H. Barmeyer (Hg.): Preußische Königskrönung 1701

Titel
Die preußische Rangerhöhung und Königskrönung 1701 in deutscher und europäischer Sicht.


Herausgeber
Barmeyer, Heide
Erschienen
Frankfurt am Main u.a. 2002: Peter Lang/Frankfurt am Main
Anzahl Seiten
260 S.
Preis
€ 35,30
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hans-Juergen Boemelburg, Deutsches Historisches Institut Warschau

Der aus einer Tagung der „Arbeitsgemeinschaft zur Preußischen Geschichte“ hervorgegangene Band konzentriert sich auf die Frage, wie die preußische Rangerhöhung in der neuen Monarchie selbst, im Reich und in den europäischen Nachbarstaaten rezipiert wurde und welche Faktoren für die Anerkennung bzw. einen Protest den Ausschlag gaben. Methodisch gibt Barmeyer einen Ansatz vor, der Zeremoniell und Politik als Einheit sieht und die Bedeutung der symbolischen Kommunikation im Rahmen des zeitgenössischen Horizonts unterstreicht. Diese von der modernen Zeremoniell- und Kommunikationsforschung inspirierte Herangehensweise kann dem im Jubiläumsjahr intensiv beforschten Gegenstand neue Perspektiven abgewinnen und verdient deshalb eine Diskussion.

Gedruckte Predigten zum Tag der Königskrönung aus Brandenburg, Quedlinburg und Pommern untersucht Esther-Beate Körber: Die Predigttexte wichen regional voneinander ab, Körber entwickelt die These, in Regionen mit für Preußen noch ungefestigten Herrschaftstraditionen (Quedlinburg, Pommern) seien zentral andere Bibelstellen vorgegeben worden, die die Legitimität und Kontinuität der Herrschaft Friedrich III./I. betont hätten. Trotz dieser zentralen Steuerung seien aber deutliche Unterschiede zwischen „staatsfrommen“ und pietistisch-distanzierten Predigtvariationen erkennbar, die normativen Vorgaben seien also nur teilweise erfolgreich gewesen.

1. Die Wahrnehmung im Reich

Bereits den Zeitgenossen fielen die fehlenden Reaktionen auf die Krönung aus dem Reich auf. Horst Carl deutet sie in einem doppelten Rahmen: Einerseits seien die Grundfesten der Reichsverfassung nicht tangiert worden, andererseits seien die genossenschaftlichen Pfade der Reichsfortentwicklung um 1700 an ein Ende gekommen. Schließlich sei durch die bewusste Ausklammerung von Rangordnungsfragen durch Preußen Zündstoff vermieden worden.

Der Protest des Deutschen Ordens gegen die Krönung wird von Dieter J. Weiss nachgezeichnet. Hier spielten zeremonielle Fragen keine Rolle, während dagegen der Heilige Stuhl gegen die vermeintliche Nachahmung katholischer Krönungsformen protestierte.

Materialreich (35 S.) werden von Nora Gädeke die Reaktionen des politisch agierenden Hofmannes und Gelehrten Wilhelm Leibniz beschrieben, der auch persönlich an Berlin interessiert war. Leibniz Reaktionen changierten allerdings zwischen gelehrter Beweisführung und Anknüpfung an die herrscherliche Repräsentationsneigung, was teilweise ihre Veröffentlichung verhinderte. Erkennbar wird, dass ein zeitgenössischer Gelehrter in Fragen der Repräsentation nicht legitimiert war, das Wort zu ergreifen.

Die politisch-diplomatischen Reaktionen Max Emanuels und Bayerns zeichnet Peter Baumgart nach. Stärker gefragt werden könnte hier, ob den allein tagespolitisch motivierten Aktivitäten Max Emanuels nicht die symbolischen Unterfütterung fehlte und ob dies zu seinem Scheitern beitrug.

2. Die Wahrnehmung bei den europäischen Nachbarn

Mit am stärksten von der Königskrönung betroffen war Polen, dessen einstiges Lehnsterritorium nun zu einer gleichberechtigten Macht aufstieg. Jacek Staszewski zeichnet die unterschiedlichen Interessen von polnischem König und polnischem Staatswesen nach, das ja die preußische Krone erst unter politischem Druck 1764 anerkannte. Der Beitrag konzentriert sich auf die politischen Reaktionen, die zeremoniell-repräsentative Ebene, die im preußisch-polnischen Verhältnis von zentraler Bedeutung ist, wird leider nicht diskutiert.

Die allein realpolitisch motivierte französische Reaktion beschreibt Ernst Ophenoorth; stärker akzentuiert hätte hier werden können, dass aufgrund der Nichtanerkennung der preußischen Krone jegliche diplomatisch-repräsentativen Kontakte zum Erliegen kamen und durch (an kein Symbolsystem gebundene?) informelle Kontaktaufnahmen ersetzt wurden.

Sehr facettenreich sind dagegen die von Werner Buchholz geschilderten schwedischen Reaktionen: Das preußische Insistieren auf (diplomatischer) Gleichberechtigung endete 1699 sogar mit einem gewalttätigen Übergriff des schwedischen Botschaftsmarschalls auf den preußischen Residenten in Moskau. Schwedisches Pochen auf Vorrang und die Politik Karls XII. stehen hier nebeneinander; welche Anteile beide Komponenten an dem Weg zur Anerkennung 1703 haben, ist in den Quellen aber nur teilweise rekonstruierbar.

Abgeschlossen wird der Band von Sebastian Olden-Jorgensen, der den Grad an „zeremonieller Innovation“ in der ersten absolutistischen Königskrönung in Dänemark (1671) und der preußischen Krönung vergleicht. Der gezielte politisch-innovative Umgang mit den einzelnen Elementen der Zeremonie mache beide Akte vergleichbar. Allerdings führe dieser Umgang bis an die Grenzen der Auflösung des Rituals – ein Grund, warum dieses Krönungszeremoniell in Preußen nicht traditionsstiftend werden konnte.

3. Fazit

Bei einer Zusammenschau aller Beiträge sticht eine Leerstelle hervor: Das zum Königtum erhobene Herzogtum Preußen ist in keinem Beitrag präsent. Nur ein Zufall? Man könnte hierin auch ein Symptom einer in Deutschland stärker werdenden „Brandenburgisierung“ der Hohenzollernmonarchie sehen.

Die Konzentration auf die zeremoniell-repräsentative Dimension für die deutschen wie europäischen Reaktionen macht den Band insgesamt lesenswert. Wenn auch nicht alle Beiträge diese Perspektive durchhalten, so ist dieser Blick doch weiterführend und inspirierend.

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