N. Sojc u.a. (Hrsg.): Palast und Stadt im severischen Rom

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Titel
Palast und Stadt im severischen Rom.


Herausgeber
Sojc, Natascha; Winterling, Aloys; Wulf-Rheidt, Ulrike
Erschienen
Stuttgart 2013: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
306 S., XVI Taf.
Preis
€ 58,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Krzysztof Królczyk, Instytut Historii, Uniwersytet im. Adama Mickiewicza, Poznań

Der zu besprechende Sammelband vereinigt die Ergebnisse einer internationalen Konferenz, die am 1. und 2. Oktober 2009 im Deutschen Archäologischen Institut in Berlin stattfand. Damals trafen sich Wissenschaftler, die am interdisziplinären, von der Gerda Henkel Stiftung finanzierten Forschungsprojekt „Palast und Stadt im severischen Rom“ mitarbeiten. Ziel dieses Projektes ist die Erfassung der Interaktionen zwischen den kaiserlichen Palästen auf dem Palatin und ihrer städtischen Umgebung sowie deren wissenschaftliche Analyse, wobei der Schwerpunkt auf der Epoche der Severer (193–235 n.Chr.) liegt. Der Band besteht aus Texten von elf Autoren, die zum überwiegenden Teil auf Deutsch, aber auch auf Italienisch (zwei Beiträge) und auf Französisch (ein Beitrag) verfasst sind.

Den Sammelband eröffnet ein Text einführenden Charakters aus der Feder von Aloys Winterling mit dem Titel „Hof und Stadt im interkulturellen Vergleich“ (S. 9–21). Winterling, der den Versuch unternimmt, die Idealtypen des Hofs und der Stadt zu definieren und sie anschließend in den geschichtlichen Rahmen der soziokulturellen Entwicklung einzupassen, konzentriert seine Aufmerksamkeit auf die Koexistenz von Hof und Stadt sowie ihre Interaktionen im kaiserzeitlichen Rom.

Die beiden folgenden italienischen Artikel betrachten die vorseverische Zeit: Im ersten Beitrag, „Roma. La città imperiale prima dei Severi“ (S. 23–60), zeigt Domenico Palombi ein breites Panorama der urbanistischen Veränderungen in der Stadt am Tiber auf, die in den ersten zwei nachchristlichen Jahrhunderten während der julisch-claudischen Dynastie, unter der Herrschaft der Flavier sowie zur Zeit der Antonine erfolgten. Der zweite Text von Maria Antonietta Tomei ist der Geschichte der kaiserlichen Residenzen auf dem Palatin von der republikanischen Epoche bis zur Zeit der antoninischen Dynastie im Lichte der archäologischen Forschung gewidmet („Le residenze sul Palatino dall’età repubblicana all’età antonina“, S. 61–83).

Der Hauptteil des Bandes, der stricte der Epoche der Severer gewidmet ist, wird mit einem Artikel von Peter Eich eröffnet, in dem Politik und Verwaltung in der Stadt Rom unter den Severern besprochen werden („Politik und Administration unter den Severern“, S. 85–104). Der Verfasser, der sich hauptsächlich auf die Regierungszeit des Septimius Severus und des Caracalla konzentriert, widmet sich vor allem der Analyse der seit Beginn der Herrschaft des ersten Severers zunehmenden Bedeutung der Präfektur der reorganisierten Prätorianergarde, den kaiserlichen Kanzleien sowie Finanzfragen des Römischen Reiches, wobei er darauf aufmerksam macht, dass im besprochenen Zeitraum das Imperium bereits effektiv auch außerhalb Roms regiert werden konnte. Letzterer Aspekt, der mit der langen Abwesenheit des Septimius Severus und des Caracalla von der Reichshauptstadt verbunden ist, bedeutet allerdings nicht, dass diese Kaiser das Zentrum des Reichs an einen anderen Ort verlegen wollten. Einer solchen Ansicht widerspricht, wie Eich zu Recht in der Zusammenfassung betont, der intensive Ausbau Roms in dieser Epoche, so unter anderem auch des Kaiserpalastes auf dem Palatin, der weiterhin Symbol der kaiserlichen Würde blieb.

Alexandra Busch thematisiert die Anwesenheit militärischer Elemente in der Stadt Rom und ihrer nächsten Umgebung („Militär im severischen Rom. Bärtige Barbaren?“, S. 105–121). Die Autorin, die sich ausschließlich auf die Regierungszeit des Septimius Severus konzentriert, untersucht die grundlegenden Wandlungen im Militärwesen, die nach dem Jahr 193 erfolgten: die Auflösung der alten Prätorianergarde durch den Kaiser und die Schaffung einer neuen Garde bei gleichzeitiger Änderung des Rekrutierungssystems (die Soldaten wurden nun nicht mehr in Italien rekrutiert, sondern stammten vor allem aus den Donauprovinzen), die zahlenmäßige Verstärkung der städtischen Einheiten und die Schaffung von drei neuen Legionen, von denen eine, die legio II Parthica, von nun an unweit Roms verbleiben sollte. Anschließend bespricht Busch Bauten militärischen Charakters, die damals in der Stadt und ihrer nächsten Umgebung entstanden, darunter die castra nova equitum singularium und das Lager der legio II Parthica in Albano. Untersuchungsgegenstand sind ebenfalls die stadtrömischen Grabsteine von Soldaten sowie Sarkophage mit Darstellungen von Schlachtenszenen. Aus den Überlegungen Buschs kristallisiert sich ein Bild großer Veränderungen heraus, die während der Herrschaft des Septimius Severus im Militärwesen erfolgten. Zudem lässt sich eine verstärkte Anwesenheit des Militärs in und um Rom aufzeigen, was die wachsende politische Bedeutung des Militärs in dieser Epoche widerspiegelt. Als kleine Anmerkung sei hinzugefügt, dass die legio II Italica mit Sicherheit in Noricum und nicht in Rätien stationiert war (Busch schreibt „in Noricum bzw. Raetien“, S. 109); auch wäre es angebracht, in der recht umfangreichen Bibliographie die Arbeit von Pino Chiarucci zu ergänzen, die zu großen Teilen dem Legionslager in Albano gewidmet ist.1

Der anschließende Artikel von Björn Schöpe fragt nach den Veränderungen am Hof des Kaisers in Rom von der kurzen Regierung des Pertinax bis zur Herrschaft des Severus Alexander („Die Entwicklung des Hofes von Pertinax bis Alexander Severus“, S. 123–156). Schöpe konzentriert sich auf vier grundlegende Probleme: auf die salutationes, also die Besuche, die die Vertreter der beiden höchsten ordines dem Kaiser normalerweise in den Morgenstunden auf dem Palatin machten, auf die Gastmahle (convivia), zu denen die Kaiser regelmäßig die Vertreter der römischen Elite einluden, auf die Beziehungen zwischen dem Herrscher und den kaiserlichen Freunden (amici) sowie zuletzt auf die Interaktionen zwischen dem Kaiserhof und der Stadt Rom. Zusammenfassend hebt Schöpe die Kontinuitätslinien zu früheren Epochen der Kaiserzeit in den vier untersuchten Aspekten hervor, die für die Zeit der Severer charakteristisch sei.

Die nächsten drei Beiträge des Bandes haben die Bebauung des Palatinhügels zum Thema. Françoise Villedieu stellt die Ergebnisse der archäologischen Grabungen vor, die auf dem Palatin im Vigna Barberini genannten Bereich durchgeführt wurden und die die Epoche der Severer betreffen („La Vigna Barberini à l’époque sévérienne“, S. 157–180). Die Bebauung des Palatins behandelt ebenfalls der Beitrag von Jens Pflug, der die Entwicklung der domus Augustana von ihren Anfängen, die in der Regel in die Regierungszeit Domitians datiert werden, bis zu den Severern vorstellt („Die bauliche Entwicklung der domus Augustana im Kontext des südöstlichen Palatin bis in severische Zeit“, S. 181–211). Natascha Sojc konzentriert sich dann auf die Interaktionen zwischen den kaiserlichen Palästen und ihrer urbanistischen Umgebung zur Zeit der Severer („Der severische Palast im urbanem Kontext“, S. 213–230); Schwerpunkte sind hierbei die Veränderungen, die damals im Bereich der domus Tiberiana erfolgten, die das Forum Romanum überragte, die sogenannte domus Severiana, die den Circus Maximus dominierte, die Porta Capena sowie das in den ersten Jahren des 3. Jahrhunderts errichtete Septizodium. Sojc zeigt, dass die urbanistischen Veränderungen zur Zeit der Severer auf dem Palatin nicht nur mit dem Wiederaufbau nach dem großen Brand Roms am Ende der Regierungszeit des Commodus verbunden waren, sondern vor allem Zeugnis eines großangelegten architektonischen Programms sind, das von Septimius Severus und seinen Nachfolgern realisiert wurde und das das Aussehen dieses Teils von Rom grundlegend veränderte. Dieses Programm führte letztendlich zu einer klareren Trennung der kaiserlichen Paläste vom Stadtgebiet.

Gegenstand der Analysen in diesem Band sind auch die kaiserlichen Villen, die äußerst ausführlich von Andreas Grüner vorgestellt werden („Die kaiserlichen Villen in severischer Zeit. Eine Bestandsaufnahme“, S. 231–286). Er bespricht die villae auf dem Gebiet Suburbium, die östlich Roms gelegenen Residenzen und schließlich die kaiserlichen villae maritimae. Grüner macht darauf aufmerksam, dass einerseits bei einigen Objekten eine Kontinuität der Bautätigkeit festgestellt werden kann, andererseits sich aber auch eine allgemeine Stagnation bei den meisten Villengründungen konstatieren lässt. Diese Stagnation wurde durch die kurzen Zeiträume, in denen die Herrscher in Italien weilten, und durch ihr geringes Interesse (mit Ausnahme des Severus Alexander) am Ausbau des Systems der kaiserlichen Villenresidenzen verursacht.

Das Buch beendet der Beitrag von Ulrike Wulf-Rheidt, der den Einfluss untersucht, den die kaiserlichen Paläste aus der Epoche der Severer auf spätere Residenzen der Spätantike ausübten („Die Bedeutung der severischen Paläste für spätere Residenzbauten“, S. 287–306). Ergänzung und gleichzeitig integraler Teil der meisten Texte dieses Bandes sind zahlreiche Illustrationen, die sowohl den gegenwärtigen Zustand der besprochenen Objekte als auch Rekonstruktionsversuche ihres Aussehens in der Antike zeigen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass der Leser ein äußerst wertvolles Buch in die Hände bekommt, das einige grundlegende Probleme der Geschichte Roms in der Umbruchszeit der Severer behandelt. Dabei muss betont werden, dass die bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die die Thematik des Verhältnisses von Palast und Stadt in Rom ansprechen, in der Regel zeitlich nicht über das 2. Jahrhundert n.Chr. hinausgehen, wogegen der Severerzeit bislang noch keine eigene Veröffentlichung gewidmet wurde. Die Verfasser der Beiträge besprechen auf äußerst interessante und gleichzeitig kompetente Weise die Beziehungen zwischen dem kaiserlichen Hof und der Stadt am Ende des 2. und in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, wobei sie oftmals ein neues Licht auf dieses vielschichtige Phänomen werfen. Es bleibt zu hoffen, dass die Forschungen zu den gegenseitigen Beziehungen zwischen den kaiserlichen Palästen und der Stadt zur Zeit der Severer, die in diesem Band erstmalig präsentiert werden, möglichst bald ihre Fortsetzung im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojekts finden, das von der internationalen Forschungsgruppe durchgeführt wird.

Anmerkung:
1 Pino Chiarucci, Settimio Severo e la Legione Seconda Partica, Albano Laziale 2006.

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