zu 29,2,25); Geoffrey B. A. Fletcher, Notes on Ammianus Marcellinus, in: Classical Quarterly 24 (1930), S. 193–197 (S. 196f.); Otto Günther, Quaestiones Ammianeae criticae, Diss. Göttingen 1888 (S. 54–56); Moriz Haupt, Specimen emendationum Ammiani Marcellini, Berlin 1868 (S. 19f. zu 29,1,33); Martin Hertz, Zu Ammianus Marcellinus, in: Rheinisches Museum für Philologie 29 (1874), S. 511 (zu contogatus bei 29,2,22); Einar Löfstedt, Ammianea, in: Eranos 7 (1907), S. 131–142 (S. 141f. zu 29,5,15); Evan L. B. Meurig-Davies, Notes on Ammianus Marcellinus, in: Classica et Mediaevalia 10 (1948); S. 182–194 (S. 191f. zu 29,3,8 u. 29,5,30); Evan L. B. Meurig-Davies, Notes on Ammianus Marcellinus, in: Classical Quarterly 42 (1948), S. 7–9 (S. 8f. zu 29,5,23 u. 29,6,11); Michael Petschenig, Bemerkungen zum Texte der drei letzten Bücher Ammians, in: Commentationes Woelfflinianae, Leipzig 1891, S. 37–42 (S. 39f.); John C. Rolfe, Some notes on Ammianus Marcellinus; in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 70 (1939); S. 342–351 (S. 348 zu 29,3,5 und 29,5,12); Paul Schröder, Bentley’s Handexemplar des Ammianus Marcellinus, in: Rheinisches Museum für Philologie 35 (1880), S. 336–349 (S. 347); Fritz Walter, Zu Ammianus Marcellinus, in: Berliner Philologische Wochenschrift 40 (1920), Sp. 715–718 (Sp. 717 zu 29,2,12); Fritz Walter, Zu Ammianus Marcellinus, in: Philologus 88/N.F. 42 (1933), S. 476–477 (S. 476 zu 29,4,2); Zu Ammianus Marcellinus, in: Philologus 90/N.F. 44 (1935), S. 127–128 (S. 128 zu 29,3,7).
4 Dabei handelt es sich um Reinhold Weijenborg, Zum Text und zur Deutung von Ammianus, Römische Geschichte 29,3,9, in: Klio 57 (1975), S. 241–247.
5 Siehe zur möglichen Vorbildfunktion des Firmus-Aufstandes auf diese Vita neben den S. 150f. genannten Titeln noch Gabriele Marasco, Un lapsus nella Historia Augusta e la biografia di Firmo, in: Rheinisches Museum für Philologie 140 (1997), S. 400–411.

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