: 14. Der große Krieg. Frankfurt am Main 2013 : Campus Verlag, ISBN 978-3-593-39589-0 415 S. € 24,99

Winter, Jay (Hrsg.): The Cambridge History of the First World War. . Cambridge 2014 : Cambridge University Press, ISBN 978-1-107-66058-8 LII, 2303 S. in 3 Bänden £270.00 / € 332,24

: Catastrophe. Europe Goes to War 1914. London 2013 : Harper Collins Publishers, ISBN 978-0-00-739857-7 672 S. £30.00

: Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918. Berlin 2013 : Rowohlt Berlin Verlag, ISBN 978-3-87134-720-7 924 S. € 29,95

: Die Büchse der Pandora. Geschichte des Ersten Weltkrieges. München 2014 : C.H. Beck Verlag, ISBN 978-3-406-66191-4 1157 S., 62 Abb. € 38,00

Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Hans Rudolf Wahl, Fachbereich 10, Universität Bremen

Der hundertste Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges hat nicht nur einen enormen Medienhype und damit verbunden zahlreiche öffentliche Veranstaltungen, Gedenkfeiern und Ausstellungsprojekte generiert, sondern auch, und mit der medialen Welle verzahnt, eine intensive Neubefassung der Wissenschaft mit dem lange Zeit als ausgeforscht geltenden Thema Erster Weltkrieg. Im Vorfeld und zu Beginn des Gedenkjahres erschienen deshalb sowohl in Deutschland als auch international eine solche Fülle an wissenschaftlichen Neuerscheinungen wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Offenkundig wurde in diesem Zusammenhang vor allem das Bedürfnis nach einer empirisch fundierten historiografischen Gesamtdarstellung dieses Krieges und seiner Ursachen und Entstehungszusammenhänge jenseits der geschichtspolitisch motivierten Einseitigkeiten der Deutungsschlachten der Fischer-Kontroverse und ihrer publizistischen Nachwehen. Im deutschsprachigen Raum ist hier vor allem Jörn Leonhard mit seiner Studie über „die Büchse der Pandora“ hervorgetreten, während auf internationaler Ebene das enzyklopädische Großprojekt der Cambridge University Aufsehen erregte. Aber auch Herfried Münklers Bestseller wurde vielfach als eine solche neue, empirisch fundierte Gesamtdarstellung rezipiert. Es erschienen auf dem Buchmarkt aber auch eine Reihe von handlicheren wissenschaftlichen Publikationen mit Überblicksdarstellungen, allerdings zumeist ohne den Anspruch zu erheben, ein eigenständiger Forschungsbeitrag zu sein. Unter den einschlägigen deutschsprachigen Werken ist in diesem Zusammenhang vor allem das Buch von Oliver Janz hervorzuheben. Schließlich hat sich auch die Militärgeschichte dieses auf ihrem ureigenen historiografischen Terrain angesiedelten Themas erneut und mit zum Teil analytisch herausragenden Publikationen angenommen. Die bisher vor allem im angelsächsischen Raum wahrgenommene Studie von Max Hastings kann hier als exemplarisch gelten. Diese als paradigmatisch anzusprechenden allgemein-geschichtlichen wie militärgeschichtlichen Publikationen sollen nachfolgend etwas eingehender betrachtet werden, freilich ohne jeden Anspruch auf historiografische oder disziplinäre Vollständigkeit.

Bei Herfried Münklers Studie handelt es sich – entgegen ihrer vielfachen öffentlichen Rezeption – um eine politikwissenschaftliche Modellanalyse am historischen Beispiel des Ersten Weltkriegs und nicht um eine geschichtswissenschaftliche Darstellung. Das bedeutet, dass diese Studie im Gegensatz zu einer originär geschichtswissenschaftlichen Arbeit nicht auf der Basis primären Quellenmaterials das historische Geschehen analysiert und ihr wissenschaftliches Erkenntnisinteresse dabei historisch ausrichtet, sondern dass sie auf der Basis der bestehenden historischen Forschungsliteratur bereits vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zum Zwecke der wissenschaftlichen Politikberatung in der Gegenwart neu aufarbeitet. Sie hat also einen primären Gegenwartsbezug, ist angewandte Forschung, nicht historisch orientierte Grundlagenforschung. Das wird insbesondere im ausführlichen neunten und letzten Kapitel der Studie deutlich, das den Ersten Weltkrieg explizit als „politische Herausforderung“ und nicht als historisches Phänomen definiert und aus dessen Untersuchung die wissenschaftlichen Nutzanwendungen für die Politik des 21. Jahrhunderts zu eruieren trachtet. Diese Nutzanwendungen werden vor allem in drei Bereichen gesehen: Erstens habe der Erste Weltkrieg die politische Anfälligkeit multiethnischer Imperien in militärischen Auseinandersetzungen deutlich gemacht. Zweitens werde „die Last der geopolitischen Mitte“ sichtbar, die ein vereinigtes Deutschland zu tragen habe – insbesondere dann, wenn es ein gestörtes Verhältnis zur zweiten mitteleuropäischen Zentralmacht Frankreich habe. Drittens habe der Erste Weltkrieg die spezifische Problematik ökonomisch aufsteigender, sozusagen „junger“ Großmächte in einer bereits „verteilten“ Welt deutlich gemacht, wobei Münkler „das heutige China in der Position des wilhelminischen Deutschland“ sieht.

Im Zentrum der Studie steht der Erste Weltkrieg zwischen Herbst 1914 und Herbst 1917. Die „langen und kurzen Wege in den Krieg“ haben als Eingangskapitel dagegen lediglich den Stellenwert einer Vorgeschichte, die zum eigentlichen Thema hinführt. Die Ereignisse des Krieges im Jahre 1918 werden im achten Kapitel schließlich nur sehr kursorisch abgehandelt, das Ende des Krieges mit der November-Revolution in Deutschland und die aus dem Ersten Weltkrieg erwachsenden Kriegsfolgen werden faktisch sogar weitgehend ausgeblendet. An dieser Verkürztheit der Darstellung wird der disziplinär bedingte eklektische Zugriff Münklers besonders deutlich: Mit dem Kriegseintritt der USA im Frühjahr 1917 und der Mutation des Russischen Reiches zur Sowjetunion im Herbst 1917 hat sich Münkler zufolge das politische Schachbrett in seinen wesentlichen Bestandteilen entfaltet, auf dem dann in der Folge das machtpolitische Schachspiel der „Großen Politik“ des 20. und 21. Jahrhunderts gespielt wird. Der Rest des Ersten Weltkrieges ist in dieser Sicht der Dinge eine Art von Nachgeschichte, die dann zwar pflichtgemäß noch kurz ausgeführt wird, bei deren Narration aber das Desinteresse des Autors an den geschilderten Vorgängen unverhohlen durchschlägt.

Konzentriert man sich nun auf den Kern der Studie, die in den Kapiteln zwei bis sieben abgehandelten drei Kriegsjahre, so werden in historischer Hinsicht die folgenden zentralen Thesen der Studie deutlich: Die Krisenregion Balkan stellte den Ursprungsherd des Ersten Weltkrieges dar. Niedergangsängste sowie Einkreisungsobsessionen und nicht aggressives Weltmachtstreben lösten ihn aus. Nach dem Scheitern einer schnellen Kriegsentscheidung (mit der – fast – alle Seiten und Protagonisten gerechnet hatten) perpetuierte sich dann der Krieg: die vielen Opfer machten eine rationale Beendigung unmöglich, da dies das Eingeständnis des Scheiterns der jeweiligen politischen Machthaber gegenüber ihren jeweiligen Völkern bedeutet hätte – und zwar auf allen Seiten. Stattdessen gab es immer neue Stufen der Eskalation, bis schließlich eine Seite so erschöpft war, dass sie kollabierte. Dass dies dann am Ende die deutsche Seite bzw. die der Mittelmächte war, war bis in das Kriegsjahr 1917 hinein allerdings keineswegs unausweichlich, sondern geht ursächlich primär auf Ludendorffs Vabanquespiel im Jahre 1917 zurück, das einerseits mit der deutschen Protektion des sozialrevolutionären Bolschewismus zwar einen politisch durchschlagenden und langfristig wirksamen Erfolg erzielte, mit dem unbeschränkten U-Boot-Krieg und dem daraus erwachsenden Kriegseintritt der USA allerdings zugleich auch den eigenen machtpolitischen Exitus Deutschlands provozierte.

Problematisch an Herfried Münklers Studie ist zunächst vor allem, dass sie zwar explizit annotiert, „die Welt 1914 – 1918“ darzustellen, dies dann aber nur insofern tut, als diese vier Jahre gleichsam Material für eine aktuelle Politikberatung liefern. Neben dem hieraus erwachsenden Eklektizismus in der Darstellung ist es vor allem das methodische Selbstverständnis der Politikwissenschaft als angewandte Forschung, welches sich Münkler sowohl bei der politik- und militärgeschichtlichen Forschung als auch bei der disziplinär breit aufgestellten kulturhistorischen Forschung gleichsam als Zulieferern bedienen lässt – übrigens des Öfteren nicht beim aktuellen Stand dieser verschiedenen Forschungen. Dieser weitgehende Verzicht auf eine eigenständige Sichtung und Auswertung der Primärquellen mit den jeweils den Quellen angemessenen wissenschaftlichen Instrumentarien führt dazu, dass die im engeren Sinne historischen Teile der Studie nur Altbekanntes, zuweilen Überholtes repetieren. Keine der im engeren Sinne historischen Thesen der Studie geht über das hinaus, was wir bereits wissen. Die genannten eigentlichen Fragestellungen, um die es Münkler zu tun ist, haben dagegen genau genommen entweder nichts oder doch nur sehr bedingt etwas mit der Geschichte des Ersten Weltkrieges zu tun: Wie belastbar sind multiethnische Imperien im Vergleich zu ethnisch homogenen Nationalstaaten? (Nebenbei: Münklers Antwort auf diese Frage ist nicht wirklich überzeugend – Russland war zum Beispiel nie etwas Anderes als ein multiethnisches Imperium und ist bis heute doch ein überaus mächtiger Akteur auf der Bühne der Weltpolitik) Wie soll Deutschland nach den politischen Verwerfungen der Finanzkrise sein Verhältnis zu Frankreich neu definieren? Und wie ist die Rolle Chinas in der Welt des 21. Jahrhunderts zu verorten?

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Das sind ganz sicherlich wichtige Fragen und es macht ohne Zweifel Sinn, die politischen Entscheidungsträger bei ihrer Antwortsuche wissenschaftlich zu beraten. Aus der Perspektive einer empirisch ausgerichteten historischen Forschung ist es allerdings fraglich, ob dabei ausgerechnet die Analyse des Ersten Weltkrieges irgendeine valide Entscheidungshilfe leisten kann – hat die neuere historische Forschung doch vor allem die hochgradige Komplexität und damit letztlich die Singularität historischer Phänomene herausgearbeitet. Umgekehrt impliziert die Degradierung der historisch ausgerichteten Disziplinen zu Materiallieferanten für eine Modellanalyse aber auch ein Desinteresse an den historischen Menschen. Denn diesen kann man sich nur dann nähern, wenn man bereit ist, ihre authentischen Hinterlassenschaften mit den für diese angemessenen Parametern zu analysieren, das heißt die Historizität ihrer Lebenswelten und subjektiven Erfahrungsräume methodisch ernst zu nehmen.

Jörn Leonhards Studie über „die Büchse der Pandora“ erhebt demgegenüber den Anspruch, eine klassische historiografische Gesamtdarstellung des Ersten Weltkriegs zu sein, wenngleich mit dezidiert gesellschaftsgeschichtlicher Ausrichtung. Politik-, militär- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte werden in ihr daher unter strukturgeschichtlichen Auspizien abgehandelt. Kulturgeschichtliche Aspekte finden trotz eines einleitenden und den Titel des Buches gebenden Rekurses auf die Familie von Thomas Mann dagegen faktisch überhaupt keine Berücksichtigung. Dessen ungeachtet befrachtet sich diese Studie mit der impliziten Erwartungshaltung, das gerade in der Publikationsflut des einhundertjährigen Gedenkens offenkundig werdende Desiderat einer quellengestützten Gesamtanalyse des historischen Phänomens zu beseitigen.

Leonhard liebt das Paradoxon: Entgleisung und Eskalation, Stillstand und Bewegung, Abnutzen und Durchhalten, Expansion und Erosion, Plötzlichkeit und Zerfall sind nicht von ungefähr die Überschriften der fünf zentralen Großkapitel seiner Studie, die allein rund neunhundert der insgesamt fast zwölfhundert Seiten der Arbeit ausmachen. Jedes dieser fünf zentralen Großkapitel ist einem Kriegsjahr gewidmet. Die historiografische Darstellung geschieht freilich nicht in stringenter narrativer Form, sondern in insgesamt nicht weniger als 46 Teilkapiteln, die zwar nach den Kriegsjahren zu den Großkapiteln zusammengefasst werden, die zumeist aber keinen inhaltlichen Bezug zueinander haben und auch keine Narration der Ereignisse des jeweiligen Kriegsjahres sind, sondern eher einzelnen Essays zu einzelnen Themen und Aspekten des Ersten Weltkrieges gleichen, die dann grob chronologisch verortet werden. Es geht dabei um „Machtbalancen und Veränderungsdynamiken“ (S. 34), „Konflikträume und Handlungslogiken“ (S. 48), „Fortschrittspanoramen und Kriegsszenarien“ (S. 67), „Meistererzählungen und offene Ausgänge“ (S. 74). Deren Explikation manifestiert sich in der Schilderung des Krieges als einer Abfolge von „Krisenspiralen“, „Parallelaktionen“, „gescheitertem Risikomanagement“ (S. 84), „dynamischer Gewalt“ (S. 160), diverser und sich immer stärker diversifizierender „Kampfzonen“ (S. 266), chronischer „Gewaltexpansion“ (S. 294), „Kontingenz und Eigensinn des soldatischen Erfahrungsraumes“ (S. 325), umfassenden Krisenerfahrungen und durch diese evozierte „Innovationen“ (S. 615), der „Tektonik der Durchhalte-Gesellschaften“ (S. 490), der „wirtschaftlichen und monetären Tektonik des Krieges“ samt der damit einhergehenden „politischen Ökonomie einer neuen Weltordnung“ (S. 784) und schließlich der Genese eines umfassenden „Gewaltraumes“ (S. 811) sowie eines massiven „Erwartungsstaus“ und daraus resultierend schlussendlicher „Krisenverdichtung“ (S. 872).

Wenn man sich durch dieses amorphe Textmassiv hindurcharbeitet – und es erfordert ein höchst diszipliniertes, zuweilen mühevolles Arbeiten –, dann gewinnt man trotz der Quellengestütztheit der Darstellung und trotz zuweilen luzider Einzelbilder das irritierende Gefühl, den historischen Menschen jener Zeit und ihren Schicksalen seltsam fern und fremd zu bleiben. Die Struktur des Textes als einer Sammlung zahlreicher unverbundener Einzelessays und das analoge übergreifende Beschreiben des Ersten Weltkriegs als eines Phänomens der Gegensätzlichkeiten verunklart dabei mehr als es erklärt. Zu dieser Verunklarung tragen schließlich auch Leonhards Explikationskaskaden bei, die nicht nur am Ende der Großkapitel sondern vielfach auch am Ende der einzelessayistischen Teilkapitel stellenweise bis zum achten Unterpunkt einander mitunter widersprechende Gründe für eine spezifische Entwicklung aufzählen, ohne dann jedoch ein Zwischenfazit zu ziehen, das dem Leser so etwas wie eine These liefern würde oder auch nur einen konzisen Anhaltspunkt für ein valides Urteil über den gerade diskutierten Aspekt. Es bleibt dadurch der Leseeindruck zurück, es mit einer letztlich nicht fassbaren gigantischen Gemengelage zu tun zu haben, die den Leser in ihren historiografischen Wirrsalen aber gleichsam ins Nichts entlässt.

Insgesamt läuft Leonhards Darstellung auf das Fazit hinaus, dass die Erfahrungen dieses Krieges zu disparat gewesen seien, um mehr als „fragmentierte Erfahrungen und polarisierte Erwartungen“ (S. 979) zu produzieren. Ein Fazit, das nach einem historiografischen Kraftakt von nahezu tausend Seiten nachgerade banal wirkt – und einmal mehr sehr weit weg von den realen historischen Menschen. Der Selbstbefrachtung als Synthese der aktuellen Forschung zum Ersten Weltkrieg kann die Studie so jedenfalls nicht gerecht werden. Auch unser empirisch-stoffliches Wissen über diesen Krieg verbreitert sie letztlich nicht. Sie bleibt ein großer historiografischer Steinbruch, aus deren zahlreichen Einzelblöcken womöglich monografische Untersuchungen zu einzelnen Aspekten und Themen zu erwachsen vermögen. Mehr aber auch nicht.

Bei der kurz und schlicht „14“ betitelten, sich allerdings keineswegs auf das Jahr 1914 beschränkenden Studie von Oliver Janz handelt es sich um eine konzise Einführung in die Thematik mit Übersichtscharakter, nicht um einen eigenen Forschungsbeitrag. In insgesamt neun Kapiteln werden dabei stringent die wesentlichen Aspekte und Entwicklungen nachgezeichnet – zuerst die „Wege in den Krieg“, die von Janz zunächst einmal in kulturellen und mentalen Phänomenen der Zeit wie Nationalismus, Imperialismus und Sozialdarwinismus, aber auch in der Selbstläufigkeit von Kriegserwartungen und einer mentalen Kriegsbereitschaft breiter Bevölkerungsschichten verortet werden, aus denen sich dann strukturelle politische Kriegsursachen wie die gegenläufigen Bündnissysteme und die eskalierende Aufrüstung der Vorkriegszeit generierten, die dann ihrerseits die akute Julikrise des Jahres 1914 möglich machten. Bei deren sehr komprimierter Erläuterung spiegelt sich allerdings nicht die Breite des aktuellen Erklärungsansatzes der Forschung wider.

In insgesamt fünf Kapiteln werden von Janz daran anschließend die spezifische Qualität und die Eigendynamik der Entwicklung dieses Krieges herausgearbeitet. Es geht in diesem Zusammenhang um den besonderen Charakter des Ersten Weltkrieges als erstem wirklich industrialisiertem Krieg, sodann um die schnell um sich greifende Entgrenzung dieses Krieges, die sich vor allem auch in den vielfältigen Kriegsgräuel und Kriegsverbrechen manifestierte. Es folgt die Darstellung der von Anfang an und nicht erst mit dem Kriegseintritt der USA 1917 globalen Dimension dieses Krieges, der sehr viel mehr als ein Krieg der europäischen Großmächte war und sich auch keineswegs auf die in seinen Darstellungen häufig nur behandelten Schauplätze der europäischen West- und Ostfront beschränkte. Zwei weitere zentrale Aspekte dieses Krieges werden in den folgenden beiden Kapiteln behandelt: Zunächst einmal sein eben nicht nur industrieller sondern auch analoger Charakter als massenmedial induzierter Kulturkrieg – als ein Krieg der Stimmungen und der öffentlichen Stimmungsmache, der hochgepeitschten Emotionen, der aggressiven Emphasen und der illusionären Ambitionen. Dann auch sein zunehmend totaler Charakter, der sich nicht zuletzt in einer rigiden Kriegswirtschaft einschließlich der staatlichen Zwangsmobilisierung aller Ressourcen äußerte, die von den jeweiligen Machthabern zunehmend ohne Rücksicht auf den schwindenden Konsens der Mobilisierten durchgeführt wurde – übrigens auch bei den Westmächten.

Die entscheidende „Kriegswende“ wird von Janz auf die ersten Monate des Jahres 1917 datiert – wobei zwei gegenläufige Entwicklungen allerdings zunächst noch völlig offen ließen, zu wessen Gunsten diese Wende eigentlich eintrat: die Implosion des russischen Zarenreiches, die dem Deutschen Reich die – dann nicht genutzte – Chance eröffnete, den Krieg an der Ostfront zu liquidieren – und der von Deutschland mutwillig provozierte Kriegseintritt der USA, der den 1917 schwer angeschlagenen Westmächten Frankreich und Großbritannien ausgerechnet in dieser Situation dann doch noch ganz unverhofft eine Siegeschance offerierte. Dass die Niederlage schließlich auf deutscher Seite lag, wird von Janz im Konsens mit der übrigen Forschung vor allem auf das Vabanquespiel der deutschen Dritten OHL zurückgeführt, die alles auf die eine Karte der großen Frühjahrsoffensive an der Westfront 1918 setzte – und als diese dann misslang, keinen „Plan B“ mehr in petto hatte, die sich stattdessen unter Anwendung der Dolchstoßlegende als Vernebelungstaktik aus der Verantwortung stahl und die politische Führung des Deutschen Reiches mit dem angerichteten politischen Scherbenhaufen allein ließ. Das Buch endet mit einem Ausblick auf die Pariser Friedensverhandlungen und Vorortverträge (und zwar erfreulicherweise nicht allein mit dem auf den Versailler Vertrag) sowie auf die sehr differenten Trauer- und Erinnerungskulturen in Bezug auf den Ersten Weltkrieg.

Insgesamt handelt es sich um eine valide, übersichtlich strukturierte und gut lesbare Studie, die zwar nicht den Anspruch erhebt, methodisches Neuland zu erschließen oder bisher unbekannte Quellen auszuwerten, die aber in überzeugender Weise die Geschichte des Ersten Weltkrieges in seiner Vielschichtigkeit und Ambivalenz zu vermitteln vermag.

Die Studie des renommierten britischen Militärhistorikers Max Hastings darf vor allem als eine dezidierte Antwort auf das in englischer Sprache bereits 2012 erschienene, nicht nur in Deutschland schnell Furore machende Werk von Christopher Clark gelesen werden.1 Gleichsam analog zu Clarks Studie ist es ihm zunächst vor allem darum zu tun, die Ursachen des Ersten Weltkriegs und die Umstände seines Ausbruchs zu eruieren und sodann festzustellen, warum dieser Erste Weltkrieg den Charakter annahm, den er dann entgegen den Erwartungen nahezu aller beteiligten Protagonisten annahm: den eines mehrjährigen mörderischen Gemetzels, das auf einen puren Abnutzungskrieg hinauslief, in dem schließlich die Seite mit den größeren Ressourcen an Menschen und Material den Sieg davon trug. Mit diesen beiden Schwerpunkten seiner insgesamt achtzehn Kapitel umfassenden Darstellung beschränkt sich Hastings auf die Schilderung und Analyse der Ereignisse des Jahres 1914, sich auch in dieser Hinsicht auf Clark beziehend, aber diesbezüglich im Gegensatz zu den anderen hier besprochenen Publikationen.

Wie Clark so macht auch Hastings den chronischen Balkankonflikt und die rivalisierenden Militärbündnisse als zentrale Ursachen des Ersten Weltkriegs aus. Im expliziten Gegensatz zu Clark betont Hastings allerdings die historisch-politische Bedeutung des deutschen Strebens nach einer Weltmachtstellung und damit verbunden die strategische Bedeutung des von Clark völlig ausgeklammerten deutsch-britischen Flottenwettrüstens. Hastings zufolge sah Deutschland nach der Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand und des daraufhin eskalierenden Konfliktes der Donaumonarchie mit Serbien die Chance, seine Machtansprüche militärisch erfolgreich durchzusetzen – insbesondere deshalb, weil die deutsche politische und militärische Führung um den Reichskanzler Bethmann Hollweg und den Generalstabschef Moltke sich in dem fatalen Irrglauben befand, England werde in einem auf dem Balkan entstandenen Konflikt nicht zugunsten Russlands intervenieren – und man sich in Berlin außerdem in dem mindestens ebenso fatalen Irrglauben wiegte, das dann noch übrig bleibende französisch-russische Bündnis mit Hilfe des Schlieffen-Planes in einem zwar harten, aber kurzen militärischen Konflikt ausschalten und damit die Entente letztlich sprengen zu können. Fatal war dieser Irrglaube zunächst einmal vor allem deshalb, weil er offenbarte, dass die in kontinentaleuropäischem Denken befangene Führung in Berlin überhaupt nicht die Perspektive der globalen Seemacht Großbritannien verstanden hatte: das durch das Flottenwettrüsten wirtschaftlich und militärisch angeschlagene England war auf die militärische Unterstützung Frankreichs angewiesen. Seit dem britisch-französischen Abkommen von 1904 waren es französische Kriegsschiffe, die quasi in britischer Auftragsverwaltung den Seeweg nach Indien kontrollierten. Die britische Regierung konnte es daher nicht zulassen, dass diese Kriegsschiffe nach einer – im Falle einer Nicht-Intervention auch in London antizipierten – französischen Kriegsniederlage in deutsche Hände fallen würden. In einer Konstellation, in der das Deutsche Reich von den Pyrenäen bis zum Ural Europa mit eiserner Faust beherrscht hätte, hätte es auch jederzeit die zentrale Lebensader des British Empire strangulieren können. Es ging in der Julikrise 1914 in London mithin nicht um den Balkan, nicht um die spezifischen Probleme der Donaumonarchie mit Serbien und auch nicht um das eigene Bündnis mit Russland, es ging darum, die nach einem jahrelangen Wettrüsten als unerträglich und Existenz gefährdend empfundenen deutschen Machtansprüche zu unterbinden – und da man dieses Faktum in Berlin nicht begriff, stellte dort ein eigentlich so umsichtiger und diplomatisch versierter Reichskanzler wie Bethmann Hollweg die politischen Weichen im entscheidenden Augenblick auf Krieg.

Dass dieser Krieg dann den bekannten Verlauf nahm, das ist Gegenstand der detaillierten Schilderung der militärischen Ereignisse des Jahres 1914 in den nachfolgenden Kapiteln. Hastings entfaltet dabei ein breites Panorama sämtlicher europäischer Kriegsschauplätze und er tut es vor allem in der erfreulichen angelsächsischen Tradition, nahe an den handelnden Menschen und ihren individuellen Erlebniswelten zu schreiben. Hastings bewegt sich nicht in anonymisierten Gewalträumen sondern macht nachvollziehbar, wie das gewesen ist, wenn den Frontsoldaten die 18-cm-Granaten um die Ohren flogen und sie zwischen zerfetzten Leichen zu überleben versuchten. Es ist auch nicht von dynamischer Gewalt die Rede, sondern der Leser erlebt hautnah mit, wie eine enthemmte und miserabel bis überhaupt nicht geführte österreichisch-ungarische Soldateska in den serbischen Dörfern, durch die sie im Sommer 1914 kam, ohne viel Federlesens die erwachsene männliche Bevölkerung an den nächstgelegenen Straßenbäumen aufknüpfte – und es wird erahnbar, was das bei Menschen an Gefühlen auslöste, die noch in einer Gesellschaftsordnung lebten, in der die Blutrache zum Alltag zählte. Wir bewegen uns auch nicht in eskalierenden Krisenspiralen, sondern wir sehen konkrete Generäle in ihrer ganzen Überforderung und Hilflosigkeit vor uns, Generäle, die sich mit dem Scheitern aller ihrer Pläne konfrontiert sehen, die von einer bösen Überraschung zur nächsten taumeln, die sich mit horrenden Verlusten ihrer Truppen auf der einen Seite und militärisch völlig irrealen Anforderungen ihrer politischen Führungen auf der anderen Seite konfrontiert sehen und nicht mehr ein noch aus wissen.

Hastings macht aber auch deutlich, dass das militärisch entscheidende Ereignis des Kriegsjahres 1914 im Scheitern des Schlieffen-Plans lag. Erst dieses Scheitern provozierte dann den Übergang zum jahrelangen Stellungskrieg an der Westfront und die aus diesem Stellungskrieg erwachsenden kompensatorischen militärischen Unternehmungen Deutschlands an der Ostfront, das je länger desto stärker die Auswirkungen der britischen Seeblockade zu spüren bekam. Die Analyse der Ursachen dieses Scheiterns gehört zu den innovativsten Passagen der Studie. Hastings führt das Versagen des deutschen Kriegsplanes nämlich nicht primär auf strukturelle Gründe zurück wie etwa die zeitgenössische Militärtechnologie – die an der Ostfront ja dieselbe war, ohne dort jedoch zu demselben Resultat zu führen wie an der Westfront – oder auf einen zu engen Zeitplan – faktisch standen die deutschen Truppen Anfang September 1914 an der Westfront fast auf den Kilometer genau dort wo sie laut Plan stehen sollten –, sondern auf den menschlichen Faktor – genauer gesagt auf zwei menschliche Faktoren: Einerseits auf den eingefleischten Überlegenheitsdünkel der deutschen Spitzenmilitärs, die sich einfach nicht vorstellen konnten, in ihren Absichten von der französischen Generalität durchschaut zu werden und die deshalb auch überhaupt nicht mit erfolgreichen taktischen und operativen Gegenmaßnahmen der Gegenseite rechneten – und von diesen dann prompt überrascht wurden. Andererseits auf eine weder mit dem deutschen Selbstbild noch mit dem üblichen Klischeebild der perfekten deutschen Organisation in Einklang stehende chaotische Desorganisation in der zentralen militärischen Führung. Auch diese Desorganisation trägt bei Hastings konkrete Namen und zeigt konkrete Gesichter: zunächst das des OHL-Chefs Moltke, der schon nach wenigen Tagen die Übersicht über die Lage an der Westfront verlor, der bereits nach wenigen Wochen nicht mehr wusste, wo seine Truppen eigentlich genau standen, der aber auch keine Anstalten machte, sich wieder auf den Stand der Dinge zu bringen – und stattdessen seine Amtsbefugnisse an einen einfachen Oberstleutnant namens Richard Hentsch delegierte, der dann seinerseits ohne genauere Kenntnis des Kriegsplans und ohne wirklichen Überblick über die reale militärische Situation aus einem persönlichen Bauchgefühl heraus gleich zwei deutschen Armeen den Rückzugsbefehl erteilte, obwohl diese gerade erfolgreich dabei waren, die letzten gegnerischen Reserven zusammenzuschießen – schließlich zwei preußische Vier-Sterne-Generäle, die diesen unmotivierten Befehl eines einfachen Oberstleutnants entgegen jeder militärischen Hierarchie tatsächlich ausführten. Mit anderen Worten: es waren menschliche Faktoren, die im Schlieffen-Plan einfach nicht vorgesehen waren, die zu seinem Scheitern führten, nicht strukturelle – allerdings menschliche Faktoren, für die dieser Plan in seinem Überperfektionismus keine Fehlertoleranz, keinen Spielraum zuließ und die daher sein eigentliches, gravierendes strukturelles Defizit entlarven.

Insgesamt ist die Studie von Max Hastings als eine der analytisch schärfsten und in der Detailzeichnung als eine der überzeugendsten anzusprechen, die im Zusammenhang mit dem hundertjährigen Gedenken an den Ersten Weltkrieg erschienen sind. Eine deutsche Übersetzung der Studie wäre deshalb wünschenswert.

Enzyklopädischen und nicht monografischen Charakter trägt schließlich die von Jay Winter herausgegebene monumentale, dreibändige „Cambridge History of the First World War“. Band I zieht zunächst die großen Linien dieses „global war“ aus: nach einer kurzen Überblicksdarstellung über Ausbruch, Verlauf und Ergebnisse des Ersten Weltkrieges werden die unterschiedlichen „Theatres of War“ systematisch abgehandelt. Ein eigener Teil ist den außereuropäischen Kriegsschauplätzen gewidmet. Es folgt eine ausführliche Darstellung des seinerzeit geltenden Kriegsrechts und der vielfachen Kriegsverbrechen in diesem Krieg.

Band II setzt seinen Schwerpunkt auf die Darstellung der strukturellen und diplomatischen Faktoren in diesem Krieg. Der erste Teil widmet sich einer systematischen Analyse der Strukturen der politischen Macht und ihrer Ausübung in den am Krieg beteiligten Ländern. Den Streitkräften, ihren inneren Strukturen und technischen Ausrüstungen, aber auch ihrer Einbindung in den jeweiligen Gesamtstaat widmet sich der nächste Teil. Den Kriegswirtschaften, den Finanzierungen des Krieges und nicht zuletzt der Rolle der Wissenschaften in diesem Krieg widmet sich der dritte Teil, bevor der vierte sich schließlich den umfangreichen, wenngleich letztlich allesamt gescheiterten Bemühungen zuwendet, einen diplomatischen Ausweg aus diesem Krieg zu finden und einen Verständigungsfrieden ohne Sieger und Besiegte herbeizuführen.

Band III nimmt schließlich die Zivilgesellschaften im Krieg in den Fokus. Die Auswirkungen des Krieges auf das Privatleben der Menschen, auf Ehen, Kinder und Familien, aber auch auf die durch den Krieg völlig neu justierte Rolle der Frauen in der Gesellschaft sowie die Prägung eines spezifischen Männlichkeitsbildes werden dabei ebenso untersucht wie das Schicksal der Flüchtlinge und Exilanten, der Zivilbevölkerung in den von fremden Truppen besetzten Gebieten, der Zivilgefangenen und ethnischen Minoritäten. Ein eigener Teil widmet sich der zeitgenössischen Militärmedizin – starben im Ersten Weltkrieg doch sehr viele Soldaten erst in den Lazaretten an Wundinfektionen und nicht unmittelbar auf den Schlachtfeldern durch direkten gegnerischen Beschuss – und den Auswirkungen von Seuchen auf eine durch chronischen Nahrungsmangel in ihrer Widerstandskraft geschwächten Zivilbevölkerung sowie schließlich den zeitgenössischen Trauerpraktiken und -ritualen. Ein weiterer Teil beschreibt schließlich die kulturelle Dimension dieses Krieges, die unterschiedlichen religiösen Deutungs- und Bewältigungsversuche, die freilich nur allzu oft in Agitation statt in Seelsorge mündeten, die literarischen, film- und bildkünstlerischen Auseinandersetzungen mit dem Krieg sowie nicht zuletzt auch die Geschichte der Kriegsdenkmäler als zentralen Repräsentanzen eines ritualisierten öffentlichen Gedenkens. Ein abschließender Teil versucht schließlich eine Bilanz zu ziehen und wagt dabei auch einen Ausblick auf den Umgang mit diesem Krieg hundert Jahre danach – in unserer Gegenwart des 21. Jahrhunderts.

Sicher: Kritik im Einzelnen ist bei diesem historiografischen Großprojekt möglich und zuweilen auch angebracht. So ließe sich beispielsweise kritisch fragen, ob etwa Lateinamerika wirklich denselben historiografischen Rang als Kriegsschauplatz beanspruchen sollte wie etwa der Nahe Osten. Kaum vermeidbar angesichts der Monumentalität des Unterfangens dürfte auch sein, dass sich nicht alle Einzelbeiträge wirklich auf dem aktuellen Stand der Forschung bewegen, sondern zuweilen eher in Jahrzehnten lieb gewonnene Meinungen und Überzeugungen repetieren. So lädt etwa Volker R. Berghahn in seinem Beitrag über die Ursachen des Krieges diese in einer Einseitigkeit auf den Schultern der deutschen Reichsleitung ab, die – nach allem, was wir heute empirisch abgestützt wissen – als historische Feststellung so nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Doch trotz solcher Kritik an Einzelnem: Als Gesamtwerk stellt die „Cambridge History of the First World War“ ohne jeden Zweifel mit ihrer Fülle an systematisch aufgearbeitetem empirischem Quellenmaterial und ihrer konsequent komparatistischen Ausrichtung ein Standardwerk dar, das für die Erforschung des Ersten Weltkrieges zukünftig unabdingbar sein wird.

Versucht man nun eine Zusammenschau dieser hier besprochenen, sowohl disziplinär wie methodisch und inhaltlich höchst unterschiedlichen Publikationen und berücksichtigt dabei das eingangs erwähnte, notorisch gewordene Bedürfnis nach einer neuen, empirisch fundierten Gesamtdarstellung des Ersten Weltkriegs jenseits der Geschichtspolitik vergangener Zeiten, so lässt sich zunächst einmal am Beispiel von Jörn Leonhards Studie feststellen, dass jedenfalls eine an strukturalistischen Paradigmen orientierte Gesellschaftsgeschichte nach wie vor den Nachweis noch schuldig geblieben ist, eine solche neue „Meistererzählung“ liefern zu können. Als weiterführender erweist sich da schon der hermeneutische Ansatz der „Cambridge History of the First World War“, deren enzyklopädische Struktur freilich auch eher den Charakter einer Materialsammlung bedingt als eine wirklich konzise Darstellung und Interpretation des historischen Phänomens Erster Weltkrieg. Als besonders problematisch erweist sich dagegen der Versuch Herfried Münklers, die Historiografie des Ersten Weltkrieges für aktuelle Zwecke der Politikberatung zu benutzen und diesen damit zu politisieren anstatt zu historisieren. Als wissenschaftlich vielversprechender zeigen sich da schon Studien, welche wie die von Oliver Janz auf den Anspruch einer neuen Meistererzählung weitgehend verzichten und sich stattdessen um eine möglichst konzise Synthese des gegenwärtigen Forschungsstandes bemühen. Allerdings verzichten sie damit auch darauf, wissenschaftliches Neuland zu erschließen und die Forschung methodisch und inhaltlich voranzubringen. Jenseits des „pacemakers“ Christopher Clark hat sich hierbei in der Publikationsflut zum hundertsten Jahrestag des Kriegsausbruchs vor allem die Militärgeschichte hervorgetan, die ihren historiografischen Anspruch zwar von vornherein wesentlich niedriger „hängt“ als Studien, die sich an einer neuen Gesamtdarstellung versuchen, aber gerade in dieser Selbstbeschränkung dann auch die Freiheit gewinnt, nahe an den historischen Menschen, ihrer Lebenswirklichkeit und der Subjektivität ihres Seins zu bleiben und die Dimension des Politischen aus dieser Subjektivität heraus zu erklären und zu deuten. Die Studie von Max Hastings kann als exemplarisch dafür gelten.

Dass die wissenschaftlich wirklich innovativen neuesten Studien zum Ersten Weltkrieg aus einem solchen prinzipiellen methodischen Verzicht auf eine neue Meistererzählung erwachsen, dass sie weniger erfassen, das Erfasste dafür aber präziser analysieren und damit am Ende mehr und zugleich tiefer sehen, das wird man wohl kaum als Zufall ansprechen können. Es zeigt schlaglichtartig, wo derzeit in methodischer Hinsicht die größten wissenschaftlichen Innovationspotentiale liegen.

Anmerkung:
1 Christopher Clark, The Sleepwalker. How Europe Went to War in 1914, London 2012.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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