T. Huthwelker: Die Darstellung des Rangs in Wappen und Wappenrollen

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Titel
Die Darstellung des Rangs in Wappen und Wappenrollen des späten Mittelalters.


Autor(en)
Huthwelker, Thorsten
Reihe
Rank. Politisch-soziale Ordnungen im mittelalterlichen Europa 3
Erschienen
Ostfildern 2013: Jan Thorbecke Verlag
Anzahl Seiten
222 S.
Preis
€ 34,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Torsten Hiltmann, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Anders als man vermuten mag, sind Wappen und Wappenbücher zumindest in historischer Perspektive bislang kaum erforscht. Ein erstaunlicher Umstand, wenn man bedenkt, welche zentrale Rolle die heraldischen Zeichen in der spätmittelalterlichen Kommunikation einnahmen und über welch großes Erkenntnispotential sie insbesondere für kultur- und sozialgeschichtliche Fragestellungen verfügen. Von daher ist jede neue Studie auf diesem Feld sehr zu begrüßen, dessen Bearbeitung uns jedoch noch immer vor einige methodische Probleme stellt.

Die etwas über 180 Textseiten umfassende Arbeit ist aus einem Teilprojekt des Heidelberger European Research Council (ERC)-Projektes „RANK/Rang und Ordnung“ hervorgegangen, an dessen Leitfrage nach der Ausbildung und Visualisierung politischer und sozialer Ordnung im spätmittelalterlichen europäischen Fürstentum sie anknüpft. In Bezug auf die heraldischen Quellen widmet sie sich dabei zwei wesentlichen Erkenntnisinteressen: Zum einen fragt sie, inwieweit der zeitgenössische Betrachter anhand des Schildinhalts eines Wappens etwas über den Rang seines Trägers erfahren konnte. Zum anderen stellt sie die Frage, inwieweit Wappenrollen und Wappenbücher gesellschaftliche Ordnungen abbilden und so auch etwas über Wahrnehmung und Verständnis des Ranges einer Person in der Gesellschaft aussagen können. Mit den Wappen und den Wappenbüchern nimmt die Arbeit zugleich zwei sehr verschiedene Bedeutungsträger in den Blick, die für eine gemeinsame Analyse kaum übereinzubringen sind (was hier aber auch nicht intendiert ist), weshalb sich die vorliegende Studie in zwei gleichberechtigte Teile gliedert.

Zur Beantwortung der gestellten Fragen setzt sie sich vergleichend mit den Verhältnissen in England und im Reich im späten Mittelalter auseinander, wobei die Begrenzung des Spätmittelalters auf den Zeitraum zwischen 1200 und 1400 dazu führt, dass die gerade für den Gegenstand der Studie wichtigen Entwicklungen des 15. Jahrhunderts hier leider unberücksichtigt bleiben müssen. Nach einem summarischen Forschungsüberblick zur Entwicklung der mittelalterlichen Heraldik wendet sich Thorsten Huthwelker zunächst der Frage zu, inwieweit schon allein der Schildinhalt eines Wappens etwas über den Rang seines Besitzers aussagen kann; eine Frage, die sowohl in Bezug auf die Tinkturen als auch auf die Figuren beantwortet werden soll. Dafür greift Huthwelker zunächst auf die zeitgenössische Traktatliteratur zurück, um diese nach einer übergreifend geltenden Rangfolge der heraldischen Farben und nach der Zuweisung bestimmter Farben zu bestimmten sozialen Gruppen zu befragen. Da für das 13. und 14. Jahrhundert derartige Quellen kaum überliefert sind, weitet er an dieser Stelle den Fokus auf die Zeit bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts und vor allem auf Texte aus Frankreich und Italien aus. Indem er sich bewusst dafür entscheidet, allein mit ediertem Material zu arbeiten, verzichtet er auf die Möglichkeit, weitere relevante Texte und Überlieferungen zu erschließen, womit er sich in seiner Analyse allein auf die bisweilen auch fehlerhaften Editionen stützen muss. Auch bei der Erläuterung dieser Texte beschränkt sich Huthwelker allein auf vorhandene, auch nicht immer aktuelle Literatur, die dabei nicht immer in ihrer Tiefe ausgeschöpft wird. Indem er auf eine ausführlichere Quellenkritik verzichtet, kommen so grundlegende Fragen wie die nach der Beziehung zwischen theoretischem Diskurs und gelebter Praxis in der Arbeit nicht zur Sprache.

Ausgehend von der Feststellung, dass in diesen Texten der Farbe Grün meist die geringste Wertigkeit zugeordnet wird, kommt Huthwelker zu dem Ergebnis, dass eine soziale Konnotation der Farbe Grün plausibel erscheine. Eine Feststellung, die er dann selbst zum Teil wieder einschränkt (S. 47) und die aufgrund der im darauffolgenden Abschnitt zur Praxis der Wappenführung gemachten Angaben noch einmal kritisch zu prüfen wäre (S. 54). Auch der Versuch, auf besonderen Rang verweisende Wappenfiguren zu identifizieren, muss letztlich ohne Erfolg bleiben. Aufgrund der fehlenden Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis stößt der Autor auch hier in der Auswertung der Traktatliteratur an interpretatorische Grenzen, während er in seinen Darstellungen zur Wappenpraxis statt der Wertigkeit einzelner Wappenfiguren vielmehr das mit einzelnen konkreten Wappen (Württemberg, Tübingen) verbundene Prestige in den Blick nimmt. Am Ende des ersten Teils der Untersuchung resümiert Huthwelker, dass sich zwar keine „harten Kriterien“ (S. 67) hätten finden lassen, denen zufolge eine bestimmte Farbe oder Figur einer bestimmten Rangstufe vorbehalten gewesen sei. „Gewisse weiche Kriterien, rangstufenspezifische Vorlieben“ (ebenda) seien dennoch erkennbar – eine Feststellung, die sich mit Blick auf die verschiedenen Hintergründe heraldischer Motivfindung und die durch Erblichkeit eingeschränkte Dynamik in der Wappengestaltung vor einer abschließenden Bewertung sicher noch weiter differenzieren ließe.

Der zweite Teil der Studie wendet sich dann den Wappenbüchern zu und zieht hierfür Anlassrollen, allgemeine Wappenrollen, regionale Rollen und Lehnrollen heran (unter Einbezug einiger bemalter Deckenbalken und unter Ausschluss von Wappensälen). Die zu untersuchende Quellengruppe wird dann noch einmal auf jene Wappensammlungen begrenzt, die auch Fürsten verzeichnen, womit Huthwelker auf eine Liste von 23 englischen und 19 deutschen Wappenrollen kommt, die daraufhin kurz vorgestellt werden. Auch hier beschränkt sich Huthwelker allein auf die Arbeit mit Editionen, was im Falle der Wappenbücher nicht unproblematisch ist, wurden die meisten der vorliegenden Editionen doch vor allem aus einem engeren hilfswissenschaftlichen Interesse heraus angefertigt, was wichtige kontextuelle Aspekte wie z.B. die visuelle Gestaltung der Wappenbücher ausblendet, die in der vorliegenden Studie dann auch keine Rolle spielen. Auch in Bezug auf die Wappenbücher wäre eine intensivere Quellenkritik sicherlich hilfreich gewesen. Wichtige Fragen wie die nach den Entstehungszusammenhängen der Quellen und dem Verhältnis zwischen Original und Kopie werden allein mit dem Hinweis erwähnt, dass es sich hier um eine sehr „komplizierte Aufgabe“ handele und das Ganze „sehr heikel“ sei (S. 74f.) und dass in den hier näher zu untersuchenden oberen Rängen Variationen doch eher selten seien. Damit ist zugleich ein großes Desiderat angesprochen, dem sich die Forschung erst noch stellen muss. Dass Huthwelker bei der Einordnung der einzelnen Wappenbücher dann jedoch auch auf Darstellungen zurückgreift, deren Methoden – wie er auch selbst schreibt – von der Forschung bereits grundlegend in Frage gestellt wurden, ohne auf diese Kritik selbst einzugehen, muss hier dennoch kritisch angemerkt werden. Auch wenn dieser knappe Überblick über die herangezogenen Quellen damit nicht ohne Probleme ist, kann Huthwelker an dieser Stelle doch sehr eindrücklich zeigen, wie sehr die englischen und die deutschen Wappenbücher ihren jeweiligen Entstehungskontexten verhaftet sind – wenn die englischen Wappenbücher schon früh den gesamten englischen Hochadel verzeichneten, während jene aus dem Reich bis zum Ende des 14. Jahrhunderts inhaltlich meist allein auf ihre Entstehungsregion beschränkt blieben.

In seiner Auseinandersetzung mit den Wappenbüchern versucht Huthwelker in einem ersten Schritt zunächst deren innere Ordnungsmuster nachzuzeichnen. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass sich in den okkasionellen Wappensammlungen „hierarchische, verwandtschaftliche, militärische und gefolgschaftliche Ordnungsmuster“ (S. 105) wiederfinden ließen und dass es jenseits der hier behandelten Beispiele oftmals schwierig sei, überhaupt ein Ordnungsprinzip zu erkennen. Sein Urteil zu den allgemeinen Wappenrollen fällt ähnlich komplex aus, wenn man seine zahlreichen Relativierungen mit einbezieht. So entsprächen jene aus dem englischen Bereich „normalerweise hierarchischen Ordnungsvorstellungen“ und würden “zumindest für die oberen Rangstufen mitunter recht klare Hierarchien“ enthalten (S. 119). Für jene aus dem Reich stellt er fest, dass neben dem hierarchischen Prinzip ebenso militärische und verwandtschaftliche Kriterien, vasallitische Bindungen und geografische Einheiten als mögliche Ordnungskriterien dienten.

Dass die Wappenrollen tatsächlich Rang abbilden konnten, versucht Huthwelker noch einmal in einem letzten großen Abschnitt seiner Arbeit zu belegen. Dabei schränkt er seine Quellengrundlage noch einmal bewusst auf nur jene Wappenrollen ein, die eine hierarchische Struktur aufweisen und möchte dabei auch nur auf die oberen Segmente dieser Hierarchien zurückgreifen, da hier eine „größere Klarheit hinsichtlich der gesellschaftlichen Stratifizierung“ (S. 122) vorhanden sei. Für die Analyse der englischen Wappenbücher greift er daraufhin auf eine statistische Methode zurück, die die relative Rangfolge der einzelnen Personen in den Wappenrollen mit Prozentzahlen abbilden soll (100% ganz oben, 0 % ganz unten; die absoluten Zahlen, die bei der Gewichtung dieser Angaben helfen würden, sind nicht mit angegeben). Die erwartungsgemäß recht volatilen Ergebnisse werden dann mit immer wieder anderen, für den jeweiligen Fall scheinbar passenden Rangkriterien erklärt, die allesamt von außen an die Quellen herangetragen werden (Nähe zum König, Größe der Besitztümer, persönlich erworbener Ruhm), wobei aber immer wieder betont wird, dass es sich bei den Ergebnissen dieser Statistiken um „keinen Zufall“ (S. 131ff.) handele. Etwaige Abweichungen von dem zu erwartenden Resultat werden als bewusster Widerspruch des Wappenbuchautors gewertet. Ein stärkerer Einbezug auch quellenimmanenter Aspekte, wie z.B. die zugegebenermaßen schwer zu recherchierenden Entstehungs- und Überlieferungszusammenhänge der einzelnen Wappensammlungen und etwaige Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen Dokumenten, hätte die Analyse sicher noch um weitere wichtige Elemente ergänzen können. Für die deutschen Wappenbücher schließlich wird als Ausweis des Ranges nur noch die gleichzeitige Nennung einzelner Fürsten in mehreren Wappenbüchern als Kriterium angelegt, was zu einer erklärungsbedürftigen Gruppe von fünf Wappeninhabern führt (Böhmen, Österreich, Bayern, Lothringen, Baden), deren Aussagewert im Zusammenhang der Studie zwar eher begrenzt scheint, die jenseits dessen jedoch neue und interessante Fragefelder eröffnet.

Mit seiner Studie zu Wappen, Wappenbüchern und Rang betritt Thorsten Huthwelker, wie er selbst schreibt, weitgehend „Neuland“. Dabei wäre ein ergebnisoffeneres Vorgehen sicherlich günstig gewesen. Statt zunächst einmal die Frage zu stellen, ‚ob‘ Wappen und Wappenbücher überhaupt Rang abbilden und transportieren konnten, setzt er genau dies voraus und möchte vielmehr zeigen, dass und ‚wie‘ dies geschah. Das führt dazu, dass er seine eigenen Ergebnisse immer wieder in Frage stellt und in diesem Sinne zu relativieren sucht. Anders lassen sich die zahlreichen „dessen ungeachtet“ (z. B. S. 47) in der Arbeit nicht erklären und auch nicht, dass eine so klare Feststellung wie diese: „Demnach dürfte das Wappen, wenn es aus seinem historischen Zusammenhang gerissen und für sich betrachtet wird, eigentlich nichts über den Rang seines Trägers aussagen“, anschließend mit einem „Aber was kann uns die Praxis darüber verraten?“ gekontert wird (S. 52).

Bei aller leider unvermeidlichen Kritik ist jedoch festzuhalten, dass die vorliegende Studie mit den Wappen und Wappenbüchern erstmals seit langer Zeit wieder zwei von der historischen Forschung weitgehend unbeachtete Quellengruppen aufs Tableau gehoben hat – was allein schon Anerkennung verdient. Es ist zu hoffen, dass diese Studie und gerade auch ihre kritische Lektüre hier neue Impulse setzen kann.

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