I. Fargnoli u.a. (Hrsg.): Mommsen und das Römische Recht

Cover
Titel
Theodor Mommsen und die Bedeutung des Römischen Rechts.


Herausgeber
Fargnoli, Iole; Rebenich, Stefan
Reihe
Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen N.F. 69
Erschienen
Anzahl Seiten
184 S.
Preis
€ 79,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Raphael Brendel, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Im Jahr 2012 fand in Bern eine Tagung statt, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die interdisziplinäre Erforschung von Theodor Mommsens juristischem Werk zu befördern. Die Beiträge dieser Tagung liegen nun mit dem zu besprechenden Band in teilweise überarbeiteter Form vor.

Die Einleitung der Herausgeber Iole Fargnoli und Stefan Rebenich (S. 7–13) informiert über die Hintergründe des Bandes, bietet eine kurze Einführung in die Thematik sowie zuverlässige Zusammenfassungen der einzelnen Beiträge. Wolfgang Ernst (S. 15–34) versucht eine Einordnung Mommsens in den Kontext der Rechtswissenschaft seiner Zeit. Er arbeitet heraus, dass Mommsens Interesse primär der historischen Erforschung des römischen Rechts, nicht aber den Möglichkeiten, dieses in der Gegenwart anzuwenden, galt. Allerdings seien auch Übereinstimmungen zwischen Mommsen und der historischen Rechtsschule festzustellen, so die abschätzige Sicht auf die Rechtsliteratur und die nationalstaatlichen Kodifikationen des 18. Jahrhunderts.

Stärker auf die Wissenschaft selbst als auf die Wissenschaftler konzentriert ist der Beitrag von Joseph Georg Wolf (S. 35–47). Dieser befasst sich mit der Kritik des Rechtshistorikers Hermann U. Kantorowicz, der zu Beginn kurz vorgestellt wird, an Mommsens Edition der justinianischen Digesten, dessen Argumente detailliert nachgezeichnet werden. Werner Eck (S. 49–63) analysiert den Einfluss epigraphischer Überlieferung auf Mommsens Staatsrecht und diskutiert Leistungen und Probleme der Schlussfolgerungen Mommsens aus dem inschriftlichen Material. In einem kompetenten und reich dokumentierten, aber sprachlich etwas schwer verdaulichen Beitrag benennt Karl-Joachim Hölkeskamp (S. 65–91) die Verdienste und Grenzen von Mommsens ‚Staatsrecht‘ und zeigt, dass die weitere Forschung sich für ein Verständnis der römischen Republik von der staatsrechtlich-verfassungsgeschichtlichen Komponente lösen und stattdessen verstärkt gesellschaftliche und kulturelle Umstände in den Blick nehmen müsse.

Carla Masi Doria (S. 93–119) ordnet Mommsens ‚Römisches Strafrecht‘ in den Kontext seiner Zeit ein. Sie behandelt dazu Vorläufer (insbesondere das Handbuch des deutschen Strafrechts von Binding), die Entwicklung von Mommsens Strafrecht, die dort verwendeten Quellen, die Kritik an diesem Werk und seine französische Übersetzung. Wieder primär den rein fachlichen Aspekten widmet sich Boudewijn Sirks (S. 121–140), der Mommsens Edition des Codex Theodosianus einer detaillierten Prüfung unterzieht.1 Er untersucht hierzu die Verwendung der handschriftlichen Überlieferung und der Nebenquellen. Zudem stellt er die Frage, ob bei der Rekonstruktion des Codex Theodosianus aus dem Codex Iustinianus die zurückhaltendere Methode Mommsens oder die optimistischere Vorgehensweise Paul Krügers vorzuziehen sei und tritt für erstere ein. Insgesamt, so stellt er fest, habe sich Mommsens Edition bewährt und sei heute noch von Nutzen. Gelegentliche im Deutschen ungewöhnliche Wendungen, die Sirks als Nicht-Muttersprachler ausweisen und dem Einfluss der englischen Sprache geschuldet zu sein scheinen2, wird man angesichts von Kompetenz und Sachkenntnis dieser Studie als Marginalien abtun können.

Der Codex Theodosianus ist ebenfalls das Thema von Philippe Blaudeau (S. 141–154), der die verschiedenen Impulse, die Mommsens Edition für die Erforschung der Spätantike geboten hat (beispielsweise die französischen Übersetzungen der letzten Jahre und die prosopographischen Projekte wie Seecks Regesten und die Prosopography of the Later Roman Empire), nachvollzieht. Gisela Hillner (S. 155–184) macht die in lateinischer Sprache abgefasste Kieler Dissertation Mommsens aus dem Jahr 1843 zum Gesetz über die Amtsschreiber und zur auctoritas (mitsamt den zugehörigen Thesen) durch eine deutsche Übersetzung nun leicht zugänglich; der lateinische Originaltext ist als Anhang beigefügt. In einem kurzen Nachwort wird der Ablauf des Promotionsverfahrens nachgezeichnet.

Die hohen Erwartungen, die mit Stefan Rebenich (der leider keine eigene Studie beigesteuert hat) als einem der Herausgeber dieses Bandes einhergehen, werden nicht enttäuscht. Die einzelnen Beiträge sind durchweg von hoher Qualität und selbst kleinere Druckfehler sind selten.3 Einziger Schwachpunkt ist der hohe Preis, der selbst für ein derart hochwertiges Werk als recht teuer erscheint. Insgesamt handelt es sich bei diesem Band um eine wertvolle Ergänzung der Mommsen-Forschung und einen beachtenswerten Beitrag zur römischen Rechtsgeschichte.

Anmerkungen:
1 Für die hier nur gestreifte Thematik der Entstehungsgeschichte von Mommsens Edition siehe Brian Croke, Mommsen’s encounter with the Code, in: Jill Harries / Ian Wood (Hrsg.), The Theodosian Code, London 1993, S. 217–239.
2 S. 121 spricht er von einer „Lakune“ der Handschrift; S. 131 heißt es, Mommsens Entscheidung sei „nicht einmal seriös von ihm erwogen worden“, wo eher „ernsthaft“ zu erwarten wäre, was wohl dem englischen „serious“ geschuldet ist.
3 Finden ließ sich lediglich S. 59 „Paul v. Roden“ (richtig: Paul v. Rohden) und S. 72 „Rechtsordnug“ statt „Rechtsordnung“.

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