M. Hartmann (Hrsg.): Briefbuch Wibalds von Stablo

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Titel
Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey.


Herausgeber
Hartmann, Martina; nach Vorarbeiten von Zatschek, Heinz; Reuter, Timothy
Reihe
MGH, Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 9
Erschienen
Anzahl Seiten
3 Bde., CLXXVI, 1034 S.
Preis
€ 150,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tanja Broser, Berlin

Beim Briefbuch Wibalds von Stablo und Corvey († 1158) handelt es sich ohne Frage um eine grundlegende Quelle für die Geschichte der frühen Stauferzeit. Nicht nur tritt uns der bedeutende Prälat in seinen Briefen als Politiker, Mensch und Gelehrter entgegen, es finden sich hier auch wesentliche Dokumente für das Verhältnis von Reich und Papsttum in dieser Zeit. Dies liegt auch daran, dass in dem Briefbuch keineswegs nur Schreiben, die den Abt als Absender nennen, enthalten sind, sondern auch Briefe Dritter und verschiedene urkundliche Stücke, die mit Wibald in Zusammenhang stehen.

Dementsprechend wurden die hier enthaltenen Schreiben in der Forschung bereits vielfach herangezogen und ausgewertet. Allerdings gab es bislang keine modernen, wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition des Briefbuches. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Schreiben nur schwer zugänglich gewesen wären. Es gibt mit der Ausgabe von Martène und Durand1 sowie mit der von Philipp Jaffé2 zwei ältere Editionen, die einen weitgehend zuverlässigen Text bieten. Gleichzeitig sind verschiedene Stücke in moderne Urkundenbücher aufgenommen worden. Dennoch blieb eine Neuedition des gesamten Briefbuches eine empfindliche Leerstelle. Diese füllt nun die anzuzeigende Edition Martina Hartmanns, die sich auf umfangreiche Vorarbeiten von Heinz Zatschek († 1963) und Timothy Reuter († 2002) stützen konnte. Bereits 1929 begann Zatschek an der geplanten Neuedition des Briefbuches zu arbeiten, konnte diese jedoch aufgrund der Zeitumstände nicht zum Abschluss bringen. Nach einigen Jahren Ruhezeit übernahm 1975 Reuter diese Aufgabe, die er leider nicht mehr zu Ende führen konnte. So kam das Projekt 2004 an Martina Hartmann.

Das Ergebnis ist eine dreibändige Edition des Briefbuches mit seinen insgesamt 451 Stücken aus den Jahren 1146–1157 in der MGH-Reihe „Briefe der deutschen Kaiserzeit“. Die Grundlage der Edition ist, wie bereits bei den früheren Ausgaben, die Handschrift aus dem Lütticher Staatsarchiv Ms. I 341. Bei diesem einzigen erhaltenen mittelalterlichen Textzeugen handelt es sich nach übereinstimmender Meinung um das Original. Die Handschrift ist allerdings unvollständig. Zu Beginn fehlt eine Lage, so dass das Briefbuch unvermittelt mitten in einem Brief anfängt. Die Lage scheint bereits im Mittelalter verloren gegangen zu sein, da sich die entsprechende Lücke auch in den vier neuzeitlichen Abschriften findet. Eine von diesen, die Brüsseler Handschrift, Bibliothèque Royale, II 1446, wird von Hartmann für die Emendation verderbter Stellen herangezogen – eine Vorgehensweise, die auch der der beiden älteren Editionen entspricht. In welchem Umfang und nach welchen Maßgaben dies in Hartmanns Edition geschieht, wird nicht ausgeführt. Gleiches gilt für das gesamte Vorgehen bei der Texterstellung. So fällt bei der Durchsicht der Brieftexte auf, dass phasenweise viele caudierte Buchstaben auftreten, während in einigen Briefen kein einziger zu finden ist. Dies wird in der Einleitung nicht erläutert, wie die Editionsprinzipien überhaupt kaum dargelegt werden.

Anders als in den früheren Editionen von Martène/Durand und Jaffé, die versuchten, die Briefe in eine chronologische Reihenfolge zu bringen, wird diesmal die Konzeption des Originals übernommen. Dadurch bleibt die Anlage des Briefbuches mit seiner Ordnung nach bestimmten Problem- oder Themenfeldern erstmals auch in der Edition erkennbar.

Ohne Frage entspricht die Edition in ihrer Gesamtgestaltung den hohen Anforderungen der Reihe, in der sie erschienen ist. Dennoch finden sich einige Punkte, die ein wenig verwundern. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Schriftstücken, die an zwei Stellen in das Briefbuch eingetragen wurden. Dass die Kopfregesten hier zum Teil voneinander abweichen, fällt insgesamt nicht weiter ins Gewicht, da es sich um Kleinigkeiten handelt. Schwerer nachvollziehbar ist hingegen, dass im kritischen Apparat der entsprechenden Briefe nicht immer auf die Version im parallelen Brief eingegangen wird. So wird in Brief 394 für substitisubstituti eingesetzt und diese Wahl mit der Brüsseler Handschrift und den Entscheidungen von Martène/Durand und Jaffé untermauert (S. 827, Z. 29). Dass in dem parallelen Stück im Briefbuch, Brief 401, diese Variante ebenfalls auftritt (S. 838, Z.18), wird jedoch nicht ausgewiesen. Auf eine ungenaue Abschlussredaktion lässt sich wohl der Umstand zurückführen, dass weder die Zeichensetzung noch der Sachapparat in den beiden Stücken gleich sind.

Erschlossen werden die drei Bände außer durch die Einleitung, die sich unter anderem intensiv mit der Entstehungsgeschichte des Briefbuches und den Quellen und Vorlagen Wibalds auseinandersetzt, durch zahlreiche Verzeichnisse und Konkordanzen. So werden neben dem Initienverzeichnis und einer Konkordanz zu den beiden älteren Editionen die enthaltenen Papst- und Herrscherbriefe über tabellarische Übersichten erschlossen. Auch das stark untergliederte Register dürfte bei der Arbeit mit der Edition sehr hilfreich sein, zumal hier neben Personen, Handschriften, Zitaten sowie Wörtern und Sachen auch die Briefempfänger und Briefabsender in eigenen Registern ausgewiesen werden. Für die bequeme Textsuche innerhalb der Edition kann zudem nach wie vor auf die Vorabedition zurückgegriffen werden, die in Form von mehreren PDF-Dokumenten bereits 2009 online zur Verfügung gestellt wurde.3

Ergänzend zur Edition des Briefbuches erschien bereits 2011 ein Band in der Reihe „Studien und Texte“, der aus den Arbeiten an der Kommentierung des Briefbuches hervorgegangen ist.4 Das gesammelte Material schien für die Editionseinleitung zu umfangreich. Der Band enthält unter anderem die erhaltenen Schreiben von und an Wibald von Stablo vor der Anlage des Briefbuches in kritischer Edition (S. 29–44) sowie in Regestenform die aus dem Briefbuch zu rekonstruierenden 100 Deperdita (S. 57–95). Zwei knapp gehaltene Kapitel zur Brieftechnik des 12. Jahrhunderts (S. 97–107) und zur Briefliteratur (S. 109–125), die Wibalds Briefbuch innerhalb des mittelalterlichen Briefwesens verorten, schließen den Band ab. Leider scheint der Band nicht noch einmal sorgfältig redigiert worden zu sein, so dass einige Querverweise nicht stimmig sind. Als Beispiel sei der Verweis auf die Epistolae vagantes zum Briefbuch (S. 4, Anm. 13) genannt. Anders als angegeben, bezieht sich dieser auf die Edition (S. 45–56) und nicht auf einen Anhang I.

Es ist ausgesprochen erfreulich, dass mit der Edition des Briefbuches sowie dem ergänzenden Band die gesamte Korrespondenz des bedeutenden Abtes, soweit sie erhalten ist, nunmehr in einer modernen, wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Form vorliegt – vor allem auch angesichts der langen und nicht immer problemlosen Geschichte dieses editorischen Unternehmens. Ohne Frage wird man die Bände trotz einiger kleinerer Mängel gerne und mit Gewinn zur Hand nehmen.

Anmerkungen:
1 Edmond Martène / Ursin Durand, Veterum scriptorum et monumentorum historicorum, dogmaticorum, moralium amplissima collectio, Bd. 2, Paris 1724, S. 153–621.
2 Philipp Jaffé (Hrsg.), Monumenta Corbeiensia, Berlin 1864, S. 76–616.
3 Martina Hartmann, Das Briefbuch Abt Wibalds von Stablo und Corvey (Vorabedition als PDF), 2012. In: MGH. Datenbanken. Wiblad von Stablo, <http://www.mgh.de/datenbanken/wibald-von-stablo/> (14.10.2013).
4 Martina Hartmann, Studien zu den Briefen Abt Wibalds von Stablo und Corvey sowie zur Briefliteratur in der frühen Stauferzeit, Hannover 2011.

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