Caracalla. Kaiser Tyrann Feldherr

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Titel
Caracalla. Kaiser Feldherr Tyrann


Herausgeber
Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg
Reihe
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Erschienen
Anzahl Seiten
144 S.
Preis
€ 29,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Florian Sonntag, Historisches Institut, Universität Stuttgart

„Ein furchtbares Haupt, ein Feind Gottes und der Menschen, bei dessen Verworfenheit und falscher Genialität der Gedanken erwachen muss, es ist Satan“.1 Dieses vernichtende Urteil fällte Jacob Burckhardt bei der Betrachtung einer Büste des Caracallas. Doch damit steht Burckhardt nicht alleine: Auch Theodor Mommsen, Ernst Kornemann oder Alfred Heuß zeichnen ein überaus düsteres Bild des römischen Kaisers Caracalla, der seinen Vater umbringen wollte, seinen Bruder ermorden ließ, eine Terrorherrschaft führte und sogar seine Mutter geheiratet haben soll.2 Bei all diesen Taten gerät sein Krieg gegen die Germanen stets in Vergessenheit. Dieser Feldzug ist nun der Gegenstand einer Sonderausstellung des Limesmuseums in Aalen3 und der zugehörige Begleitband Thema der vorliegenden Rezension.

Der erste Beitrag von Martin Kemkes (S. 7–32) thematisiert das Leben und die Person Caracallas. Kemkes gelingt es auf wenigen Seiten ein durchaus lebendiges Bild des Kaisers gemäß den Quellen nachzuzeichnen. So werden die oben genannten Taten erläutert und kritisch beurteilt. Es wird auch nicht versäumt zu erwähnen, dass Geta und Caracalla von frühster Kindheit ein problematisches Verhältnis zueinander hatten, welches durch Konkurrenz und durch den Kampf um die Nachfolge geprägt war, und dass auch Geta ein ausschweifendes Leben führte.4 Außerdem wird auf Caracallas Krankheit eingegangen, sein Verhältnis zu den Soldaten beschrieben und die angebliche Blutschande mit seiner Mutter analysiert. Zudem werden Caracallas Geburtsdatum thematisiert und dessen Name erklärt, der sich bekanntlich von einem keltischen Mantel herleitet. Eine kurze Beschreibung und Bewertung der Quellen ist dem Beitrag vorangestellt (S. 8f.). Kemkes macht zu Recht darauf aufmerksam, dass die Überlieferung generell ein sehr negatives und oft ungenaues Bild von Caracalla zeichnet5, dass Cassius Dio der severischen Dynastie gegenüber äußerst negativ eingestellt war (S. 8), Herodian (2,15,7) hingegen nur das „Wesentliche und Bedeutsame“ wiedergeben wollte6 und dass in der Historia Augusta zahlreiche Anekdoten, Verdrehungen und Fehler, aber auch wichtige Informationen zu finden sind (S. 9).7

Barbara Pferdehirt und Markus Scholz skizzieren im zweiten Beitrag „die Epoche der Severischen Kaiser“ (S. 33–52). Es werden kurz der Aufstieg des Septimius Severus, der Bürgerkrieg von 192 bis 197 sowie die späteren Kaiser der severischen Dynastie beschrieben. Dass sich „das Römische Reich von diesem Bürgerkrieg letztlich nicht mehr erholt“ (S. 36) hat, ist jedoch eine sehr gewagte These. Sicherlich ist es richtig, dass unter den Severern entscheidende Weichen für die weitere Entwicklung Roms gestellt wurden, welche mitverantwortlich für die politische Krise des Reiches im 3. Jahrhundert waren. Trotzdem ist die sogenannte „Zeit der Soldatenkaiser“ bekanntlich nicht das Ende des Römischen Reiches. Daher wird der Bürgerkrieg in diesem Zusammenhang sicherlich überbewertet. Außerdem werden in diesem Beitrag noch die Reformen der Severer im administrativen und militärischen Bereich sowie die Constitutio Antoniniana besprochen (S. 44–52). Dieses „Geschenk“, welches fragmentarisch durch den Papyrus Gissensis 40 überliefert ist (S. 46), war wohl vielmehr eine innenpolitische Maßnahme, die zum einen die Macht Caracallas nach dem Mord an seinem Bruder Geta stabilisieren und zum anderen für ein höheres Steueraufkommen sorgen sollte (S. 47f.). Trotzdem endete mit Caracalla der lange Konflikt um das römische Bürgerrecht, da fast alle freien Reichsbürger dieses durch seinen Erlass erhielten. Ob die Constitutio Antoniniana hingegen tatsächlich „indirekt dem Christentum als Weltreligion den Weg ebnete“ (S. 52), weil dadurch der neue Glaube auch in die sozial höheren Schichten Einzug fand, ist eine gleichermaßen gewagte wie höchst spekulative These, die von den Autoren durch keinen Beleg gestützt wird.

Anschließend beschreibt Alexander Heising „die Zeit der Severer in Obergermanien und Raetien“ (S. 53–70). Da die Soldaten unter den Severern eine mehrfache Solderhöhung bekamen, erhöhte sich deren Kaufkraft, was zahlreiche Weihedenkmäler in Obergermanien und Raetien bestätigen (S. 61). Außerdem wurden in diesem Bereich zahlreiche Kastelle gebaut sowie die Infrastruktur verbessert. Von der „serverischen Blüte“ profitierte vor allem der Nordteil der Provinz Obergermanien (S. 60–64) und hier besonders „Händler, Handwerker und Gutsbesitzer in der Grenzzone“ sowie die größeren villae rusticae. Fernab der Grenze hingegen ist in vielen zivilen Gemeinden ein Bevölkerungsrückgang zu erkennen (S. 70). Von einer „severischen Blüte“ in Obergermanien kann also nur begrenzt die Rede sein.

Die Beiträge von Julia Gräf (S. 71–87) und Bernd Steidl (S. 88–103) befassen sich mit den Elbgermanen und den Germanen am Main. Im Vorfeld des Feldzugs werden Kämpfe zwischen den Germanen untereinander erwähnt. Die Quellen berichten, dass germanische Stämme aus der Elbregion, namentlich die Cennen und Alamannen8, in das Maingebiet eindrangen und es dort zu Kämpfen kam. Laut Cassius Dio (77,13,5) wurde Caracalla von letzteren um Hilfe gebeten, und der Kaiser nutzte diese Gelegenheit für einen Präventivschlag auf germanischem Boden (S. 71). Außerdem beschreiben die beiden Beiträge noch das Kriegswesen und die Bewaffnung der Germanen und Römer9 sowie das Siedlungswesen und die Bestattungsriten der germanischen Stämme. Zusätzlich werden kurz die römisch-germanischen Kontakte des 3. Jahrhunderts skizziert.

Im letzten Beitrag beschreibt Stephan Bender den Feldzug gegen die Germanen im Jahr 213 (S. 104–131). Bender versucht anhand der Quellen den Feldzug zu rekonstruieren. Den Zug, der mit einem römischen Sieg endete, wertet auch Bender als Präventivschlag; er habe gleichermaßen aber auch der Herrschaftslegitimation gedient, da Caracalla so militärischen Ruhm erwerben und von seinem Brudermord habe ablenken können (S. 113). Ein möglicher zeitlicher Rahmen erstreckt sich vom 29. Juli bis zum 6. Oktober 213, da man davon ausgeht, dass Caracalla innerhalb dieser Zeitspanne den Limes in Raetien aufsuchte.10 In diesem Zusammenhang ist auch die Gottheit Apollo-Grannus bedeutsam, da ein kaiserlicher Besuch des Apollo-Grannus-Heiligtums bei Faimingen sehr wahrscheinlich ist (S. 107). Es ist aber auch möglich, dass es bereits vor dem Sommer 213 in Abwesenheit des Kaisers militärische Aktionen gegen die Germanen gab. Bender geht von einer Gesamtstärke des römischen Heeres von 10.000 Mann aus, es sei wohl von C. Octavius Appius Suetrius Sabinus geführt worden. Ob es sich bei der militärischen Aktion um eine expeditio, also einen zeitlich begrenzten Feldzug, oder um einen bellum handelte, kann nicht mehr eindeutig geklärt werden, obwohl die Indizien eher für eine expeditio sprechen (S. 114f.). Über den Ort der Schlacht ist, außer dass sie am Main stattfand (Aur. Vict. Caes. 21,2), nichts bekannt, wobei Bender vollkommen zu Recht darauf hinweist, dass die Auffindung des Schlachtfeldes im Bereich des Möglichen liegt, was die Entdeckung der Schlachtfelder von Kalkriese und am Harzhorn nahe Kalefeld eindeutig demonstriert haben (S. 122). Als konkreten Ansatzpunkt nennt Bender den Mainübergang bei Ochsenfurt (S. 131). Die Auffindung dieses Schlachtfeldes wertet Bender als „unübersehbare Forschungsaufgabe“, die bei der Klärung manch offener Frage helfen würde (S.130f.).

Insgesamt bietet der Band einen guten Einstieg zu Caracalla und zur severischen Epoche und zeigt, dass der Feldzug des Kaisers bisher nicht ausreichend behandelt wurde. Ob dieses militärische Unternehmen aber wirklich für eine „umfassende Neubewertung“ (S. 131) des Kaisers Caracalla ausreicht, ist zu bezweifeln.

Anmerkungen:
1 Jacob Burckhardt, Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, Bd. 2, Basel 1860, S. 522.
2 Über eine Beziehung Caracallas mit Iulia Domna (in dieser Tradition als Stiefmutter bezeichnet) berichten einige lateinische Autoren, so Aurelius Victor (Caes. 21, 3), Eutrop (8,20), die Historia Augusta (Carac. 10,1–4) und die Epitome de Caesaribus (21,5); von Inzest spricht nur der Chronograph von 354 (Chronica minora I 147,14–15: hic suam matrem habuit). Kemkes zufolge entstammt der Vorwurf der Blutschande der Tatsache, dass Iulia Domna gemeinsam mit Caracalla bis zu dessen Tod regierte, obwohl sie bei der Ermordung Getas anwesend war und dieser sogar in ihren Armen starb (S. 31).
3 Zur Ausstellung: <http://www.aalen.de/sixcms/detail.php?id=136474&_bereich=6ch=6> (19.09.2013).
4 Laut Herodian (2,4,9) wurde Geta aber in seinen Ausschweifungen von Caracalla übertroffen. Zu den Schandtaten der beiden Brüder siehe Cass. Dio. 76,7,1.
5 Bei einer so einseitigen Sicht der Quellen ist eine kritische Quellenanalyse von höchster Bedeutung, auch wenn Karl Christ (Geschichte der Römischen Kaiserzeit. Von Augustus bis Konstantin, 6. Aufl., München 2009, S. 625) – sicherlich mit Recht – behauptet, dass sich in den Quellen zu Caracalla „wohl die historische Wahrheit verdichtet“.
6 Was wesentlich und bedeutsam ist, liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Herodian schenkt den Bluttaten des Caracallas große Aufmerksamkeit, wohingegen er etwa „die Bürgerrechtsverleihung Caracallas gar nicht erwähnt“ (S. 9).
7 Bereits Theodor Mommsen (Die Scriptores Historiae Augustae, in: Hermes 25, 1890, S. 228–292, hier S. 280) hat darauf hingewiesen, dass man beim „Gebrauch des ebenso gefährlichen wie unentbehrlichen Buches in stetiger Verlegenheit und Unsicherheit“ ist.
8 Bender (S. 123) nimmt an, dass es sich bei der Erwähnung der Cennen bei Cassius Dio (77,14,1) um einen Schreibfehler handelt und identifiziert sie mit den Chatten. Der Name der Alamannen ist nur in byzantinischen Exzerpten aus Cassius Dio (77,13,4.6; 15,2) erhalten und daher nicht unumstritten. Vgl. etwa Helmut Castritius, Von politischer Vielfalt zur Einheit. Zu den Ethnogenesen der Alemannen, in: Herwig Wolfram / Walter Pohl (Hrsg.), Typen der Ethnogenese unter besonderer Berücksichtigung der Bayern, Bd. 1, Wien 1990, S. 71–84.
9 Das pilum wird von Gräf fälschlicherweise als Stoßlanze und nicht als Wurfspeer (S. 102) bezeichnet. Als Stoßwaffe diente den römischen Soldaten vor allem die wesentlich längere hasta.
10 Bender begründet diesen Zeitraum aus „der Auswertung kaiserlicher Konstitutionen, Regelungen auf allen Rechtsgebieten, die bis zum 29. Juli für Rom belegt sind und dort die persönliche Anwesenheit Caracallas voraussetzen“ (S. 106). Eine römische Inschrift (CIL VI 2086), die eine Siegesfeier auf dem Kapitol erwähnt, datiert auf den 6. Oktober (vgl. S. 104–106).

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