Titel
Söldner und Pensionäre. Das Netzwerk Philipps II. im Heiligen Römischen Reich


Autor(en)
Edelmayer, Friedrich
Reihe
Studien zur Geschichte und Kultur der iberischen und iberoamerikanischen Länder 7
Erschienen
München 2002: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
321 S.
Preis
€ 44,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christine Roll u. Heide Stratenwerth, Fachbereich Geschichte, Universität Konstanz

Historiker, die gleichermaßen in der österreichischen und Reichsgeschichte wie in der Geschichte Spaniens zu Hause sind, wünschte man sich wahrlich in größerer Anzahl. Friedrich Edelmayer erweist sich als ein Forscher dieses raren Typs und ist insofern ein Glücksfall für die Historiographie der Frühen Neuzeit. Und es kann nur begrüßt werden, dass er seine sprachlichen Kompetenzen und profunden Kenntnisse der spanischen Archive nutzbar macht für die Bearbeitung eines Themas, dem die Historiker bislang herzlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben, nämlich den Beziehungen zwischen Spanien und dem Reich zur Zeit Philipps II.

Was dabei herausgekommen ist, ist eine quellengesättigte, solide Studie über die Söldner und Pensionäre Philipps im Reich vorwiegend in den sechziger und siebziger Jahren des Jahrhunderts. Welche Art Leute waren das? Nach Edelmayers Klassifizierung, die auch der Disposition des Buchs zu Grunde liegt: 1. Kaiserliche Amtsträger, zumeist am Wiener Hof (Kap. 3), 2. Katholische Reichsfürsten (Kap. 4), 3. als spanische Obristen tätige Reichsangehörige hohen und niedrigen Stands (Kap. 5), 4. evangelische Reichsfürsten (Kap. 6) und schließlich 5. Söldner in spanischen Diensten (Kap. 7). Aus jeder Gruppe werden einige signifikante Personen exemplarisch vorgestellt und analysiert; das Bild rundet sich durch kontextbedingte Erwähnungen zahlreicher weiterer Personen aus den jeweiligen Gruppen.

Je nach Rang, Stand oder Amt hatten diese Personen aus dem Reich unterschiedliche Funktionen für die spanische Politik, mit eindeutigem Vorrang freilich – so zeigt es die vorliegende Studie – solche im militärischen und logistischen Bereich. Die deutsche Bevölkerung bot ein reiches Reservoir für Philipps Söldnerheere; im Adel fand der König seine Truppenführer aller militärischen Ränge; die Reichsfürsten (Bayern, Tirol) sollten Werbungen in ihren Territorien zulassen, Musterplätze bereitstellen und den Durchzug der Truppen zu den Einsatzgebieten in den Niederlanden, in Italien und im westlichen Mittelmeerraum erlauben; der Kaiser und seine Kanzlei schließlich waren zuständig für die Werbepatente, die manchmal in großer Anzahl und in beträchtlicher Eile ausgestellt werden mussten.

Was bewegte nun deutsche Reichsangehörige, sich in das Netzwerk Philipps II. einspannen zu lassen? Religiöse Motive waren es bei manchen, dazu die Aussicht auf sozialen Aufstieg, z.B. durch Vergabe spanischer Encomiendas, also Kommenden der spanischen Militärorden, oder Vermittlung von guten Heiraten. Vor allem aber war es der Reiz des Geldes: längerfristige Pensionszahlungen oder von Fall zu Fall erfolgende Gratifikationen. Die Höhe und den Modus der Zahlungen wie die Wege und Mechanismen der Transaktionen hat Edelmayer auf das Genaueste belegt. Dass er dabei auch auf erhebliche Schulden Philipps stieß, kann kaum verwundern; bei Herzog Erich II. von Braunschweig-Lüneburg etwa, der mehrfach als Truppenführer tätig war, beliefen sich die Schulden des spanischen Königs auf mindestens 1,5 Millionen Gulden, zu deren Eintreibung Erich denn auch einmal in Spanien erschien.

Anhand einer ganzen Reihe biografischer Skizzen erfährt der Leser, dass während der ersten Hälfte der Regierungszeit König Philipps intensive Beziehungen nicht nur zwischen den spanischen und den österreichischen Habsburgern bestanden, sondern auch zwischen Spanien und dem Reich. Seit Beginn der 1580er Jahre aber verloren diese Beziehungen an Intensität. Zum einen nämlich veränderte sich das Netzwerk aus biologischen Gründen, und seine Aufrechterhaltung erwies sich zunehmend als schwierig. Z.B. hat Philipp nach dem Tod des Reichsvizekanzlers Seld versucht, dessen Nachfolger Zasius und Weber in gleicher Weise einzubinden, was erst nach längerem Bemühen gelang. Vollends Protestanten konnten kaum noch gehalten werden – oder nur gegen eine namhafte Erhöhung ihrer Pension, wozu sich dann Philipp zumeist nicht durchringen konnte.

Zum anderen verschoben sich die politischen Interessen des spanischen Königs nach Portugal, England und Frankreich und, so Edelmayer, das Ziel der Rückgewinnung der Niederlande wurde nachrangig. Damit aber geriet auch das Reich als Reservoir für Söldner und Heerführer aus dem Blickfeld des Königs. Bemerkenswert bleibt freilich, dass auch in den 1570er Jahren noch Protestanten zum „Netzwerk“ des spanischen Königs im Reich gehörten, bemerkenswert vor allem deshalb, weil deutlich wird, dass Philipp keine Berührungsängste gegenüber den Anhängern der Augsburgischen Konfession hatte, solange sie nicht in seinen eigenen Herrschaften auftraten. Mitglieder des sächsischen und brandenburgischen Kurhauses sollten nach Philipps Plänen den Nordosten des Reichs neutralisieren, was auch gelang: Selbst nach Beginn des Niederländischen Aufstands konnte sich der König für kurze Zeit noch auf die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg als Pensionäre stützen.

Die Konzentration Edelmayers auf die politischen Ziele des spanischen Königs bringt es indessen mit sich, dass die einzelnen Personen im Netzwerk ganz überwiegend aus der Perspektive Philipps und in ihrer Nützlichkeit für Philipp gesehen werden; die Perspektive der Klienten wird nur selten eingenommen, vor allem: über den Stellenwert ihres Engagements für den spanischen König in ihrer Biografie erfährt man nur wenig.

Möglicherweise wäre auch aus diesem Grunde ein stärkerer Bezug zu den von Philipp vorgefundenen Bedingungen nützlich gewesen, zur Ausgangssituation nämlich, wie sie von seinem Vater Karl V. und dessen Bruder Ferdinand I. geprägt worden war. Wie von Edelmayer für eine ganze Reihe der von ihm behandelten Personen betont, stammte das Personal ja zu einem erheblichen Teil aus jener Zeit. Er betont sogar, „daß sich das Netzwerk Philipps II. in Mitteleuropa kontinuierlich aus dem engen Geflecht von Loyalitäten herausentwickelt hatte, das sein Vater in der Funktion als Kaiser begründet hatte“ (S. 208). Das heißt aber auch, die Strukturen sind bereits unter Karl V. geprägt worden, woraus sich die Frage ergäbe, ob das „Netzwerk“ Philipps II. im Reich nach denselben Mechanismen funktioniert hat wie die habsburgische Klientel im Reich zur Zeit Karls und Ferdinands oder nach anderen. Das Konzept „Klientel“ indessen lehnt Edelmayer schon in der Einleitung, und wie es der Rezensentin scheint etwas vorschnell als ungeeignet ab, weil es zu stark auf Abhängigkeitsverhältnisse abziele (S. 30). So wie der Klientelbegriff von Wolfgang Reinhard und Volker Press in die Frühneuzeitforschung eingebracht worden ist, impliziert er jedoch durchaus die Gegenseitigkeit wie auch die Spannungen in den Beziehungen zwischen Patron und Klient. Vielleicht hätte der Klientelbegriff den Blick Edelmayers überhaupt stärker auf wichtige Strukturmerkmale des „Netzwerks“ Philipps II. im Reich gelenkt, auf das Konnubium etwa, das als wichtiges Element für den Aufbau des „Netzwerks“ zwar verschiedentlich angesprochen, aber kaum in systematische Überlegungen einbezogen wird.

Insgesamt freilich überwiegt der Reichtum der Befunde die methodische Kritik, und mit der Studie Edelmayers liegt eine Untersuchung vor, deren Fortsetzung bis weit in das 17. Jahrhundert hinein man sich wünschen würde, nicht zuletzt deshalb, um die offenkundige Entfremdung der beiden Linien des Hauses Habsburg in den Jahrzehnten vor dem spanischen Erbfolgekrieg besser verstehen zu lernen.

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