Cover
Titel
Hans Otto Roth. Biographie eines rumäniendeutschen Politikers (1890–1953)


Autor(en)
Frühmesser, Thomas
Reihe
Studia Transylvanica 43
Erschienen
Köln 2013: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
332 S.
Preis
€ 44,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Vasile Ciobanu, Institut für Geisteswissenschaften Sibiu/Hermannstadt

Hans Otto Roth war der überragende politische Vertreter der Siebenbürger Sachsen und der Deutschen im Rumänien des 20. Jahrhunderts. Trotzdem gab es bislang keine monographische Studie über ihn, im Gegensatz zu seinem politischen Gegner, Rudolf Brandsch, dem zwei derartige Arbeiten gewidmet wurden. Die Würzburger Dissertation von Thomas Frühmesser ist die erste Biographie H. O. Roths und füllt somit diese für das Verständnis der Deutschen Rumäniens beklagenswerte Lücke.

Frühmessers ist eine Monographie gelungen, die über eine ausgewogene Struktur und inhaltsreiche Kapitel mit einigem Neuigkeitswert verfügt. Nach einer einführenden Würdigung der Bedeutung Roths werden die verwendeten „Arbeitsmittel“, wie Begriffe, Konzepte und Definitionen entwickelt. Die Präsentation des Forschungsstandes ist jedoch so knapp bemessen, dass sich der bisherige Forschungsstand zu Hans Otto Roth nicht erschließt. Obwohl Roth keine Monographie gewidmet wurde, liegen durchaus Studien, Artikel und Dokumente vor, in denen verschiedene Aspekte seines Lebens und seiner Tätigkeit dargestellt wurden. Außerdem wurde sein Beitrag zur Verteidigung der Interessen der Siebenbürger Sachsen und der anderen Gruppen von Deutschen in Rumänien in Arbeiten über das wirtschaftliche, politische und kulturelle Leben dieser Minderheit gewürdigt.

Weiter werden die wichtigsten Etappen im Leben des Politikers verfolgt, die mit den historischen Ereignissen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ineinander fallen. Das erste Kapitel ist dem Zeitraum 1890–1932 gewidmet und behandelt die Jugendjahre Roths, sein Studium und die Jahre des Ersten Weltkrieges, sowie den Eintritt in das politische Leben im Alter von 28 Jahren. 1917/1918 war er Herausgeber des „Siebenbürgisch-Deutschen Tageblattes“ in Hermannstadt, eine Zeit, in der er das Handwerk des Journalismus erlernte und umfassende politische Analysen veröffentlichte. Eigentlich blieb Roth sein ganzes Leben lang in enger Beziehung zur Presse, weil er deren aufklärenden und bildenden Wert schätzte. Leider ist dieser Aspekt in der untersuchten Arbeit nicht enthalten. Stattdessen wird Roths herausragende Rolle in den Ereignissen von 1918/1919 betont, die zur Beitrittserklärung der Siebenbürger Sachsen zu Rumänien führte. Als Autor des sächsischen Volksprogramms, das am 6. November 1919 angenommen wurde, war Roth ein zentraler Akteur der Integration der Sachsen in das politische Leben ihrer neuen Heimat. Frühmesser geht bei der Untersuchung von Roths intensiver politischer Tätigkeit während der 1920er-Jahre auf dessen Gegensatz mit seinem politischem Gegner Rudolf Brandsch näher ein und erfasst den Kern dieses Gegensatzes, bestehend in der unterschiedlichen politischen Taktik der beiden. Brandsch plädierte für ein konstantes Bündnis mit der bis 1926 fast ausschließlich in Siebenbürgen erfolgreichen bäuerlich-mittelständisch geprägten Nationalpartei, was die Deutschen auf eine Rolle als Oppositionspartei festgelegt hätte. Roth hingegen optierte für eine flexiblere Politik der Bündnisse und Verhandlungen mit der jeweils regierenden Partei im Sinne einer Vertretung deutscher Interessen unabhängig von Ideologie und Weltanschauung. Dargestellt werden neben Roths Bemühungen, als Mitglied und Vorsitzender der Deutschen Partei, um die Finanzierung der Schulen aus Deutschland auch sein erbitterter Kampf mit der Bukarester Regierung um staatliche Zuschüsse für die konfessionellen Schulen. Desgleichen beschäftigte er sich als Abgeordneter und Sekretär des Deutsch-Sächsischen Volksrates für Siebenbürgen mit der Verteidigung der wirtschaftlichen Interessen der Deutschen in Rumänien, die von der Agrarreform bis hin zu Handwerk und Industrie reichten. Auch seine intensive parlamentarische Tätigkeit und sein rhetorisches Talent sollten hervorgehoben werden, sowie die Tatsache, dass er zehn Mal als Abgeordneter gewählt wurde, worauf er im Jahr 1938 als Senator auf Lebenszeit ernannt wurde (nicht Brandsch, wie fälschlicherweise auf S. 70 behauptet wird). Frühmesser legt zudem eine gute Analyse von Roths Einschätzungen bezüglich der rumänischen Innen- und Außenpolitik vor, inklusive seiner Wahrnehmung des in den 1930er-Jahren aufkommenden völkischen Gedankenguts.

Das auch bei den Deutschen Rumäniens vom Nationalsozialismus geprägte Jahrzehnt 1933–1944 wird im nächsten Kapitel behandelt. Auch dafür wurden einige Momente ausgewählt, die für Roths politische Karriere entscheidend waren. So wurde er im Jahr 1932 zum Vorsitzenden des Verbandes der deutschen Volksgruppen in Europa gewählt. Als er dieses Amt bekleidete, wurde er von Hitler empfangen (1933), mit dem er unter anderem die sogenannte „Judenfrage“ sowie kirchliche Angelegenheiten erörterte. Leider sind Roths Aufzeichnungen dafür die einzige von Frühmesser ausgewertete Quelle. Roths aktive Teilnahme am Nationalitätenkongress von Bern im September 1933 wird ebenfalls vorgestellt, diejenige an den Sitzungen der Interparlamentarischen Union als Vertreter Rumäniens (1935, 1938, 1939) jedoch nicht. Obwohl Hans Otto Roth und seine demokratisch gesinnten Freunde den Kampf gegen das Eindringen nationalsozialistischen Gedankenguts in die Reihen der Deutschen aus Rumänien spätestens 1939 mit der Einsetzung von Andreas Schmidt als Führer der Deutschen Volksgruppe in Rumänien durch Berlin verloren hatten, hätte Roths Gegnerschaft zum eigenständigen Faschismus der Deutschen Rumäniens sowie gegen deren Gleichschaltung mit dem „Dritten Reich“ mehr Beachtung finden müssen. Mit großer Aufmerksamkeit wird Roths Opposition zur Volksgruppenführung erörtert, in einer Zeit als er unter den Deutschen zunehmend weniger politische Verbündete hatte. Die oppositionelle Haltung gegen den Nationalsozialismus seitens eines Mitgliedes der deutschen Minderheit eines mit dem „Dritten Reich“ verbündeten Landes war in jenen Jahren ebenso riskant wie die Opposition in Deutschland selbst. Roth war ein Feind des Volksgruppenführers Andreas Schmidt, da er versuchte, sich dessen Politik zu widersetzen. Frühmesser erwähnt, dass Roth im Jahre 1940 zwei Mal eingeladen wurde, Minister zu werden, die Einladungen jedoch ablehnte.

Der letzte Teil seines Lebens (1944–1953) stimmte mit dem Beginn einer neuen tragischen Periode in der Geschichte der Deutschen in Rumänien überein. Frühmesser zeigt auf, wie der Politiker versuchte, sein Volk aus Gefahren zu retten, die als Folgeerscheinung des erfolgreichen Putsches gegen das Antonescu-Regime am 23. August 1944, des damit einhergehenden Bündniswechsels sowie durch den Einmarsch der Roten Armee in Rumänien drohten. Roth versuchte mit allen Mitteln, seine Landsleute zu retten, konnte jedoch Entrechtung und Zwangsverschleppung in die Sowjetunion (1945) nicht verhindern. Er versuchte, eine demokratische Organisation der Deutschen in Rumänien wiederherzustellen und diese sogar mit linken politischen Kräften zu verbünden, die in jenen Jahren im Aufstieg waren. Roth wurde seitens seiner politischen Gegner harten Angriffen ausgesetzt und beschuldigt, er verfolge nur persönliche Führungsinteressen. Frühmesser deutet diese Anschuldigungen als unzutreffend. Es folgten Roths Verhaftung und Gefängnisaufenthalt ohne jegliches Gerichtsverfahren. Sein Tod, der am 1. April 1953 im Lager Ghencea-Bukarest erfolgte, war Teil des Planes der Kommunistischen Partei, die alte politische Elite Rumäniens auszulöschen. Dieses Kapitel sticht aus dem Buch als der stilistisch am besten ausgearbeitete Teil ebenso heraus wie für den hohen Neuheitsgrad der Informationen sowie für deren kritische Interpretation.

Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung, in der Frühmesser Hans Otto Roths Persönlichkeit und Tätigkeit in die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und in die der Deutschen Rumäniens im Allgemeinen integriert. Die Beurteilungen sind kritisch und bieten Erklärungen für die Handlungen und Haltungen Roths und für die seiner Gegner. Als loyaler Bürger Rumäniens und echter Demokrat setzte sich Roth für die wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Interessen der deutschen Minderheit im rumänischen Nationalstaat ein. Zudem war er ein Politiker, der gute wirtschaftliche und politische Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland anstrebte. Nach 1933 sahen er und seine gleichgesinnten Freunde in einer Gleichschaltung mit Berlin Gefahren für eine eigenständige Politik der Deutschen Rumäniens, die darin bestanden, dass sowohl Berlin als auch Bukarest deren Interessen im machtpolitischen Zugriff gänzlich zu ignorieren drohten.

Der Band ist mit 13 Anhängen (6 unveröffentlichte Dokumente), einem Quellen- und Literaturverzeichnis sowie einem Personenverzeichnis versehen.

Thomas Frühmessers Buch ist für die Geschichtsschreibung der Deutschen in Rumänien und der deutschen Minderheiten im Allgemeinen willkommen, da es das Porträt eines Politikers liefert, der die Interessen seiner Wähler im Spannungsfeld zwischen Bürger- und Minderheitenrechten sowie außenpolitischer Instrumentalisierung vertrat. Die Arbeit trägt zur Vertiefung der Kenntnisse über die Führungselite der Deutschen in Rumänien und über die Minderheitenpolitik in diesem Land bei und macht eine außerordentliche Persönlichkeit, einen Vertreter des Kampfes für ein demokratisches Regierungssystem, besser bekannt.

Redaktion
Veröffentlicht am
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension