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Titel
Ludwig IV. – der Bayer. Herzog, König, Kaiser


Autor(en)
Clauss, Martin
Reihe
kleine bayerische biographien
Erschienen
Regensburg 2014: Pustet
Anzahl Seiten
ca. 144 S., ca. 20 Abb.
Preis
€ 12,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kathrin Steinhauer, Historisches Institut, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen

„Ludwig wer? Eine Einführung.“ Mit diesem Kapitel beginnt Martin Clauss‘ Biographie zu Ludwig IV. in der Reihe „kleine bayerische biografien“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, bekannte und weniger bekannte bayerische Persönlichkeiten kurz und prägnant, doch auf wissenschaftlich fundierter Basis einer breiten Leserschaft vorzustellen. Clauss hat sich dieser Herausforderung in Anlehnung an das 700-jährige Jubiläum des 1314 zum König gewählten Wittelsbachers und aus Anlass der diesjährigen bayerischen Landesausstellung in Regensburg „Ludwig der Bayer. Wir sind Kaiser“ angenommen. Auf gut 140 Seiten hat der Autor eine umfassende, flüssig lesbare Darstellung zur Person und Herrschaft Ludwigs IV. verfasst. Es war ein durchaus schwieriges Unterfangen, wie Clauss in der Einleitung konstatiert, hat doch Ludwig IV. unter seinen Zeitgenossen und auch in der aktuellen Forschung1 eine kontroverse Beurteilung erfahren.

Die Polarität Ludwigs IV. zeigt sich bereits in seinem Beinamen Bawarus: Im 14. Jahrhundert zunächst als abwertendes, jegliche Art von Herrschaftsansprüchen negierendes Schimpfwort päpstlicherseits gewählt, änderte sich die Konnotation zu einer positiven im Sinne eines „landsmannschaftliche[n] Zusammenhalt[s]“ (S. 8). Auch heute ist die ambivalente Haltung gegenüber dem ersten und einzigen Kaiser aus dem Hause Wittelsbach noch unverkennbar. Während 1782 Papst Pius VI. bei einem Besuch der Liebfrauenkirche in München das Grab des exkommunizierten Kaisers keines Blickes würdigte, formierte sich Anfang der 1970er-Jahre der Schützenverein „Ludwig der Bayer“ im „Erinnerungsort“ Gammelsdorf neu (S. 7).

Das Ziel der vorliegenden Darstellung ist daher nicht, „Partei zu ergreifen, sondern historische und moderne Wertungen zu kontextualisieren“ (S. 8). Die Biographie beleuchtet in insgesamt zehn Kapiteln Ludwig den Bayern als Menschen und Herzog wie auch als König und Kaiser im Spiegel europäischer Mächte und des sich durch alle Phasen der Herrschaft ziehenden Konflikts mit dem avignonesischen Papsttum.

Die von Clauss in der Einleitung benannte Grundproblematik „von Lücken in der geschichtswissenschaftlichen Konstruktion der Vergangenheit“ (S. 10) zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben Ludwigs. Im 2. Kapitel „Ludwig der Mensch“ (S. 12–18) etwa verknüpft der Autor die spärlich überlieferten Aussagen zu Ludwigs Aussehen und – soweit anhand von Quellen rekonstruierbar – zu seinem Charakter mit grundsätzlichen Problemen der Quellenanalyse, indem er aufzeigt, dass sich in solchen attributiven Beschreibungen häufig eine Beurteilung des Handelns oder der Herrschaftsfähigkeit einer Person versteckt und in den Quellen eine „Trennung zwischen Person und Funktion“ (S. 12), wie wir sie heute nur allzu gern für biographische Darstellungen vornehmen, fehlt.

Das folgende Kapitel beleuchtet die jungen Jahre Ludwigs IV. bis zu seiner Königswahl 1314 und legt den Fokus auf die Auseinandersetzung mit seinem älteren Bruder Rudolf I. sowie seinen beiden habsburgischen Neffen Friedrich I. und Leopold I. Sowohl der mit seinem Bruder 1313 eingegangene Hausvertrag über die gemeinsame Regentschaft in Oberbayern als auch die entscheidende Schlacht bei Gammelsdorf, in der sich Ludwig gegenüber seinen Neffen den Zugriff auf Niederbayern sicherte, wertet Clauss als wegweisend für das zukünftige Taktieren Ludwigs als König und Kaiser. Fehlte es ihm doch sonst an gängigen Eigenschaften eines Königsanwärters: „Er entstammte weder einer Königsfamilie, noch war er besonders reich“ (S. 34). Kapitel 4 widmet sich zunächst allgemein den Hintergründen der Doppelwahl von 1314 und dem sich anschließenden langwierigen Kampf Ludwigs mit seinem Gegner Friedrich III., deren Konflikt erst 1325 durch das Münchener Abkommen in einem einvernehmlichen Doppelkönigtum endete. Für dieses verfassungsgeschichtliche Unikum sieht Clauss einen Vorläufer in der auf gemeinsamer Verwaltung und brüderlicher Teilung basierenden wittelsbachischen Herrschaftspraxis. Er betont jedoch auch die strategische Überlegung Ludwigs IV., sich durch den Vertrag „den Rücken frei für Aktionen in Italien" (S. 48) zu halten.

Den weitaus größten Teil der Biographie nimmt der Kampf Ludwigs IV. mit den drei avignonesischen Päpsten Johannes XXII., Benedikt XII. und Clemens VI. ein, der ihn bis zu seinem Tod im Jahre 1347 begleiten und sein gesamtes weiteres Handeln beeinflussen sollte. Auch hier geht der Autor zunächst auf die geschichtlichen Hintergründe der Idoneität eines Königs, der Approbation seitens des Papstes und den eigentlichen Auslöser des Konflikts – das Eingreifen Ludwigs in italienische Belange – ein.

Die folgenden Kapitel veranschaulichen, wie stark politisches Agieren im 14. Jahrhundert von symbolträchtigen Handlungen beeinflusst wurde und dass geschicktes Taktieren nötig war, um die „unterschiedlichen Rechtsauffassungen“ (S. 56) für eigene Zwecke einzusetzen. So bedeutete etwa die Kaiserkrönung für Ludwig 1328 zwar einen enormen Prestigegewinn, nicht nur im Reich, sondern auch auf ‚europäischem‘ Spielfeld, verhärtete jedoch die Fronten zwischen den Protagonisten (S. 68). Das Zusammenspiel der Ereignisse von 1338 – insbesondere die Herrscherinszenierung auf dem Hoftag zu Koblenz (S. 77–80) oder Ludwigs Instrumentalisierung von Kunst (S. 101–104) – verdeutlicht ebenso, dass der Konflikt letztlich ein auf persönlicher Ebene mit den jeweiligen Päpsten ausgetragener Streit war. Ludwig wandte sich hingegen „nicht von der Kirche und dem Papsttum als Institution“ (S. 67) ab: „Bei allem politischen Taktieren stand die heilsvermittelnde Funktion der Kirche außer Zweifel, und der Papst war ihr Oberhaupt“ (S. 108). Dies zeigt sich vor allem in der von Papst Nikolaus V. wiederholten Kaiserkrönung Ludwigs zu Pfingsten 1328: Zuvor hatte dieser die förmliche Absetzung Johannes‘ XXII. betrieben und mit Petrus von Corvaro als Nikolaus V. einen neuen Papst wählen lassen. Wie schnell sich das Blatt wenden konnte, zeigt die Phase der Auseinandersetzung mit Karl IV. und der schwindenden Unterstützung Ludwigs im Reich, die vor allem in der erfolgreichen Hausmachtpolitik des Wittelsbachers gründete und „somit einer erfolgreichen Dynastiebildung auf Reichsebene im Wege“ (S. 114) stand. Hinsichtlich einer Beurteilung des Herrschers führt Clauss verschiedene Parameter an, die es bei einer retrospektiven Betrachtung einer historischen Person zu bedenken gilt. Er macht deutlich, wie schwierig eine eindeutige Urteilsfindung ist, die – wie bereits angeführt – „stets subjektiv und selektiv“ (S. 127) für ihre Zeit steht. Die vorliegende Biographie ist somit eine Darstellung ‚seines’ und weniger des Ludwigs: „Nimmt man nun all diese Kategorien zusammen, erscheint Ludwig besonders in zwei Bereichen erfolgreich: Als König und Kaiser wies er den päpstlichen Approbationsanspruch nachdrücklich zurück – als Herzog trieb er die Intensivierung der Landesherrschaft voran“ (S. 122).

Hilfreich für einen raschen Überblick über die komplexen dynastischen Verhältnisse sind mehrere genealogische und tabellarische Übersichten sowie Einzelabbildungen. Drei historische Karten verdeutlichen die sich jeweils überlagernden familiären und dynastischen Gebietsinteressen (S. 22f., 29, 98f.). Um dem benannten Anspruch der Reihe gerecht zu werden, sind in farblich abgesetzten Kästchen komplexe Hintergrundaspekte bzw. geschichtswissenschaftliche Fachtermini anschaulich erklärt. Clauss bezieht sich in seinen Darlegungen im Wesentlichen auf die „leicht zugänglichen deutschen Übersetzungen“ (S. 133) der Quellen, ohne – zumindest in den Fußnoten – Teilzitate anzuführen. Hinsichtlich des Zuschnitts und Adressatenkreises der Biographie ist dies sicherlich gerechtfertigt, angesichts etwa der agonalen Formulierungen, die Ludwig IV. und Johannes XXII. in ihren Schriften wählten, zugleich bedauerlich, da diese in ihrem originalen Wortlaut besondere Schärfe aufweisen. Dass die Anmerkungen zudem ans Buchende verbannt werden, ist vermutlich den Vorgaben des Verlags geschuldet und unterstreicht, dass der Band an ein breites Publikum gerichtet ist. Clauss selbst fügt einschränkend hinzu, dass die 2014 erschienene Literatur nicht in vollem Umfang berücksichtigt und „aus Platzgründen […] nicht alle Arbeiten aufgelistet“ (S. 133) werden konnten. Die in den Text eingestreuten Rückgriffe auf Aussagen namhafter Historiker zu Ludwig IV. verdeutlichen jedoch den erwähnten Anspruch einer Kontextualisierung aktueller Forschungsmeinungen.

Insgesamt wird Clauss seinem Anspruch gerecht: Er bietet mit der Kurzbiographie ein umfassendes und informatives Bild über Ludwig IV., das auf modernem Forschungsstand einen schnellen Zugriff auf die Gestalt und einen breiten Überblick über die Komplexität seiner Herrschaft erlaubt.

Anmerkung:
1 Vgl. etwa die maßgebliche Biographie zu Ludwig IV. von Heinz Thomas, Ludwig der Bayer. Kaiser und Ketzer, Graz 1993.

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