E. Großegger: Mythos Prinz Eugen

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Titel
Mythos Prinz Eugen. Inszenierung und Gedächtnis


Autor(en)
Großegger, Elisabeth
Erschienen
Anzahl Seiten
406 S.
Preis
€ 39,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Lisa Kienzl, Institut für Religionswissenschaft, Karl-Franzens-Universität Graz

Elisabeth Großegger widmet sich in ihrem breit angelegten Werk nicht nur der historischen Figur des Prinzen Eugen von Savoyen (1663–1736), sondern im Besonderen den Inszenierungen seiner Person im kulturellen und kollektiven Gedächtnis seit dem 18. Jahrhundert. Dabei steht vor allem das Theater im Mittelpunkt. Ihre Analyse performativer Darstellungen sowie der Reaktionen des Publikums greift nicht nur gesellschaftliche Entwicklungen auf, sondern verweist immer wieder auch auf Diskurse von Männlichkeit und Heldentum.

Das Leben Prinz Eugens und sein historisches Umfeld werden im Vorwort, sowie in den Kapiteln „Geschichte und Gesellschaft“ und „Arbeit am Gedächtnis“ behandelt, bleiben aber aufgrund des kulturwissenschaftlichen Zugangs eher im Hintergrund der titelgebenden Untersuchungsgegenstände „Inszenierung und Gedächtnis“. Hierdurch mögen Erwartungen all jener Leser enttäuscht werden, die mit einer Biographie rechnen. Gleichwohl sorgt Elisabeth Großegger mit ihrem Vorgehen für ein gesteigertes Interesse an der gewählten Umsetzung ihres Themas.

So bezeichnet sie „Prinz Eugen als Gedächtnisort“ (S. 16) und spielt mit Bedeutungszuschreibungen, da ein Subjekt linguistisch sowie auch sozio-kulturell prima vista kaum als Objekt, als Ort, bezeichnet werden kann. Mit Bezug auf Aleida und Jan Assmann, deren Konzepte des kulturellen Gedächtnisses und der Vorstellung kollektiver Erinnerungskultur als metaphorischem Ort, führt Großegger diese Idee weiter aus. Dabei arbeitet sie eine Beziehung von Mensch und Ort in Relation zu kollektiver, kultureller Erinnerungskultur heraus. Dies unterstreicht die unbestreitbare Verknüpfung zwischen der historischen Figur Prinz Eugens und seiner Inszenierung in kollektiven Identitätskonstruktionen, die sich oftmals durch eine räumliche Dimension auszeichneten (Denkmäler, Straßennamen, etc.).

In den folgenden Kapiteln beschäftigt sich Elisabeth Großegger vorrangig mit Theaterstücken, die Prinz Eugen als aktiven Charakter inszenieren oder Themengebiete behandeln, die mit seinem Leben und Werk assoziiert werden. Im Vordergrund stehen zum einen die detaillierte Analyse einzelner Textpassagen sowie zum anderen die Rezeption der Theaterstücke. Großeggers Analyse setzt im 18. Jahrhundert ein, behandelt die zeitgenössische Dichtung über Prinz Eugen und konzentriert sich zunächst auf die Inszenierung seines Begräbnisses 1736. Allgemein betont wird die Textebene, speziell die Rede des Dompredigers Franz Peikhart. Dessen Präsentation Prinz Eugens als „militärischer und ein christlicher Held“ (S. 57) unterstreicht zwei wesentliche Aspekte der damaligen kollektiven Erinnerung.

Die detaillierte Auseinandersetzung mit zahlreichen Theaterstücken in der weiteren Analyse zeigt eine generelle Entwicklung bis Mitte des 19. Jahrhunderts: Die Figur Prinz Eugens wurde vorrangig in volksnahen Theaterstücken aufgegriffen, die man auf Vorstadtbühnen aufführte. Oftmals standen hierbei auch bürgerliche Moralvorstellung oder das Leben der einfachen Soldaten im Vordergrund. Zudem wurde die Inszenierung Prinz Eugens auf die Personifizierung von Gerechtigkeit und Ordnung reduziert. Großegger verweist dann auf einen signifikanten Bruch in der Form der Erinnerungskultur, der in Zusammenhang mit der Errichtung des Wiener Prinz-Eugen-Denkmals am Äußeren Burgplatz (heute als Heldenplatz bekannt) im Jahre 1865 steht. Die umfangreiche Darstellung der Enthüllung sowie der Rezeption des Festaktes (Kapitel „Denkmal und Öffentlichkeit“) greift die zu Beginn angesprochenen Ebenen von kollektiver und kultureller Erinnerungskultur auf. Nachdem es das Denkmal gab, wurde nunmehr die persönliche Dimension Prinz Eugens auch in Theaterstücken in den Mittelpunkt gerückt. Diese Entwicklung wird anhand einzelner Aufführung ausführlich untersucht. In den analysierten Stücken finden sich zunehmend zeitgenössisch relevante Themen wie die ambivalente Beziehung zwischen Frankreich und Österreich sowie auch die zunehmende Problematik einzelner Begrifflichkeiten wie „deutsch“ oder „vaterländisch“. Dabei zeigt sich unter anderem, dass das Prinz-Eugen-Lied einen zentralen Ausgangspunkt für die weitere Erinnerungskultur bildet. Gleichzeitig rückte die historische Dimension der eigenen Geschichte im Theater in den Vordergrund, wodurch dieses selbst zu einem Erinnerungsraum wurde. Mit diachronen Gegenüberstellung der Aufführungen des Theaterstückes „Am Tage von Oudenarde“ (S. 216) in den Jahren 1865/66 und 1914 gelingt Elisabeth Großegger die Betonung des Publikums als zentralem Adressaten des performativen Aktes eines Theaterstückes.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts sowie mit Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt sich wiederholt eine zunehmende Inszenierung der Gestalt Prinz Eugens für aktuelle und gesellschaftspolitische Themen, womit eine Instrumentalisierung als „Deutscher Held“ (S. 221) verbunden war. Interessant in der Analyse Großeggers ist, dass hier auch die Inszenierung eines Festzuges im Jahre 1907 beziehungsweise die Symbolwirkung des Prinzen Eugen für die „Großmachtstellung Österreichs“ (S. 262) herangezogen wurde. Insbesondere während des Ersten Weltkrieges rückten Eugens Eroberung des Ostens und der Sieg gegen die Türken wieder stärker in das Bewusstsein der Erinnerungskultur, wie in Kapitel acht erläutert wird. Indem Großegger sich zudem der Umsetzung des Sujets in Kinder- und Schulbüchern zuwendet, greift sie ein bisher wenig aufgearbeitetes Thema auf.

In Kapitel neun „Vom Ständestaat in die zweite Republik“ wird vor allem die Bedeutung der religiösen und nationalen Dimension des Mythos’ um Prinz Eugen nachgezeichnet. Der christliche Held der Türkenbefreiung sowie die deutsch-österreichische Instrumentalisierung seiner Person stehen hier im Vordergrund. Wie bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird eine solche Darstellung Prinz Eugens in den Schulbücher weitergetragen. Aber auch neue Medien wie das Radio und die von diesem ausgestrahlten Hörspiele, sowie die damit verbundene Möglichkeit eine breitere Masse anzusprechen, werden in diesem Kapitel thematisiert. Die Darstellung als Held entsprach erneut den politischen Anforderungen der Zeit, was sich später auch in der Instrumentalisierung und Inszenierung der Figur Prinz Eugens als Held und Sieger während des Nationalsozialismus zeigte. Als Folge dieser politischen Konnotation ist nach dem Zweiten Weltkrieg ein deutlicher Rückgang der Verwendung des Prinz-Eugen-Mythos’ zu erkennen. Nunmehr rückte die Vorstellung seiner Person als Kunstmäzen und Sammler in den Vordergrund und verdrängte die historisch aufgebaute, oftmals politisch problematische Darstellung großflächig, wenn auch nicht ganz.

Am Ende des zehnten Kapitels „Postmoderner Held“ greift Elisabeth Großegger Archetypen nach C. G. Jung auf, um unterschiedliche Darstellungsformen von Männlichkeit zu kategorisieren. Diese Zuordnung fällt mit zwei Seiten leider sehr kurz aus, verweist zwar auf Maskulinitätsdiskurse in Bezug auf Prinz Eugen, verfolgt diese jedoch nicht weiter. Gerade in Bezug auf kollektive und kulturelle Inszenierungen, sowie deren Verfestigung in Identitätsstrukturen verweist Großegger zwar im Laufe des Buches wiederholt auf die Inszenierung von Männlichkeit. Eine nähere Auseinandersetzung damit in diesem letzten Teil des Buches hätte jedoch dieses Bild noch weiter vervollständigen können.

Zusammenfassend zeigt sich, dass Elisabeth Großeggers Analyse besonders anregende und faszinierende Aspekte zeitgenössischer und gegenwärtiger Auseinandersetzungen mit dem Mythos um Prinz Eugen bietet. Dabei ist festzuhalten, dass die Interpretation und gesellschaftliche Einordnung zahlreicher Theaterstücke, die Bedeutungskomponente der performativen Teilnehmer (Autoren und Schauspieler), die Reaktionen des Publikums sowie auch der Kritiker als für die Analyse elementar behandelt werden. Die detaillierte Berücksichtigung zentraler Aspekte der Medienanalyse unterstreicht die Qualität des vorliegenden Buches und ist besonders positiv hervorzuheben. Zudem wird durch die breite behandelte Zeitspanne ein weiter Bogen gesellschaftlicher Entwicklungen in Österreich nachgezeichnet. Die gelungene Inbezugssetzung des Charakters von Prinz Eugen mit der kollektiven und kulturellen Erinnerungskultur spiegelt nicht nur die Inszenierung seiner Person wider, sondern verweist auch auf größere sozio-kulturelle und politische Entwicklungen.

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