J. Kłoczowski: Klöster und Orden im mittelalterlichen Polen

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Titel
Klöster und Orden im mittelalterlichen Polen.


Autor(en)
Kłoczowski, Jerzy
Reihe
Klio in Polen 15
Erschienen
Osnabrück 2013: fibre Verlag
Anzahl Seiten
541 S.
Preis
€ 48,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Claudia Krahnert, Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig

Wie in der heutigen mediävistischen Forschung nicht mehr bestritten, nahmen Klöster und Orden in der Gesellschaft und der Kultur des europäischen Mittelalters eine kaum zu überschätzende Rolle ein. Auch in der polnischen Forschung wird die Bedeutung der Klöster erkannt, sodass viele Einzel- und Fallstudien zu verschiedenen Orden oder zur Pfarreistruktur sowie zu wirtschafts- und kirchenhistorischen Fragestellungen zum polnischen Mittelalter entstanden sind. Diese gingen jedoch kaum über eine nationale Perspektive hinaus.1 Außerdem gab es bisher kaum Versuche, sich der polnischen Ordensbewegung als Gesamtphänomen mit sozial- und kulturgeschichtlichen Fragen zu nähern. Jerzy Kłoczowski, einer der besten Kenner der polnischen Kulturgeschichte2, bietet mit der vorliegenden Arbeit eine Revue totale der Ordensbewegungen in Polen im Kontext der gesamteuropäischen Entwicklung und resümiert seine eigene jahrzehntelange wie auch die weitere nationale Forschung auf diesem Gebiet.3

Der vorliegende, insgesamt 541 Seiten umfassende Band ist in vier große Hauptteile gegliedert, von denen sich die ersten drei dem chronologischen Überblick, der Etablierung, Konsolidierung und Stabilisierung der Ordensgemeinschaften in den historischen Gebieten des mittelalterlichen Polens widmen. Die Untersuchung umfasst die polnisch-litauischen Länder, Pommern, Schlesien sowie das preußische Ordensland. Die Entwicklung dieser Länder wird jedoch nicht isoliert betrachtet, sondern in die allgemeineuropäische Geschichte vom 10. bis zum beginnenden 16. Jahrhundert eingebettet. Dabei zeichnet Kłoczowski die großen Linien der Entwicklung der polnischen Ordensgemeinschaften nach, im Besonderen die der Mendikanten. Die ersten drei Kapitel können als Vorbereitung auf das vierte und wohl auch innovativste Kapitel verstanden werden. Hier verfolgt Kłoczowski einen diachronen und systematischen Überblick über die religiösen, pastoral-edukativen und intellektuellen Funktionen der verschiedenen Ordensgemeinschaften innerhalb der mittelalterlichen polnischen Gesellschaft sowie deren Bedeutung für die polnische Kultur insgesamt.

Im Ergebnis des ersten Kapitels (S. 21–82) arbeitet Kłoczowski heraus, dass nur zwei Benediktinerabteien tatsächlich bis in das 11. Jahrhundert zurückverfolgt werden können. Für die Mehrheit der Klöster, das heißt für die Regularkanoniker- und Zisterzienserkonvente, sei schließlich eine Entstehung und vorläufige Stabilisierung erst für die Zeit zwischen 1150 und 1190 nachweisbar. Hinsichtlich der Entwicklung der Klostergründungen lässt sich jedoch zwischen den einzelnen Landesteilen Polens ein eindeutiges quantitatives Missverhältnis erkennen, das sich in einem Übergewicht Kleinpolens, einem Gleichgewicht in Schlesien, Großpolen und Pommern sowie in einem schwach ausgeprägten Masowien ausdrückt.

Das 13. Jahrhundert, so zeigt Kłoczowski im zweiten Kapitel (S. 83–211), muss sowohl für Polen als auch für ganz Ostmitteleuropa als entscheidende Etappe bei der Konsolidierung und Schaffung eines gut verankerten Netzwerkes von Ordensniederlassungen gewertet werden. Am Ende des 13. Jahrhunderts existierten schließlich in Polen alle Typen des lateinisch-christlichen Ordenslebens. Die generellen Veränderungen des 13. Jahrhunderts beeinflussten besonders den Durchbruch der Bettelorden als auch die Entwicklung der Frauenordensbewegung, der Kłoczowski ein gesondertes Kapitel einräumt (S. 186–206). Die zahlenmäßige Verteilung der Klöster um das Jahr 1300 spiegelt die neuen Entwicklungen in Polen wider: 46 Klöster älteren Typs (Mönche, Kanoniker), 133 Klöster neuen Typs (Bettelorden und Frauenklöster). Noch immer zeigen sich Unterschiede in der Dichte der Klöster sowie in der regionalen Verteilung, die sich zum einen mit der Zersplitterung der polnischen Territorien, zum anderen mit der ungleich voranschreitenden Urbanisierung in den einzelnen Gebieten erklären lassen. Den besonderen Erfolg der Mendikanten erklärt Kłoczowski damit, dass diese im Vergleich zu den alten Mönchsformationen und im Vergleich zum Deutschen Orden eine optimistische Version des Christentums im Geiste des aufkommenden christlichen Humanismus repräsentierten. Besonders durch die Mendikanten rezipierte die Gesellschaft in Polen zeitversetzt das sich bereits seit dem 11. Jahrhundert ausbildende Gesellschafts- und Kulturmodell West- und Mitteleuropas. So schuf das 13. Jahrhundert die strukturellen Grundlagen und entschied damit über die tiefgreifende Christianisierung und Okzidentalisierung Polens und somit über die Ausformung der polnischen Kultur im Kontext der europäischen Res publica christiana.

Das dritte Kapitel (S. 213–326) beendet den chronologischen Überblick über die Entwicklungen und Transformationen der Ordensgemeinschaften bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts. In der tiefgreifenden Krise des 14. Jahrhunderts kann Kłoczowski für Polen zwei Parallelentwicklungen ausmachen. Während die eine in die Stagnation der Mönchs-, Frauen- und Regularkanonikerklöster mündete, führte die andere bei den Mendikanten zu einer Reformbewegung, die sowohl eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Observanz als auch die Gründung neuer Orden (Augustiner-Eremiten, Karmeliter) und neuer Ordenszweige (Franziskaner-Observanten) nach sich zog.

Im vierten Kapitel (S. 327–442) zeigt Kłoczowski schließlich sehr eindrucksvoll, in welcher Intensität Zisterzienser, Dominikaner und Franziskaner seit dem Laterankonzil von 1215 verschiedenste Funktionen innerhalb des christlichen Erziehungsprogramms übernommen haben. Dieses Programm hatte sich unter anderem die Erfassung der Bevölkerung in Pfarrkirchen und eine flächendeckende christliche Erziehung zum Ziel gesetzt. Aufgrund ihres eigenen Schulsystems verfügten besonders die Mendikanten über genügend ausgebildetes Personal, mit dem sie sich das Monopol über die pastoral-edukativen Aufgaben sicherten. Vor diesem Hintergrund betrachtet Kłoczowski die Predigt und die eingeführte Pflicht zur Individualbeichte als zentrale Instrumente der Mendikanten bei der Verbreitung der religiösen und kulturellen Inhalte des christlichen Humanismus in Polen, da durch diese ein intensiver und direkter Kontakt mit breiten Gesellschaftsschichten gewährleistet war. Er weist darauf hin, dass eine systematische Auswertung der Predigtsammlungen weitere Hinweise auf die religiös-spirituelle Kultur in der polnischen mittelalterlichen Gesellschaft ergeben würde. Das Interesse Kłoczowskis richtet sich auch auf die Beziehung der Mendikanten zur Krakauer Universität. Seine Auswertung der Universitätsmatrikel erlaubt den Schluss, dass es kaum Theologiestudenten an der Universität gegeben hat und die Mendikanten offensichtlich ihre ordenseigenen studia generalia vorzogen, die mit ihrem mehrjährigen Curriculum eine Ausbildung auf universitärem Niveau garantierten. Kłoczowski revidiert aus diesem Grund auch die in der Forschung weit verbreitete Ansicht vom Einfluss der Universitäten auf die Pfarrgeistlichkeit und spricht den Orden für das 15. Jahrhundert noch immer ihre traditionelle Stellung auf dem Gebiet der Theologie zu. Kłoczowski folgend scheint auch in den Bibliotheken der Ordensgemeinschaften ein lohnendes Forschungsfeld zu liegen, spiegeln sich doch in ihren Beständen der Charakter der Kultur und die ausgeübte Funktion der Klöster wider. Neue Erkenntnisse sind Kłoczowskis Ansicht nach auch durch eine systematische Untersuchung der Predigten und der Bibliotheken in Bezug auf die Entwicklung der volkssprachlichen Texte und der dadurch erkennbaren Etablierung der polnischen Sprache zu erwarten.

Jerzy Kłoczowski zeigt mit diesem Band sehr überzeugend, dass es nicht möglich ist, sich dem Phänomen der Ordensbewegungen in Polen allein durch Einzel- und Fallstudien ohne einen allgemeingeschichtlichen Überblick und ohne grundsätzliches Verständnis des geistlichen Lebens in Europa zu nähern. Da die Beschäftigung mit der europäischen Geschichte und deren Bedeutung samt der Rolle der Orden in ihren Entwicklungen und Wandlungen für eine umfassende Darstellung der Geschichte des Christentums und der Orden in Polen unumgänglich ist, wird Kłoczowski nicht müde, immer wieder zu vergleichenden Studien auch über die nationalen Grenzen Polens hinaus aufzufordern und in allen Kapiteln Forschungsdesiderate und entsprechende neue Forschungsfelder aufzuzeigen. Er sieht die grundsätzliche kulturelle Vielfalt sowie die Ausbildung von Nationalkulturen mit jeweils eigenen Traditionen als wesentliches Charakteristikum der westlichen Welt der Res publica christiana. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich der Beitrag der Orden am Werden einer polnischen Nationalkultur sowie des Nationalbewusstseins nachvollziehen, die in der westlich christlichen Kultur verankert ist. Bleibt zu wünschen, dass es der polnischen Forschung auf breiter Ebene gelingen wird, die von Kłoczowski vehement vertretene europäische Perspektive auf die polnische Geschichte aufzugreifen und gewinnbringend weiterzuführen.

Anmerkungen:
1 Als polnische Beiträge mit zum Teil europäischer Perspektive seien hier exemplarisch genannt: Eugeniusz Wiśniowski, Parafie w średniowiecznej Polsce. Struktura i funkcje społeczne [Pfarreien im mittelalterlichen Polen. Struktur und soziale Funktionen], Lublin 2004; Stanisław Litak, Parafie w Rzeczypospolitej w XVI – XVIII wieku. Struktura, funkcje społeczno-religijne i edukacyjne [Die Pfarreien in der Adelsrepublik vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Struktur, sozio-religiöse und erzieherische Funktionen], Lublin 2004; Jerzy Kłoczowski, Młodsza Europa. Europa Środkowo-Wschodnia w kręgu cywilizacji chrześcijańskiej średniowiecza [Das jüngere Europa. Ost-und Mitteleuropa im Kreis der mittelalterlichen christlichen Kultur], Warschau 1998.
2 Bereits in den 1960er-Jahren brachte Kłoczowski ein Werk mit dezidiert europäischer Perspektive heraus, das in Polen noch heute als eines der Standardwerke zum mittelalterlichen Christentum auch für Polen gilt und mehrfach überarbeitet und aufgelegt wurde; zuletzt: Jerzy Kłoczowski, Wspólnoty chrześcijańskie w tworzącej się Europie [Christliche Gemeinschaften im werdenden Europa], Poznan 2003.
3 Es handelt sich hier um die Übersetzung eines bereits im Jahr 2010 erschienenen Werkes: Jerzy Kłoczowski, Wspólnoty zakonne w średniowiecznej Polsce [Religiöse Gemeinschaften im mittelalterlichen Polen], Lublin 2010.