S. Bingham: The Praetorian Guard

Cover
Titel
The Praetorian Guard. A History of Rome’s Elite Special Forces


Autor(en)
Bingham, Sandra
Erschienen
London 2013: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
XI, 240 S., [16] plates
Preis
$ 29,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Unfug, Seminar für Alte Geschichte, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

Mit „The Praetorian Guard – A History of Rome’s Elite Special Forces“ wird seit langer Zeit erstmals wieder für die kaiserliche Leibgarde Roms eine wissenschaftliche Gesamtdarstellung vorgelegt. Zuletzt in einigen Fachaufsätzen untersucht, die meist konkrete Aspekte der Gardeentwicklung oder epigraphische Zusammenhänge thematisierten1, drohte die kaiserliche Leibgarde schließlich zum Objekt der populärwissenschaftlichen Literatur zu werden.2 Somit blieben die Darstellungen von Durry und Passerini seit den 1930er-Jahren die grundlegenden Arbeiten zu diesem Thema.3 Es kann daher nicht überraschen, dass Sandra Binghams „The Praetorian Guard“ von Teilen der Forschungswelt als eine Arbeit begrüßt wurde, die ein Desiderat füllte.4 In der Einleitung (Introduction, S. 1–8) weist Bingham auf die schwierige Quellen- und Literaturlage hin und bietet dem Leser eine hilfreiche Orientierung; dennoch wirkt der Hinweis auf die Unerreichbarkeit zahlreicher (nichtenglischsprachiger) Arbeiten etwas ungeschickt (S. 5 mit Anm.18), zumal einige in diesem Zusammenhang genannte Titel das populärwissenschaftliche Niveau kaum übersteigen.

Die prägnante Gliederung und benutzerfreundliche Struktur der Arbeit ermöglichen auch dem unerfahrenen Leser einen guten und schnellen Zugang zur Thematik. So bietet das zweite von fünf Kapiteln einen chronologischen Leitfaden, der dem Leser die Geschichte der Garde von ihren rudimentären Anfängen in der Republik bis zu ihrer Auflösung unter Konstantin näher bringt (History, S. 9–50). Die Entstehungsbedingungen der späteren Leibgarde werden in diesem Kapitel anhand zentraler Quellenpassagen benannt. Von den ersten Erscheinungen persönlicher Leibwachen bei republikanischen Feldherren, über den etymologischen Hintergrund der cohors praetoria (praetor oder praetorium) bis hin zu den ersten Quellennachweisen für „prätorianische Kohorten“ wird das Leibwacheprinzip bis zum Prinzipat eruiert. Die Autorin ist hierbei bemüht, einen Bezug zur imperialen Epoche herzustellen, indem die administrativen Tätigkeiten in der Umgebung des römischen Statthalters betont und Gardeassoziationen in der Triumvirats- und Bürgerkriegszeit betrachtet werden. Doch gerade Binghams Darstellung dieser Assoziationen stützt sich auf einige problematische Quellenpassagen und führt zu zweifelhaften Schlussfolgerungen.5 So suggeriert Bingham in der Betrachtung einiger militärischer Verbände und Formationen der Triumviri fälschlicherweise das Bild von gardeähnlichen Einheiten, da diese terminologisch unreflektiert als „praetorian cohorts“ bezeichnet oder gar mit den „praetorian guards“ gleichgesetzt werden.6

Facettenreicher fällt die Darstellung der Prinzipatszeit aus, wobei die Autorin auf frühere Arbeiten aufbauen konnte.7 Die Schutzfunktion, die kaiserliche Nähe und das Privileg einer bewaffneten Garnison in Rom werden dabei zutreffend betont. Sowohl die Ermordung des Kaisers Caligula als auch die Instrumentalisierung der Truppe durch Angehörige des Kaiserhauses in Konspirationen illustrieren die politische Rolle der Prätorianer und einzelner Prätorianerpräfekten. Dabei ist die kurze und nur exemplarische Behandlung einzelner Präfekten zu entschuldigen, da eine gründliche Untersuchung und Systematisierung des praefectus praetorio in jedem Fall den Rahmen der Arbeit gesprengt hätte.8 Dafür werden die zahlreichen kaiserlichen Referenzen und Instrumentalisierungen der Garde, die uns die Überlieferung bietet, dem Leser präsentiert (etwa Münzlegenden, Manipulationen der Gardestärke, Distributionen von Donativen und die Teilnahme an Feldzügen). In diesem Kontext weist die Autorin auch das eine oder andere Mal auf die schwierige Quellenlage hin, so hebt sie etwa hervor, dass die Historia Augusta „usually much less reliable“ sei (S. 44); jedoch wären gerade hier eigene Ausführungen zur Überlieferungsproblematik und insbesondere zu einigen Topoi und tendenziösen Darstellung der Prätorianer in der Historiographie wünschenswert gewesen.9

Im dritten Kapitel (Organisation, S. 51–80) bietet Bingham in einer komprimierten Form Informationen zur Kohortenstärke, Rekrutierungsbasis, Entlassungspraxis, Befehlsstruktur, Bezahlung, Stationierung und Ausrüstung. Dabei streicht sie den elitären Status der Einheit heraus und vermittelt schlüssig den Zusammenhang zwischen Besoldungsprivilegien und Statuserhöhung. Erwähnung finden in diesem Kapitel zudem sowohl die Veränderungen in severischer Zeit als auch die Evidenz epigraphischer Quellen (Diplomata militaria). Die zahlreichen Militärdiplome, die uns für die Prätorianer des 3. Jahrhunderts erhalten sind, hätten dagegen intensiver mit Blick auf die Herkunftsproblematik (Evidenz des Balkan- und Donauraums) und den Nutzenaspekt (conubium und Sozialprestige) diskutiert werden können.10

Im vierten Kapitel (Duties, S. 81–114) werden die mannigfaltigen Einsatzmöglichkeiten der Prätorianer erörtert und ihr öffentliches Wirken als „imperial body guard“ interpretiert. Aus der primären Schutzfunktion gegenüber dem Kaiser, die die kaiserliche Familie inkludierte, habe sich eine Schutzfunktion gegenüber dem „Staat“ entwickelt. Diese Identifikation von Kaiser und „Staat“ ist jedoch sehr modern gedacht. Zudem schildert die Autorin den Dienst der Prätorianer und der speculatores (Exekutionen, Beseitigungen, Botengänge oder Nachstellungen) als „secrecy“ (S. 100), womit ein eher informeller Charakter des Aufgabenbereiches suggeriert wird. Weitere Tätigkeiten bei kaiserlichen Großereignissen und der stadtrömischen Feuerbekämpfung weisen für Bingham auf das imperiale Wesen der Garde hin. Dieses Bild eines imperialen Charakters der Garde wird durch die Integration prominenter Reliefs und Gardeabbildungen noch verstärkt.

Der Autorin gelingt es, zur Prätorianergarde eine konzise Einführung und quellennahe Gesamtdarstellung vorzulegen. Hierbei wird der Schwerpunkt auf den imperialen Charakter der Garde gelegt, wodurch Entwicklungen und machtpolitische Tendenzen der Kaiserzeit verständlich werden. Vorteilhaft wirken sich auch die prägnante Darstellung und die komprimierte Struktur des Buches aus, wobei der angenehme Schreibstil ein zügiges Lesen gestattet. Die Autorin hätte ihre Arbeit jedoch klarer von der populärwissenschaftlichen Literatur abgrenzen können. Auch sind einige deutliche Lücken in der Erfassung der Forschungsliteratur zu konstatieren.11 An verschiedenen Stellen wäre zudem eine quellenkritischere Reflexion der kaiserzeitlichen Autoren nötig gewesen. Die starke Betonung des imperialen Charakters der Prätorianer suggeriert schließlich einen Grad an Formalität, den es so nicht gegeben hat. Zuletzt bleiben einige Status- und Funktionsterminologien wie „Elite special forces“ oder „Securing the State“ aufgrund ihrer modernen Konnotationen bedenklich.

Anmerkungen:
1 Siehe etwa Rebecca Benefiel, A new praetorian laterculus from Rome, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 134 (2001), S. 221–232 (nicht genutzt); Werner Eck, Neue Militärdiplome für Truppen in Italien. Legio II Adiutrix, Flotten und Prätorianer in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 139 (2002), S. 195–207 (nicht genutzt); Werner Eck, Diplomata militaria für Pratorianer, vor und seit Septimius Severus. Eine Bestandsaufnahme und ein Erklärungsversuch, Athenaeum 100 (2012), S. 321–336 (nicht genutzt); R. Feldmann, Zur Rekrutierung der Praetorianer aus Pannonien. Eine epigraphisch-onomastische Untersuchung anhand der laterculi Praetorianorum, in: Annales Universitatis Budapestinensis de Rolando Eötvös nominatae. Sectio classica 8 (1980) S. 47–103 (nicht genutzt); David L. Kennedy, Some Observations on the Praetorian Guard, in: Ancient Society 9 (1978), S. 275–301; Lawrence Keppie, The Praetorian Guard before Sejanus, in: Athenaeum 84 (1996), S. 101–124; Jaroslav Šašel, Zur Rekrutierung der Prätorianer, in: Historia 21 (1972), S. 474–480; Peter Weiss, Ausgewählte neue Militärdiplome, in: Chiron 32 (2002), S. 491–543 (nicht genutzt).
2 So etwa Hans Dieter Stöver, Die Prätorianer. Kaisermacher – Kaisermörder, München 1994, und Robert Evans, Soldiers of Rome. Praetorians and Legionnaires, Washington 1986. Boris Rankov, The Praetorian Guard, London 1994, kann mit seinen summa summarum 64 Seiten nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Gesamtdarstellung erfüllen; zuletzt wohl auch Monique Jallet-Huant, La garde prétorienne dans la Rome antique, Charenton-le-Pont 2004.
3 Siehe Marcel Durry, Les cohortes Prétoriennes, Paris 1938; Alfredo Passerini, Le coorti pretorie, Rom 1939.
4 Siehe die integrierten Kurzrezensionen bei Bingham. Insbesondere in der angelsächsischen Fachwelt könnte Bingham mit „The Praetorian Guard“ reüssieren, da erstmalig eine englischsprachige Gesamtdarstellung mit wissenschaftlichem Anspruch zu diesem Thema geboten wird (siehe Anm. 2).
5 Die kaiserzeitlichen Autoren Appian, Plutarch und Cassius Dio bezeichnen militärische Formationen in der Triumviratszeit, wenn sich diese unmittelbar auf den Feldherrn oder Triumvir beziehen, mit strategídes táxeis bzw. cohortes praetoria und transportieren spätere Entwicklungen der Kaiserzeit in das 1. Jahrhundert v.Chr. Es bleibt somit problematisch für die präaugusteische Phase in irgendeiner Weise von „Prätorianern“ oder gar von einer „Prätorianergarde“ zu sprechen, so aber Bingham, S. 14ff.
6 Parallel zur literarischen Quellenproblematik (siehe Anm. 5) ergeben sich trotz der etymologischen Bemühungen der Autorin weiterhin terminologische Mängel, da die cohors praetoria ebenfalls einen rein militärischen Hintergrund bezeichnen konnte, vgl. Durry, Les Cohortes Prétoriennes, S. 67f. und Michel Absil, Les préfets du prétoire d’Auguste à Commode, Paris 1997, S. 19f. Somit sind die überlieferten cohortes praetoriae der Republik nicht unbedingt mit „Prätorianern“, sondern mit „Prätorischen Kohorten“ zu übersetzen.
7 Siehe Sandra Bingham, The praetorian guard in the political and social life of Julio-Claudian Rome, Diss. University of British Columbia 1997; Security at the games in the imperial period, in: Echoes du Monde Classique 18 (1999), S. 369–379.
8 Siehe zur Prätorianerpräfektur Absil, préfets; Pierfrancesco Porena, Le origini della prefettura del pretorio tardoantica, Rom 2003; demnächst dazu auch Christian Unfug, Die Prätorianerpräfektur im 3. Jahrhundert, Diss. Freiburg im Breisgau.
9 Siehe zu Herodian Martin Zimmermann, Kaiser und Ereignis. Studien zum Geschichtswerk Herodians, München 1999; zur Historia Augusta siehe die umfangreichen Kolloquiumsreihen der Bonner Historia-Augusta-Colloquia und der Historiae Augustae Colloquia nova series sowie Mark Thomson, Studies in the Historia Augusta, Bruxelles 2012; vgl. zur Quellenlage im 3. Jahrhundert auch Klaus-Peter Johne / Udo Hartmann / Thomas Gerhard (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser, Bd. 1, Berlin 2008, S. 15f.
10 Vgl. Werner Eck, Diplomata militaria, S. 326f.
11 Vgl. Anm. 1.

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