Wie schreibt man eine Haus-, Abschluss- oder Doktorarbeit?

: Lesen Schreiben Denken. Zur wissenschaftlichen Abschlussarbeit in 7 Schritten. Köln 2013 : UTB, ISBN 978-3-8252-3858-2 118 S. € 12,99

: Dein Schreib-Coach!. Bachelor-, Master-, Doktor- und Projektarbeit. Vom Rohtext bis zur Endfassung. Norderstedt 2013 : Books on Demand - BoD, ISBN 978-3-8482-1819-6 127 S., Abb. € 19,90

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Karin Orth, Historisches Seminar, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Wie schreibt man eine Haus-, Abschluss- oder Doktorarbeit? Dieser Frage widmen sich die beiden hier zu besprechenden Bücher. Beide behandeln das Thema kurz und knapp auf je rund 120 Seiten, aber auf sehr unterschiedliche Weise. Das Buch von Ursula Thomas-Johaentges und Carmen Thomas gliedert sich in neun Kapitel: Nach einleitenden Bemerkungen zum wissenschaftlichen Schreiben als Schlüsselkompetenz geht es um die Gliederung einer wissenschaftlichen Arbeit, das Finden beziehungsweise Eingrenzen des Themas, Planung und Zeitmanagement, um zentrale Techniken des Schreibens sowie einen angemessenen Schreibstil, um die Gestaltung von Text, Tabellen und Grafiken sowie um Zitationsregeln und Literatursuche. Zahlreiche Abbildungen und Diagramme machen das Beschriebene anschaulich. Alle Kapitel sowie das gesamte Buch schließen mit einer kurzen Zusammenfassung. Ergänzt wird das Ganze um eine knappes Quellen- und Literaturverzeichnis, ein Register hingegen fehlt.

Die Veröffentlichung von Thomas-Johaentges/Thomas versteht sich explizit als „Praxishandbuch“ und versammelt viele gute Ratschläge und Tipps zum Vorgehen, etwa wie sich die Mind-Map-Methode zur Erstellung einer Gliederung anwenden lässt, wie ein Zeitplan für eine Haus-, Bachelor- oder Doktorarbeit idealtypisch aussieht oder wie man Literatur zu einem bestimmten Thema findet. Ein Schwerpunkt der Darstellung bildet das Schreiben selbst, indem unter anderem Kreativitätstechniken vorgestellt oder Unterschiede zwischen Nominal- und Verbalstil erläutert werden. In den entsprechenden Kapiteln zum Schreiben sind auch umfangreiche Synonymlisten abgedruckt. Für alle, die am Anfang ihres Studiums stehen, vielleicht das erste Mal eine Seminararbeit schreiben und sich grundsätzliche Fragen stellen, bietet das Praxishandbuch einen guten Einstieg. Vieles wird hier angesprochen und allgemeinverständlich erklärt, was idealerweise in einem Tutorat zu einem geistes-, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Proseminar behandelt wird. Wer nicht in den Genuss eines solchen kommt, kann sich hier informieren und bekommt vieles ganz genau erklärt.

Manchmal freilich wird die Grenze zum Banalen überschritten. Muss man wirklich ausführen, dass ein Inhaltsverzeichnisses darauf zielt, „dem Leser einen schnellen Überblick über die Kapitel der Arbeit und die dazugehörenden Seitenzahlen zu liefern“ (S. 20)? Oder muss erklärt werden, was der Begriff „alphabetische Anordnung“ meint? („Bei der alphabetischen Anordnung [des Literaturverzeichnisses] werden die Autoren von A bis Z angeordnet.“ [S. 31]) Auch die Zusammenfassungen am Ende jedes Kapitels („Zwischenfazit“), die aus drei, vier kurzen Thesen oder Aufforderungen bestehen, die allesamt mit einem Ausführungszeichen abschließen, passen stilistisch eher in die zeitgeistige Lebensratgeberliteratur, denn in ein Handbuch zum wissenschaftlichen Arbeiten und Schreiben – etwa: „4. Packen Sie auch die kleinen Probleme an! 5. Und dann: Lassen Sie los!“ (S. 63). Unklar bleibt schließlich, warum auch der „Projektbericht“ im Rahmen des Ratgebers behandelt wird. Dass ein „Projekt“ bzw. die „Projektarbeit“ offenbar etwas anderes ist, als eine im universitären Kontext entstehende schriftliche Hausarbeit, machen die Autorinnen selbst deutlich, indem sie definieren, ein Projekt sei ein „zeitlich begrenztes Vorhaben“ mit exaktem Anfang und Ende, das unter „einmaligen Bedingungen statt[findet] (DIN-Norm 69901)“ (S. 15). Hier bleibt der Leser genauso ratlos zurück wie beim Titel des Buches („Dein Schreib-Coach!“).

Das Buch von Markus Krajewski hat einen anderen Charakter. In sieben Kapiteln wird der Prozess der Verfertigung einer wissenschaftlichen Seminar- oder Abschlussarbeit in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften schrittweise nachgezeichnet. Das Buch schließt mit einem Literaturverzeichnis und einem Register, das Personennamen und Schlagworte enthält. Nicht praktische Tipps stehen im Mittelpunkt (obgleich auch diese nicht fehlen), sondern das Kreisen um das, was das wissenschaftliche Arbeiten in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften im Kern ausmacht, und von Krajewski auf die griffige Formel „LSD“ gebracht wird: Lesen, Schreiben, Denken.

Der Autor behauptet nicht, dass man diese drei Tätigkeiten im Arbeitsprozess voneinander trennen könne, sondern verweist im Gegenteil auf die Interdependenzen (S. 8f.). Gleichwohl liege der Produktion eines wissenschaftlichen Textes ein Schema zugrunde, das dem Leser dann in sieben Kapiteln nahe gebracht wird. Im ersten Teil geht es um das Finden einer (guten) Idee, die der zu schreibenden Arbeit zugrunde liegen sollte, und die sich im Laufe des ersten Recherchestadiums zu einer Hypothese oder These verdichtet. Unabdingbar ist dafür, davon handelt das zweite Kapitel, die Suche und vor allem die Lektüre von Forschungsliteratur zu eben dieser Idee bzw. zum Thema. Wie man im akademischen Kontext richtig liest, wird in Kapitel 3 erläutert. Denn das wissenschaftliche Lesen unterscheidet sich ja in der Tat von der Zeitungs- oder Romanlektüre. Es geht zunächst darum, sich einen Überblick über den Gesamtzusammenhang zu verschaffen, um dann immer weiter in das Spezialthema einzudringen, nicht zuletzt um die eigene Fragestellung zu präzisieren. Das problemorientierte Lesen und die Verarbeitung des Gelesenen wird im nächsten Kapitel näher erklärt. Hier geht es um das „Verzetteln“ (S. 61), das heißt das zur wissenschaftlichen Lektüre unabdingbar dazugehörende Exzerpieren. Da die Exzerpte heute nicht mehr in einem hölzernen Zettelkasten landen, sondern wie sie mit einer geeigneten Software erstellt und aufbereitet werden können, auch das wird hier exemplarisch vorgeführt. Durch die Sammlung des Stoffs, das Spiel mit Fragen und Antworten, die neue Fragen hervorbringen, erfolgt allmähliche die Durchdringung des Materials und des Themas, so dass peu à peu ein Thesengerüst für die zu schreibende Arbeit entsteht. Mit dem Erreichen einer kritischen Masse kann dann das Erarbeitete zu Papier gebracht werden. Mit der Abfassung der Arbeit und dem Schreibprozess, in dem das Neue, Eigene endgültig entsteht, befasst sich das fünfte Kapitel. In den beiden letzten Abschnitten stehen zwei eher formale Aspekte im Mittelpunkt, nämlich das korrektes Zitieren sowie eine gefällige Formatierung der Haus- oder Abschlussarbeit. Krajewskis Buch bietet also weniger einen Werkzeugkasten, als vielmehr übergreifende Gedanken zum Prozess des wissenschaftlichen Arbeitens selbst. Ob einem der Stil des Buches gefällt, ob man diesen – wie der Verlag – für „flott“ und „pfiffig“ hält oder eher als blumig und um Originalität bemüht empfindet, ist sicherlich Geschmackssache.

Durch ihre sehr unterschiedlichen Herangehensweisen ergänzen sich beide Bücher gut, eignen sich vielleicht auch für andere Zielgruppen. Während das Praxishandbuch von Thomas-Johaentges/Thomas praxisnahe Ratschläge für Studienanfänger/innen bietet, werden in Krajewskis Buch wohl eher die fortgeschrittenen Studierenden fündig. Ob die beiden Ratgeber aber auch für das Schreiben einer Dissertation hilfreich sind – beide beanspruchen dies –, scheint fraglich. Denn eine geistes-, sozial- oder kulturwissenschaftliche Doktorarbeit unterscheidet sich von einer studentischen Haus- oder Abschlussarbeit ja insofern, als hier eine umfangreiche wissenschaftliche Monografie entsteht. Der oder die Promovierende verfasst erstmals eine eigenständige Forschungsarbeit und ist insofern nicht mehr als Studierender anzusehen, sondern als (Nachwuchs-)Wissenschaftler/in. Bezogen auf die Voraussetzungen, die Dauer und den Forschungsprozess selbst lässt sich eine Dissertation kaum auf eine Stufe mit einer Bachelor- oder gar einer Hausarbeit im Proseminar stellen. Und wer bei der Niederschrift seiner Dissertation (noch) nicht weiß, wie man bibliografiert und korrekt zitiert, der hat ein ernsthaftes Problem, das auch durch die Lektüre der beiden Bücher nicht zu beheben ist. Die meisten Nachwuchswissenschaftler/innen brauchen, wenn sich Probleme im Forschungs- oder Schreibprozess ergeben, weniger einen standardisierten Ratgeber, der Zitation und Formatierung erläutert, sondern Unterstützung auf der Suche nach einer individuellen Lösung. Hier hat sich Coaching, das inzwischen auch speziell für (Nachwuchs-)Wissenschaftler/innen angeboten wird, sehr bewährt.

Zudem ist bei beiden Büchern zu monieren, dass die Autor/innen die Rahmenbedingungen ausklammern, unter denen Studierende vielfach ihr Studium absolvieren. Viele Seminar- und Abschlussarbeiten werden auch deshalb unzureichend, auf die letzte Sekunde oder gar nicht fertiggestellt, weil Nebenjobs, familiäre Belastungen oder übervolle Studienpläne eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem zu bearbeitenden Thema verhindern. Eine weitere Rahmenbedingung besteht darin, dass es sich bei einer Haus- oder Abschlussarbeit nicht um irgendeinen wissenschaftlichen Text handelt. So schreiben Thomas-Johaentges/Thomas, der Titel entscheide oft darüber, „ob die Arbeit überhaupt gelesen wird“ (S. 19). Eine Seminar- oder Abschlussarbeit wird jedoch nicht nur auf jeden Fall gelesen, nämlich vom Dozenten bzw. den Betreuern, sondern sie wird auch beurteilt und bewertet. Dass dieser Umstand erheblichen Einfluss auf den Arbeitsprozess haben kann, wird in beiden Ratgebern nicht berücksichtigt. Trotz dieser Einwände sind beide – auf ihre je eigene Art – eine nützliche Lektüre für Studierende der Geistes-, Sozial- oder Kulturwissenschaften, die sich mit wissenschaftlichem Schreiben schwer tun oder keine entsprechende Anleitung im Studium selbst erhalten.

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