Th. Hubbard (Hrsg.): A Companion to Greek and Roman Sexualities

Cover
Titel
A Companion to Greek and Roman Sexualities.


Herausgeber
Hubbard, Thomas K.
Reihe
Blackwell Companions to the Ancient World
Erschienen
Malden 2014: Wiley-Blackwell
Anzahl Seiten
XXV, 651 S.
Preis
£120.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Judith Hagen, Facheinheit Geschichte, Universität Bayreuth

Die Geschichte der antiken Sexualität ist seit mehreren Jahrzehnten, besonders im englischen Sprachraum, als Forschungszweig etabliert; ein Anfang diesen Jahres unter der Herausgeberschaft von Thomas K. Hubbard erschienener Band befasst sich mit unterschiedlichen Aspekten dieser Thematik und bietet dazu 37 Beiträge, die von ausgewiesenen Spezialisten auf diesem Gebiet stammen. Wie für manch andere Publikation zur Sexualität in der Antike, so wurde auch hier der sogenannte Warren Cup als Umschlagabbildung gewählt, ein silberner Becher aus dem frühen 1. Jahrhundert n.Chr., dessen homoerotische Darstellung besonders detailliert und explizit gearbeitet ist, an dessen Echtheit jedoch in jüngster Zeit starke Zweifel geäußert wurden.1

Eine Unterteilung der Aufsätze unter verschiedene Rubriken wurde zwar nicht vorgenommen, allerdings wird ihre systematische Anordnung durch die Reihenfolge deutlich; zudem erfolgt keine Trennung zwischen Griechenland und Rom, vielmehr werden die beiden Kulturkreise jeweils gemeinsam behandelt, wobei auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede abgehoben wird – ein Konzept, das im Großen und Ganzen überzeugt. Zunächst stecken die vier ersten Beiträge den theoretischen Rahmen ab, der für die Behandlung des Themas in der neueren Forschung bestimmend ist: Marilyn Skinner zeigt auf, wie sich seit Beginn der 1970er-Jahre die antike Sexualität unter Einfluss der Feministischen Theorie als Forschungszweig etablierte und welche Konturen dieser annahm. Mark Masterson skizziert – orientiert an der Männerforschung („men’s studies“ oder „studies of masculinity“) als ein Teilgebiet der Gender Studies – antike Vorstellungen von Männlichkeit und ihre Veränderung. Mark D. Stansbury-O’Donnell geht auf die Schönheit antiker Statuen und ihre Wirkung auf den Betrachter ein, wobei er bildliche mit literarischen Quellen verknüpft; insbesondere seine Interpretation der Aphrodite von Knidos zusammen mit ihrer Darstellung in den pseudo-lukianischen Amores (S. 38–44) ist beachtenswert. Kirk Ormand erläutert schließlich Grundzüge und Entstehungskontext der drei Bände „Sexualität und Wahrheit“ von Michel Foucault, dessen sozialkonstruktivistischer Ansatz in der angelsächsischen Altertumswissenschaft umfangreich rezipiert wurde, und fungiert damit geradezu als Richtungsweiser für einen großen Teil der Beiträge.

Die Aufsätze 5 bis 9 beschäftigen sich mit Normen und Modellen sexueller bzw. erotischer Beziehungen: Bei der Behandlung der Ehe stehen vor allem rechtliche Aspekte im Vordergrund; die Prostitution wird in Athen aus wirtschaftsgeschichtlicher Perspektive und in Rom durch eine Analyse der weiblichen Kleiderordnung in ihren Strukturen erläutert. Auf knappem Raum gelingt es Andrew Lear im siebten Beitrag in ganz traditionellem Zuschnitt, sowohl die historische Dimension der Knabenliebe im antiken Griechenland und ihre Wirkung auf die römische Welt aufzuzeigen als auch wesentliche kulturgeschichtliche sowie kunstgeschichtlich-archäologische Forschungsmeinungen anzuführen und zu diskutieren; eher zurückhaltend und dafür umso plausibler sind dementsprechend seine schlussfolgernden Bemerkungen zu diesem im vorliegenden Band vieldiskutierten Thema („Questions of Interpretation“, S. 118–123).2 Weitaus weniger hat sich die Forschung bisher der „Peer Homosexuality“ gewidmet: Die moderne Bezeichnung ist geeignet, auch antike Gegebenheiten zu erfassen, und der Herausgeber des Bandes geht auf gleichgeschlechtliches Verlangen unter Jugendlichen, unter Frauen und unter erwachsenen Männern ein und stellt dabei die Verschiedenheit der Vorstellungen vom erotischen männlichen Körper heraus: Dem Ideal des sich entwickelnden jungen Mannes in Griechenland stand auf römischer Seite eine durch militärische Übung geprägte äußere Erscheinung entgegen. Antike Diskurse über Sappho und ganz im allgemeinen weibliche Homoerotik, die in der griechischen Archaik positiver als zu späteren Zeiten bewertet und in Rom vor allem in karikierender Weise dargestellt wurde, behandelt Sandra Boehringer; sie zieht das Fazit, dass die Liebe zwischen Männern und die zwischen Frauen jeweils nicht als gleichwertig wahrgenommen wurde, und betont, dass das Thema noch ein hohes Forschungspotential aufweist (S. 160f.).

Der Einbezug moderner wissenschaftlicher Kategorien ist nicht immer problemlos möglich, wie sich gerade im Falle der Hetero- und Homosexualität zeigt. Er kann aber auch neue Perspektiven auf vielfach untersuchte Quellen eröffnen, so dass die These des zehnten Beitrags, bei sexueller Enthaltsamkeit habe sowohl auf nichtchristlicher wie auf christlicher Seite eine Neigung zur Asexualität eine Rolle gespielt, zumindest im Hinblick auf die herangezogenen Beispiele (der Bogen wird vom euripideischen Hippolytos und den Orphikern hin zu spätantiken christlichen Schriften geschlagen) plausibel erscheint. Mit Möglichkeiten und Grenzen sexueller Ausbeutung von Sklavinnen und Sklaven sowie dem Symposium, das sich in Bezug zum griechischen Stadtstaat setzen lässt, sind die darauf folgenden beiden Beiträge befasst.

Unter dem Aspekt der Sexualität werden auch die staatlich geregelten Institutionen der Religion und des Militärs betrachtet: Wesentliche kultische Rollen und Verhaltensweisen enthalten sexuelle Komponenten (die Vestalinnen und die als galli bezeichneten Kybelepriester werden als Beispiele einer alternativen sozialen Identität herangezogen); im soldatischen Milieu boten sich zahlreiche Möglichkeiten sexueller Betätigung, von denen auf diejenige zwischen Militärangehörigen und zwischen Soldaten und Gefangenen genauer eingegangen wird.

Die Aufsätze 15 bis 18 lassen sich inhaltlich der Körpergeschichte im engeren Sinn zuweisen. Sie behandeln den Sport (erfreulicherweise findet sich auch ein Abschnitt über Frauen als Teilnehmer und Zuschauer bei athletischen Veranstaltungen), Überlegungen zu Anatomie und Physiologie in medizinisch-biologischen Schriften (sowie ihre Einbindung in antike Gedankenmodelle und in eine moderne Geschichte der Sexualität) und den Bereich der Magie (einerseits anhand vor allem epigraphischer und papyrologischer Quellen wie etwa der Zauberpapyri, andererseits unter den Schlagwörtern „Dream Interpretation, Physiognomy, Body Divination“).

Fünf Beiträge widmen sich den literarischen Gattungen Epos, erotische Lyrik, Tragödie, Komödie und Mimos sowie der Satire. Gerade bei Ilias, Odyssee und Aeneis wird schnell deutlich, dass noch ein erhebliches Defizit in der Forschung über heterosexuelle Beziehungen besteht, da diese kein deviantes und somit ein vermeintlich uninteressantes Modell und zudem auf den ersten Blick keine primär handlungstragende Komponente darstellen, was sich bei genauerer Betrachtung als Irrtum erweist. Dagegen liegt eine Untersuchung von Sexualität und Erotik bei den anderen genannten Genres auf der Hand und ist in wissenschaftlichen Arbeiten unterschiedlicher Art bereits vorgenommen worden.

Als äußerst kreativer Zugang zu einem Aspekt der antiken Historiographie erweisen sich Joseph Roismans Ausführungen zur Ethnosexualität. Er nimmt vor allem zu der zumeist in Frage gestellten Glaubwürdigkeit und zur unterstellten Konzeption fremder Sexualität bei antiken Autoren eine differenzierte Position ein.3 Das Staatsmodell Platons als radikal gedachte Alternative, die auch sexuelle Belange umfasst, dessen Wirkung auf Zenon von Kition und schließlich die Umformung dieses Gedankenguts durch die Stoiker im römischen Bereich (die eine Zurückweisung gleichgeschlechtlicher Beziehungen und aus heutiger Sicht feministischer Gesellschaftsmodelle beinhaltete) stellt James Jope dar. Daran schließt sich eine Behandlung der sexuellen Anspielungen in der Rhetorik an; besonders die Diffamierung des Gegners durch Berichte über sein sexuell deviantes Verhalten in griechischen Gerichtsreden erscheint dem modernen Leser befremdlich, ist aber aus Aischines’ Rede „Gegen Timarchos“ jedem geläufig, der angefangen hat, sich in das Thema „Homosexualität in der Antike“ einzulesen. Besonders herauszustellen ist der Beitrag von Caroline Vout, schlicht mit „Biography“ betitelt; ihre Analyse dessen, was über die Sexualität römischer Herrscher von Sueton und der Historia Augusta geschrieben wird, stellt heraus, dass Augustus und Caesar auch in diesem Bereich als Rollenmodelle zu verstehen sind, an denen die nachfolgenden Herrscher gemessen werden.4 Sexualität in der Briefliteratur und im erotischen Roman bilden zwei weitere untersuchte Literaturgattungen.

Mit den vor allem aus Pompei stammenden Graffiti sexuellen Inhalts nimmt Craig Williams eine ganz andere Art von Quellen in den Blick, die Aufschluss über die Vorstellungen niedriger gestellter sozialer Schichten geben kann; Ausgangspunkt des Schreibers ist hier oftmals der sexuellen Normen entsprechende, maskuline Mann, der sich mitunter durch Beleidigungen und Witze gegen Frauen und effeminierte Männer abgrenzt, aber auch seine Liebe für eine Person ausdrücken kann. Wie in seiner Monographie „Looking at Lovemaking“ geht John R. Clarke von der These aus5, dass bildliche Darstellungen antiker Sexualität oftmals vom modernen Betrachter missverstanden werden; der Begriff „Pornographie“ ist auf sie nur begrenzt anwendbar, vielmehr wird ein größerer Nuancenreichtum erkennbar, wenn man versucht, die Perspektive des antiken Betrachters einzunehmen. Clarke bietet einen Abriss der wichtigsten Darstellungsmedien von der Archaik bis in die hohe Kaiserzeit.

Die Beiträge 32 und 33 befassen sich mit den Vorschriften zu sexuellen Verhaltensweisen im Judentum in seiner Wechselwirkung mit der griechisch-römisch geprägten Kultur und im frühen Christentum, dem eine religiös motivierte Körperfeindlichkeit als Grund dafür attestiert wird, dass nur eine der Zeugung dienende sexuelle Aktivität als legitim erachtet wurde.

Im Focus der letzten vier Aufsätze steht die Rezeption. Alastair J. L. Blanshard führt literarische Werke aus Renaissance und Barock an, deren erotischen Inhalte auf antike Vorbilder Bezug nehmen; wesentliches Augenmerk liegt hierbei auf der männlichen Homosexualität, doch wird auch die weibliche einbezogen. Mit den Aufsätzen von Michael Matthew Kaylor und Hans Peter Obermayer wird vor allem der griechischen literarischen Zeugnisse für die Knabenliebe Rechnung getragen: Für die sich selbst als Uranians/Uranier bezeichnenden Männer vom letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bis etwa 1930 spielten sie eine eminente Rolle; Kaylor beleuchtet ihren Einfluss auf das akademisch-künstlerische Milieu im viktorianischen England. Obermayers Beitrag setzt sich mit Otto Kiefer und Paul Brandt, zwei Mitgliedern des Wissenschaftlich-humanitären Komitees um den Sexualforscher Magnus Hirschfeld, und der Bedeutung der „Zeitschrift für sexuelle Zwischenstufen“ auseinander. Der Beitrag „Ancient Sexuality on Screen“ von Monica. S. Cyrino erweist sich als stimmiger Abschluss des Bandes, da der Film – möge man dies nun bedauern, möge man es begrüßen – eines der wichtigsten künstlerischen Medien der heutigen Zeit darstellt. Dadurch, dass sexuelle Devianzen herausgearbeitet werden, steht Cyrinos Analyse thematisch auf einer Linie mit einem großen Teil der Aufsätze.

Mit dem „Companion to Greek and Roman Sexualities“ liegt eine aktuelle Sammlung von Einzelbeiträgen vor, die sich mit sehr unterschiedlichen Facetten der antiken Sexualität auseinandersetzen. Ein Handbuch der antiken Sexualität bleibt aber weiterhin ein Desiderat, und das wird wohl noch länger der Fall sein; den Anspruch eines Handbuches erhebt der vorliegende Band allerdings auch gar nicht, sondern der Titel fasst sein Konzept recht gut: Es handelt sich um einen „Begleiter“ für Studenten und Lehrende, die sich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigen oder sich intensiver damit auseinandersetzen und nach neuen Anregungen für ihre Forschung suchen (vgl. S. IX). Diese Funktion erfüllt der „Companion“ auf jeden Fall sehr gut, ein paar Kritikpunkte sind aber unbedingt anzuführen. Die stattliche Zahl der Artikel spiegelt durchaus die inhaltliche Diversität wider, daher verwundert es, dass manche Themen regelrecht an den Rand gedrängt oder gar ganz vernachlässigt wurden. Einige separate Überlegungen zu sprachlichen Gegebenheiten (zum Wortfeld „Liebe“, „Sex“ und „Erotik“) wären von großem Nutzen gewesen, vielleicht auch im Zusammenhang mit grundsätzlichen Erwägungen im Hinblick auf den Gebrauch von modernen Begrifflichkeiten. Gerade weil „Homosexualität“ eine moderne Kategorie ist, die sich nicht ohne weiteres auf antike Gegebenheiten anwenden lässt (wie auch oftmals in dem Band betont wird), wäre es wünschenswert, sich gegebenenfalls mehr auf Ausdrücke wie „gleichgeschlechtliches Verlangen“ zu verlagern.6 Insbesondere die antike Medizin kommt deutlich zu kurz – Giulia Sissas Beitrag „Phusis and Sensuality: Knowing the Body in Greek Erotic Culture“ ist eher als geistesgeschichtliche Verortung der antiken Medizin zu betrachten; da viele Gebiete in dem Buch ausführlich zur Geltung kommen, hätte es durchaus zur Ausgewogenheit beigetragen, wenn man sich diesem Thema beispielsweise unter dem Aspekt der Fachschriftstellerei genähert hätte. Auch die Philosophie wird eher knapp behandelt. Eunuchen werden zwar erwähnt (S. 238 und S. 407f.), sie spielten jedoch nicht nur bei der Begegnung mit fremden Kulturen, etwa den Persern, eine bedeutende Rolle, sondern auch im spätantiken Rom und in Byzanz; auch Intersexualität wird nicht separat dargestellt. Wenn der Rezeption der männlichen Homoerotik schon zwei eigene Beiträge zugestanden wurden, dann hätte ihnen wenigstens ein Pendant für die weibliche Seite gegenübergestellt werden können. Ein Zugang über die Emotionsgeschichte wäre ebenfalls eine Möglichkeit gewesen, neue Perspektiven auf das Thema „antike Sexualität“ zu werfen.

Ein zweiter, gewichtiger Kritikpunkt sei angeführt: Die zitierte Sekundärliteratur beschränkt sich oftmals auf Beiträge in englischer Sprache. Auch wenn die angelsächsische Forschung eine Vorreiterrolle bei den meisten Themen zur antiken Sexualität für sich beanspruchen kann, würde man sich wünschen, dass auch deutsche und französische Forschungen miteinbezogen werden.7 Als dritter Kritikpunkt ist darauf hinzuweisen, dass die Homosexualität trotz reichlicher Quellenbelege und forschungsgeschichtlicher Bedeutung überproportional stark vertreten ist. (Eheähnliche?) Beziehungen zwischen Soldaten und Frauen in der Nähe des Ortes, an dem sie stationiert waren, wie auf S. 231 aufgezählt, sind ebenso wie heterosexuelle Beziehungen im antiken Roman Beispiele für spannende Forschungsthemen, zu deren Ungunsten man sich in den entsprechenden Bereichen mit der homosexuellen Variante beschäftigte. Die vorliegende Publikation zeigt deutlich, dass die Forschungen zur Sexualität in der Antike zumindest im angelsächsischen Bereich überwiegend von den Ansätzen Foucaults und auch denen in daraus resultierenden altertumswissenschaftlichen Arbeiten geleitet werden, was mitunter zur Folge hat, dass die Homosexualität auch Beiträgen zur Hetero- oder anderer Sexualität ein prägendes Profil verleiht. Dies kann wiederum zu einem Mangel an theoretischer Unterfütterung für die Behandlung heterosexueller Themen innerhalb des Forschungszweigs „antike Sexualität“ führen.8 Schließlich sei bemerkt, dass der hohe Preis doch recht unverständlich erscheint; er ist weder durch Papier- und Druckqualität noch durch Druckkosten zu rechtfertigen – und eine weit ausgreifende Verbreitung im Zielpublikum wird damit sicherlich verhindert.

Diese Beanstandungen sollen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Band jedem zu empfehlen ist, der sich mit der antiken Sexualität auseinandersetzt. Ein leichter Einstieg in die einzelnen Themen ist zunächst dadurch gewährleistet, dass die einzelnen Beiträge des Buches sorgfältig untergliedert sind, zudem finden sich an ihrem Ende jeweils kurz kommentierte Literaturhinweise sowie eine kleine Bibliographie. Diese enthält oft wertvolle Hinweise und Anregungen auch für jemanden, der schon in das Forschungsfeld eingearbeitet ist. Die Herangehensweise der Beiträger an ihre Artikel ist sehr unterschiedlich und reicht von eher traditionellen historischen Überblicken bis hin zu einer weniger standardisierten Vorgehensweise, wie es etwa bei der Behandlung der Prostitution der Fall ist. Nie wird suggeriert, dass das Thema erschöpfend behandelt wurde, sondern oft enthält die Rubrik „Guide to further Reading“ direkte Hinweise zu noch offenen Forschungsfragen. Eine selektive Lektüre ganz nach eigenen Vorlieben wird sicherlich vorausgesetzt, und daher sind manche inhaltliche Doppelungen kein Makel9, sondern zeigen einem engagierten Leser Erkenntnisse fördernde Querverbindungen auf.

Die Durchdringung mit foucaultschem Gedankengut hat sicherlich auch den Hintergrund, dass der französische Soziologe nun einmal eine herausragende Bedeutung in der englischsprachigen Forschungslandschaft besitzt, und auf diese nimmt der aktuelle Band Bezug. Daran zeigt sich umso mehr, dass das Forschungspotential, das sich mit der Geschichte der antiken Sexualität auftut, in der deutschen Altertumswissenschaft noch zu wenig erkannt und genutzt wird. Daher würde man sich eindringlich wünschen, dass der „Companion“ auch an deutschen Hochschulen umfangreich rezipiert wird, da er auf hohem Niveau einen schnellen Zugriff zu einzelnen Themen bietet und so den Deutungshorizont für Texte, in denen antike Sexualität von Bedeutung ist, enorm erweitern kann.

Anmerkungen:
1 Ein Detail des Bechers findet sich auf dem vorderen Umschlag von John R. Clarke, Looking at Lovemaking. Constructions of Sexuality in Roman Art, 100 B.C. – A.D. 250, Berkeley 1998. Caroline Vout, Sex on Show. Seeing the Erotic in Greece and Rome, London 2013 zeigt auf dem hinteren Umschlag die auf der Vorderseite des Bechers befindliche Szene. Nicht nur die ungesicherte Provenienz des Kunstwerks bietet Anlass zu der Annahme, es handle sich um eine Fälschung, vgl. dazu Maria Teresa Marabini Moevs, Per una storia del gusto: riconsiderazioni sul Calice Warren, in: Bollettino d’Arte 146 (2008), S. 1–16, mit einem Anhang von Claudio Franchi, sowie Luca Giuliani, Ein Kelch für Mr. Warren, in: Zeitschrift für Ideengeschichte 7, 3 (2013), S. 77–92. Nur sehr vorsichtig äußert sich Vout in der genannten Monographie auf S. 224 mit einem Hinweis auf das Fehlen eines archäologischen Auffindungskontextes.
2 Seine prägnante wie sehr gut lesbare Einführung in die Thematik bildet eine empfehlenswerte Grundlage für alle, die sich (sei es am Rande, sei es in größerem Umfang) mit Homosexualität in der Antike beschäftigen und nicht eine längere Monographie wie die von Kenneth Dover an den Beginn ihrer Lektüre setzen möchten oder können. Nach wie vor ist dessen Monographie „Greek Homosexuality“ (London 1978, deutsch: Homosexualität in der griechischen Antike, München 1983) grundlegend.
3 Vgl. S. 403: „In short, authors who reported on barbarian promiscuity and its consequences did not necessarily have an agenda or a ready-made model to shape their views; nor, presumably, did their readers“ und S. 411: „It is time to stop condemning them (classical authors sc.) for presenting fantasies as truths, and to give them credit for informing us, sometimes accurately, about alien sexuality.“
4 Wohl rhetorisch gemeint ist nach einem längeren Zitat aus Suet. Tib. 43 über die sexuellen Eskapaden des Tiberius auf Capri der Satz: „Who dares to take this seriously?“ (S. 450); er kann aber gar nicht genug unterstrichen werden angesichts der Tatsache, dass Sueton und die Historia Augusta nach wie vor als Fundgrube für Herrscheranekdoten herangezogen werden, die dann mehr oder aber weniger kritisch hinterfragt und in wissenschaftliche Argumentationen einbezogen werden.
5 Vgl. Anmerkung 1.
6 Eingängig formuliert findet sich bei Richard B. Parkinson, A Little Gay History, London 2013, S. 10 der Gedanke, dass mit „same-sex desire“ ein angemessener Ersatz für die Bezeichnung „Homosexualität“ in Bezug auf eine eher ferne Vergangenheit gefunden sei.
7 So hätte man beispielsweise im ersten Kapitel auf die in Deutschland zum Zeitpunkt ihres Erscheinens durchaus innovativen Bändchen von Wolfgang Schuller zu Frauen in der Antike (Frauen in der griechischen Geschichte, Konstanz 1985; Frauen in der römischen Geschichte, Konstanz 1987) oder in Kapitel 5 auf die Monographie von Elke Hartmann, Heirat, Hetärentum und Konkubinat im klassischen Athen, Frankfurt am Main 2002 verweisen können; in Kapitel 8 oder 12 hätte sich etwa ein Hinweis auf Herwig Görgemanns’ Überlegungen zur Krise der attischen Knabenliebe angeboten (Sokratischer Eros in Platons Symposion und die Krisis der attischen Knabenliebe, in: Herbert Kessler (Hrsg.), Sokrates. Nachfolge und Eigenwege, Kusterdingen 2001, S. 135–166); zur Prostitution in Rom ist die Studie von Bettina Eva Stumpp, Prostitution in der römischen Antike, Berlin 1998 nicht unwesentlich, und der WdF-Band von Andreas Karsten Siems (Hrsg.), Sexualität und Erotik in der Antike, Darmstadt 1988 enthält zwar bereits ältere Beiträge, ist aber für manche Belange durchaus noch mit Gewinn heranzuziehen. Erfreulich dagegen ist der Rückgriff auf Beiträge von Werner Krenkel (Naturalia non turpia. Sex and Gender in Ancient Greece and Rome. Schriften zur antiken Kultur- und Sexualwissenschaft, Hildesheim 2006), wie James Jope ihn vornimmt. Bei der Behandlung der Brieftopik lässt Owen Hodkinson allerdings gerade in Bezug auf die einführenden Bemerkungen S. 463–465 in seiner Literaturliste die maßgebliche Monographie von Klaus Thraede, Grundzüge griechisch-römischer Brieftopik, München 1970 vermissen.
8 Vgl. Ingrid E. Holmberg in ihren einleitenden Bemerkungen zu „Sex in Ancient Greek and Roman Epic“ auf S. 315 dieses Bandes mit Bezug auf Froma Zeitlin.
9 So wird etwa die sapphische Lyrik in den Beiträgen 9 und 20 behandelt.

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