S. Geifes: Das Duell in Frankreich

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Titel
Das Duell in Frankreich 1789–1830. Zum Wandel von Diskurs und Praxis in Revolution, Kaiserreich und Restauration


Autor(en)
Geifes, Stephan
Reihe
Pariser historische Studien 102
Erschienen
München 2013: Oldenbourg Verlag
Anzahl Seiten
XI, 372 S.
Preis
€ 44,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ronald G. Asch, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Geifes’ Studie ist der Geschichte des Duells in einer wichtigen Umbruchphase gewidmet. Gemeinhin wird angenommen, dass das Duell eine typische soziale Institution des Ancien Régime war. In der Regel Adligen vorbehalten, erlebte es seine Blütezeit im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, um dann nach der Französischen Revolution als Reminiszenz an die Sitten einer vergangenen Zeit zu überleben, gepflegt von Angehörigen des alten Adels, aber auch von Bürgerlichen, die sich einen Statusgewinn durch die Übernahme der sozialen Praktiken des Adels erhofften. Die Geschichte des Duells in Frankreich, wie sie Geifes präsentiert, widerspricht diesen Annahmen jedoch weitgehend. Zum einen war diese Form des Zweikampfes in Ehrkonflikten schon vor 1789 keineswegs unbedingt dem Adel oder dem Militär vorbehalten, auch Bürger und Handwerker duellierten sich, was im übrigen auch für Deutschland mit gewissen Einschränkungen galt. Zum anderen erlebten bestimmte Sonderformen des Duells in Frankreich im Laufe des 19. Jahrhundert geradezu einen ungeahnten Aufschwung. Das galt besonders für Duelle zwischen Politikern, aber auch unter Journalisten respektive zwischen Angehörigen der beiden Gruppen.

Geifes geht der Frage nach, wie man sich diesen Aufschwung erklären kann. Zum einen, dies wird deutlich, fanden erste Duelle zwischen Politikern schon in den frühen 1790er-Jahren statt, auch wenn sie oft nicht als Austragung ideologischer Differenzen mit dem Degen oder der Pistole sondern als persönliche Konflikte inszeniert wurden. Zum anderen erlebte das Duell auch in der Armee nach 1790 einen starken Aufschwung. Zwar war es hier auch zuvor stillschweigend geduldet worden, fand aber doch meist im Geheimen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Jetzt hingegen gaben sich manche Regimenter ganz offiziell ein eigenes Reglement für Duelle, die auch dazu dienten, die unteren Dienstgrade zu disziplinieren, wie Geifes zeigen kann. Da man die degradierenden Strafen, die etwa in der preußischen Armee noch üblich waren, ablehnte, schien ein strenger Ehrencodex, der Übertretungen mit Duellforderungen ahndete, eine angemessenes Mittel zu sein, um die Kohärenz des Militärs zu gewährleisten. In der napoleonischen Armee nahm die Neigung zu Duellen noch einmal dramatisch zu, was auch auf das übersteigerte Ehrgefühl, das nun auch die einfachen Soldaten erfasst hatte, zurückgeführt werden konnte. Von Napoleon wurden die Zweikämpfe meist geduldet, solange sie nicht etwa in Form von Serienduellen die militärische Disziplin untergruben. Allerdings kam es einstweilen noch kaum zur offenen, womöglich gar systematischen Verteidigung des Duells als sozialer Praxis namentlich unter Zivilisten.

Dies sollte sich unter der Restauration, wie Geifes zeigt, ändern. Zum einen fanden nun vermehrt explizit politische Duelle zum Beispiel zwischen Politikern verfeindeter Parteien oder zwischen Abgeordneten und Angehörigen des Hofes auf der einen Seite und Journalisten, von denen sich diese Personen beleidigt fühlten, auf der anderen statt. Diese Duelle nahmen nicht selten sogar einen tödlichen Ausgang. Zudem wurden nun die Stimmen lauter, die diese Praxis als einen besonderen Ausdruck des französischen Nationalcharakters verteidigten, wie dies etwa 1820 anlässlich der Preisfrage der Akademie zu Dijon nach den besten Mitteln zur Überwindung des Duells geschah, eine Debatte, der Geifes einen eigenen Abschnitt widmet. Schon zuvor hatte der Schriftsteller Brillat-Savarin darauf verwiesen, dass Duelle als Sanktion gegen Regelverstöße das beste Mittel seien, um einen zivilisierten Umgang in einer freien Gesellschaft zu gewährleisten. Der englische Philosoph Mandeville hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts bereits ähnlich argumentiert, wie Leser der einschlägigen Studie von Markku Peltonen wissen 1. In Frankreich führte diese Debatte jedoch zu einer bemerkenswerten dauerhaften Akzeptanz des Duells gerade auch im Milieu der Politik. Allerdings verlor es zunehmend seinen Charakter als einer potentiell tödlichen Auseinandersetzung und wurde zu einem relativ ungefährlichen Ritual, das nun auch vor einer größeren Öffentlichkeit und in Gegenwart der Presse ausgetragen wurde, wie Geifes unterstreicht. Sein Ende fand es erst mit dem Ersten Weltkrieg, der diese inszenierten Ehrkonflikte nun als lächerlich erscheinen ließ.

Die Stärke der Studie von Geifes besteht darin, dass sie die soziale Praxis ebenso in den Blick nimmt wie die gesellschaftlichen Diskurse, die diese Praxis deuteten und gegebenenfalls auch legitimierten. Er lässt deutlich werden, warum in Frankreich seit dem frühen 19. Jahrhundert das Duell gerade auch als Institution einer Bürgergesellschaft, die sich deutlich vom Militär und seinen Traditionen abgrenzte, allgemeine Anerkennung genießen konnte. Es galt in seinem überständischen Charakter, der allerdings in den späteren Jahrzehnten zum Teil einer größeren sozialen Exklusivität wich, als typisch französisches Phänomen und eben nicht wie in Deutschland als Relikt einer fernen feudalen Epoche. Der traditionsbewusste Adel, der Duelle mit tödlichem Ausgang vorzog, machte sich im übrigen oft über die ritualisierten Duelle von Politikern und Journalisten, denen der notwendige Ernst fehle, lustig. Bemerkenswert bleibt, dass eine explizite Rechtfertigung des Duells, die vor 1789 trotz seiner weiten Verbreitung unmöglich gewesen wäre, seit dem frühen 19. Jahrhundert gesellschaftlich durchaus akzeptabel wurde. Geifes leistet mit dieser gelungenen Studie dabei nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Geschichte des Duells selber, sondern auch zur Geschichte von Ehrvorstellungen und Männlichkeitsidealen in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts.

Anmerkungen:
1 Markku Peltonen, The Duel in Early Modern England. Civility, Politeness and Honour, Cambridge 2003.

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