M. R. Lizondo (Hrsg.): Col-lecció documental

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Titel
Col·lecció documental de la Cancelleria de la Corona d'Aragó. Textos en llengua catalana, 1291–1420


Herausgeber
Lizondo, Mateu Rodrigo
Erschienen
Anzahl Seiten
1124 S.
Preis
€ 85,19
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sebastian Roebert, Historisches Seminar, Universität Leipzig / Departament d'Història Medieval, Paleografia i Diplomàtica, Universitat de Barcelona

In der jüngeren deutschen Mediävistik wurden einige wichtige Beiträge zur Erforschung der Iberischen Halbinsel geleistet. Allerdings konzentriert sich die Mehrzahl dieser Untersuchungen auf Kastilien, während die Krone Aragon eher am Rande Beachtung findet. Diese geringe Zahl an Untersuchungen steht in einem deutlichen Missverhältnis zur schier überwältigenden Quellenfülle, gerade für die Reiche der Krone Aragon, die im mittelalterlichen Europa vermutlich einzigartig ist. Ein Grund dafür könnte möglicherweise im Fehlen von systematischen Quellensammlungen zu suchen sein. Obgleich in der 1847 begonnenen Reihe „Colección de documentos inéditos de la Corona de Aragón“ eminent wichtige Dokumente zur Erforschung der Krone Aragon publiziert wurden, fehlt vor allem in deren älteren Bänden jeglicher kritische Blick auf die Quellenbasis. Auch die übrigen fundamentalen Editionen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sichteten die Quellen bei weitem nicht erschöpfend.1 Vonseiten der deutschsprachigen Historiographie leisteten die Arbeiten von Heinrich Fincke und Johannes Vincke in dieser Zeit ebenfalls wichtige Beiträge, doch auch sie erfassten die Bestände nur ausschnittweise.2

Die genannten nach wie vor bestehenden Lücken vermag zumindest ansatzweise die vorliegende Quellenedition schließen. Sie geht auf das Projekt „La lengua de la Cancillería Real de la Corona de Aragón (1291–1516)“ zurück, das von 2000 bis 2002 an der Universität Valencia lief und im Anschluss mit Unterstützung der Acadèmia Valenciana de la Llengua fortgeführt wurde. Es hatte zum Ziel, eine repräsentative Quellensammlung an katalanischen diplomatischen Dokumenten aus dem Bestand „Cancelleria“ des Kronarchivs zu Barcelona zu erstellen, die nun in der vorliegenden Edition präsentiert werden (S. 53). Auf dieser Basis soll eine dynamischere Sichtweise über die Entwicklung der Kanzleisprache und ihrer Interaktionen mit anderen sprachlichen Anwendungsfeldern gewonnen werden. Die eminente Bedeutung dieser eher monotonen Kanzleisprache erklärt sich aus ihrem hohen sozialen Prestige und einer daraus resultierenden normierenden Funktion für andere sprachliche Bereiche (S. 38). Die Anwendung der Volkssprache in der Kanzlei wurde darüber hinaus durch das Wirken von prominenten Humanisten ab dem 14. Jahrhundert (wie Bernat Metge) gefördert. Mit der Regierungszeit Jakobs II. (1291–1327), mit der die Edition einsetzt, gewann das Katalanische als Kanzleisprache signifikant an Bedeutung. Als Schlusspunkt der Sammlung wurde das Jahr 1420 gewählt. Zu diesem Zeitpunkt richtete Alfons V. das Reichsarchiv in Valencia ein, womit eine gewisse Dezentralisierung in der Verwaltung einherging. Des Weiteren ließ sich ab diesem Moment in der königlichen Kanzlei eine stärkere Präsenz von Schreibern aus den Reichen Valencia und Aragon beobachten (S. 10). Diese beiden Umbrüche zogen Veränderungen in der Schreibpraxis der Kanzlei nach sich, im Gegensatz zu den relativ stabilen Gepflogenheiten während der vorangehenden Phase.

In zwei stattlichen Bänden vereint die Edition in streng chronologischer Reihenfolge insgesamt 1.003 Dokumente. Schwerpunktmäßig sind in ihr Schreiben zu neun Themen, insbesondere zu Angelegenheiten aus Verwaltung, militärischen Belangen und Diplomatie (S. 53), erhalten. Eingeleitet wird die Sammlung durch zwei Beiträge von Antoni Ferrando Francés (S. 13–52) sowie Mateu Rodrigo Lizondo (S. 53–85), welche jeweils ein eigenes Literaturverzeichnis umfassen. Neben den bisherigen Forschungen über die Kanzleisprache werden hier die Rahmenbedingungen des Projekts und die angewendeten Kriterien vorgestellt. Beide Beiträge liefern eine gute Einführung, leider finden sich in ihnen über einige Passagen hinweg Redundanzen. Beispielsweise werden sowohl das Projekt als auch die Editionskriterien doppelt vorgestellt, aber auch etliche Titel in den Bibliographien werden doppelt aufgelistet. Gleichwohl setzen die beiden Einführungen gewisse Schwerpunkte: So liefert der Beitrag von Ferrando ausführlichere linguistische Informationen, während Rodrigo das Projekt detaillierter vorstellt. Dennoch wäre hier eine bessere Abstimmung wünschenswert gewesen. Eine historische Einführung in das Thema fehlt hingegen. Die Bände beschließt ein Verzeichnis der Orts- und Personennamen (S. 1067–1124).

Es ist nur schwerlich möglich, die Edition in allen Einzelheiten vorzustellen. Daher können die folgenden Anmerkungen nur als exemplarisch gelten. Da die Sammlung fast ausschließlich katalanischsprachige Quellen vereint, reflektiert sie die komplexe vielsprachige Produktion der königlichen Kanzlei (Latein, Katalanisch, Aragonesisch bzw. Kastilisch) nur bedingt. Dieser Aspekt lag aber auch nicht im Interesse der Editoren, so dass er lediglich en Passant angemerkt werden kann. Als Editionsrichtlinie fungierten die Vorgaben der Reihe „Els Nostres Classics“. Struktur und Layout des Editionsteils sind klar gehalten: Die chronologisch angeordneten Dokumente sind ununterbrochen nummeriert, werden durch ein Kurzregest eingeleitet und sind mit einem knappen gehaltenen Apparat versehen. Der Editionstext wurde sehr sorgfältig erstellt, weniger gilt dies für die einleitenden Regesten. In ihnen wird zwar stets der jeweilige Schreiber bzw. ausführende Notar („scrivà de manament“) genannt, allerdings lässt die Identifizierung der übrigen Personen häufig zu wünschen übrig, wenn etwa nur das Amt des Adressaten (zum Beispiel König von Mallorca oder König von Granada, z. B. Bd. 1, Nr. 100, S. 166–168) und nicht dessen Name genannt wird. Dies wäre jedoch für einen schnellen Zugriff auf den Inhalt der Dokumente wünschenswert gewesen. Der Apparat umfasst undifferenziert sowohl textkritische als auch Sachanmerkungen sowie die Verweise auf die relevante Literatur zu jedem einzelnen Dokument.

Unbedingt positiv hervorzuheben ist die akribische Aufnahme der meisten Kanzleivermerke, die in älteren Editionen oft überhaupt nicht oder auch falsch wiedergegeben wurden. Gerade die Übermittlung des Beurkundungsbefehls spiegelt aber die praktische Tätigkeit der Kanzlei wider und erlaubt somit den Abgleich mit normativen Quellen zur Kanzleiorganisation. Als Textgrundlage der Edition diente in allen Fällen das Original, das heißt der entsprechende Eintrag in den Kanzleiregistern des Kronarchivs zu Barcelona (S. 69). Andere Überlieferungen wie etwa die mundierten Versionen, die sicherlich in einigen Fällen auch erhalten sein dürften, wurden hingegen nicht berücksichtigt. Die Transkription auf Basis des Originals wurde selbst bei denjenigen Schreiben angewendet, welche schon zuvor publiziert worden waren. Dieses Vorgehen mag durchaus plausibel erscheinen, es ignoriert jedoch bisweilen bereits geleistete Vorarbeiten, denn für einige Dokumente wurden ältere Editionen nicht angegeben (zum Beispiel Bd. 2, Nr. 518, S. 579–580). Auch die zu den einzelnen Quellen angegebene Literatur ist eher knapp gehalten. In diesen beiden Aspekten liegt sicherlich ein Schwachpunkt der Edition.

Ihrem Ziel, nämlich eine Quellensammlung für die Sprachgeschichte zu liefern, wird die Edition aber durchaus gerecht. Hier wird zum überwiegenden Teil noch nicht ediertes Material gehoben und dessen Text sehr gut aufgearbeitet. Sehr positiv hervorzuheben ist außerdem, dass die Königinnen der Krone Aragon umfassend in die Sammlung einbezogen wurden und damit auch Akteure, denen in gemischten Quellensammlungen sonst ein eher geringer Stellenwert beigemessen wird, in ausreichendem Maße zur Sprache kommen. Aus historischer Sicht fehlt jedoch eine Einleitung sowie eine stärkere Kontextualisierung und Kommentierung der edierten Dokumente. Des Weiteren vermisst der Leser ein einheitliches Quellen- und Literaturverzeichnis. Für die Reichsgeschichte und damit als unmittelbares Quellenwerk für die deutsche Mediävistik kann die Edition aufgrund des inhaltlichen Zuschnitts der Quellentexte nur sehr bedingt dienen. Allerdings beleuchtet sie in ihrer thematischen Vielfalt die Strukturen der Krone Aragon und die vielfältigen Kommunikationswege einer spätmittelalterlichen Monarchie. Daher kann sie ungeachtet der erwähnten Schwachpunkte für Themen, welche diese Region betreffen, oder auch für vergleichende Zwecke gut zu Rate gezogen werden.

Anmerkungen:
1 Exemplarisch seien genannt Josep Coroleu, Documents historichs catalans del sigle XIV. Colecció de cartas familiars corresponents als regnats de Pere del Punyalet y Johan I, Barcelona 1889; Antoni Rubió i Lluch, Documents per a la història de la cultura catalana medieval, 2 Bde., Barcelona 1908–1921 (ND Barcelona 2000).
2 Etwa Heinrich Finke (Hrsg.), Acta Aragonensia: Quellen zur deutschen, italienischen, französischen und spanischen, zur Kirchen- und Kulturgeschichte aus der diplomatischen Korrespondenz Jaymes II. (1291–1327), 3 Bde., Berlin u.a. 1908–1922; Johannes Vincke, Documenta selecta mutuas civitatis arago-cathalaunicae et ecclesiae relationes illustrantia, Barcelona 1936.

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