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Titel
Host Nation Studies. A Language and Culture Program in US-American Elementary Education in Germany


Autor(en)
Gutwerk, Simone
Reihe
Klinkhardt Forschung
Erschienen
Bad Heilbrunn 2013: Julius Klinkhardt Verlag
Anzahl Seiten
201 S.
Preis
€ 32,00
Rezensiert für die Historische Bildungsforschung Online bei H-Soz-Kult von:
Michael Zimmer-Müller, Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung, Universität Koblenz-Landau

Viele Länder der Welt verfügen über Schulen im Ausland, die sich meist vorwiegend an die Kinder und Jugendlichen der Herkunftsnation wenden und ihnen die eigene Sprache und Kultur vermitteln. Dies gilt auch für die Vereinigten Staaten von Amerika, die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in den besetzen Ländern (Deutschland, Österreich und Japan) Schulen, insbesondere für die Kinder der amerikanischen Soldaten, einrichteten (Dependents Service Schools). Gutwerk greift in ihrer Dissertation „Host Nation Studies – A Language and Culture Programm in US-American Elementary Education in Germany“ einen spezifischen Aspekt dieser Schulen in Deutschland auf, indem sie die Vermittlung der Sprache und Kultur des Gastlandes – hier der deutschen – fokussiert. Sie beschreibt das Konzept des Host Nation Program in Deutschland, das bisher noch wenig beachtet und schon gar nicht untersucht worden ist (S. 11). Die über 60-jährige Existenz der Dependents Service Schools und des Host Nation Program, die Tatsache, dass es auch heute noch außergewöhnlich ist, dass bereits im Primarbereich von Muttersprachlern Fremdsprachenkenntnisse, aber auch bereits von Anfang an kulturelle Inhalte vermittelt werden, geben Anlass genug, sich mit dem Programm zu befassen (S. 39ff.).

Die Arbeit gliedert sich – neben dem üblichen Einleitungskapitel, dem Kapitel zum Forschungsstand, einem Diskussionskapitel sowie einem Ausblick am Ende – in zwei Untersuchungskapitel, die methodisch sehr unterschiedliche Zugänge nutzen. Im Kapitel „Bibliographic Archival Research“ rekonstruiert Gutwerk anhand von in Archivrecherchen gewonnenem Material die Host Nation Studies in den Jahren von der Entstehung unmittelbar nach Kriegsende bis 1965. Im Kapitel „Empirical Research on the Host Nation Program“ stellt sie Ergebnisse einer Fragebogenstudie mit amerikanischen und deutschen Lehrkräften der Dependents Service Schools vor. Gutwerk sieht darin eine Ergänzung im Sinne des cumulative approach Kelles und Erzbergers1, wenngleich sich die gewonnen Daten aufgrund der unterschiedlichen Provenienz nicht unmittelbar vergleichen lassen. Der Band wird abgerundet durch einen Anhang mit den Anschreiben an die Schulen und den Fragebogenversionen. Im Forschungsüberblick zeichnet Gutwerk zunächst die Ergebnisse der vergleichenden sowie der Historischen Bildungsforschung der Nachkriegszeit nach. Weitere Stränge, die sie verfolgt, sind Studien zur Re-Education, zum amerikanischen Schulsystem in Deutschland sowie Ansätze zur Fremdsprachendidaktik. Bis auf die Dissertation Kroons2 aus dem Jahr 1985 findet Gutwerk in der gesichteten Literatur allerdings nur wenige unmittelbare Anknüpfungspunkte für ihre eigenen Analysen.

Gutwerk recherchierte – mit geringem Ertrag für ihre Fragestellung – in verschiedenen deutschen Staatsarchiven, umfangreiches Quellenmaterial (Publikationen der Militärregierung, Curricula, Zeitungsberichte und anderes) fand sie schließlich im Archiv der American Overseas Schools Historical Society (AOSHS) in Wichita, Kansas. Auf dieses Material stützt sie sich in ihrer historischen Analyse fast ausschließlich und beschreibt auf dieser Grundlage die Verwaltung, die personale Besetzung sowie die Konzeption des Programms. Gutwerk stellt fest, dass die Sprachvermittlung und die Vermittlung kultureller Inhalte etwa die gleiche Rolle spielten, wenn von einer leichten Betonung des sprachlichen Aspektes bis in die 1950er-Jahre hinein abgesehen wird. Über die Zeit hinweg zeichnet sich das Programm durch eine große Stabilität im Design und der Umsetzung aus, obwohl zu Beginn kein ausgearbeitetes Curriculum vorlag und den Lehrkräften offizielle, für den Unterricht zu nutzende Materialien fehlten (S. 39). Das Curriculum war dann zunächst so ausgelegt, dass klassische Unterrichtsinhalte mit Blick auf das Gastland vermittelt werden sollten. Dies hat sich mit der Zeit gewandelt und Gutwerk findet auch Hinweise darauf, dass sich Lehrkräfte von Beginn an nicht strikt an diese Vorgaben gehalten haben. Interessant sind darüber hinaus die von Anbeginn an bestehenden Kooperationen der deutschen und amerikanischen Lehrkräfte vor allem vor dem Hintergrund des am Anfang bestehenden Fraternisierungsverbots (S. 18).

Von den Erkenntnissen des historischen Teils ausgehend, führte Gutwerk im Jahr 2007 standardisierte Fragebogenerhebungen an bestehenden Dependents Service Schools in Deutschland sowohl mit deutschen als auch amerikanischen Lehrkräften durch, um den aktuellen Stand des Curriculums, aber vor allem die tatsächlichen Vorgehensweisen in den Schulen bei der Vermittlung deutscher Sprache und Kultur zu erheben. Die Ergebnisse finden sich im zweiten, empirischen Untersuchungsteil. Der Zeitpunkt für die Durchführung dieses Teils der Studie war günstig getroffen, insofern viele der Schulen sich mittlerweile – bedingt durch den verstärkten Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Deutschland – in Auflösung befinden und also zur Zeit der Erhebung gerade noch die Chance bestand, von Lehrkräften Informationen aus erster Hand zu erhalten.

Im Zentrum der Befragungen standen das Verhältnis von Sprach- und Kulturvermittlung sowie die Unterrichtsinhalte aus Sicht der Lehrkräfte. Breiten Raum nimmt dabei die Analyse der Inhalte des Unterrichts in den einzelnen Klassenstufen ein (S. 115ff.), die Gutwerk auf der Ebene der einzelnen abgefragten Items beschreibt. Die im Vergleich zu anderem Fremdsprachenunterricht starke Betonung kultureller Aspekte stellt auch heute noch eine Besonderheit des Host Nation Program dar. Religiöse Feste sowie lokales und weltliches Brauchtum sind sowohl für amerikanische wie für deutsche Lehrkräfte wichtige Träger der Kulturvermittlung und in allen Klassenstufen die am häufigsten behandelten Unterrichtsinhalte. Interessanterweise ergibt sich bei der Wahl der Unterrichtsinhalte über die Klassenstufen hinweg eine Annäherung zwischen den amerikanischen und deutschen Lehrkräften an den Dependents Service Schools. Während Gutwerk in ihrer Quellenanalyse zunächst noch eine größere Abstimmung der Unterrichtsinhalte zwischen amerikanischen und Host-Nation-Lehrkräften vorfand, lässt sich dies mit den Befragungsdaten nicht mehr feststellen. Herauszustellen ist auch der Befund, dass den Host-Nation-Study-Lehrkräften viel an der Vermittlung praktischen Anwendungswissens liegt. Obgleich Gutwerk alle bestehenden Dependents Service Schools in Deutschland angeschrieben hatte und eine hohe Rücklaufquote (62,5 Prozent) bei den Fragebögen erreichte, beruht der empirische Teil der Arbeit auf den Angaben von insgesamt 114 Lehrkräften (darunter 25 deutsche). Die Prozentangaben in den Grafiken und Tabellen verdecken diese Tatsache, was besonders dann ins Gewicht fällt, wenn Teilpopulationen mit geringen Teilnehmerzahlen beschrieben werden.

Gutwerk legt mit ihrer Dissertation eine umfassende Darstellung der Entwicklung der Host Nation Studies in den Dependents Service Schools in Deutschland vor und arbeitet die besondere Form der Vermittlung von Sprache und Kultur im Rahmen des Programms heraus. Vor allem vor dem Hintergrund, dass in Europa Fremdsprachenunterricht im Primarbereich erst seit den 1980er-Jahren an Bedeutung gewinnt, ist es für die Historische Bildungsforschung, aber auch für Sprachdidaktik, Grundschulpädagogik und die Bildungsadministration lohnenswert, die Vorgehensweise im Rahmen der Host Nation Studies genauer anzusehen. Die zwei in der Arbeit realisierten Methodenansätze bieten Anknüpfungsmöglichkeiten für zukünftige Studien sowohl in der aktuellen als auch der Historischen Bildungsforschung. Die von Gutwerk angeführte relative Eigenständigkeit der Schulen ohne eine zentralisierte Verwaltung und das Vorhandensein binationaler Kollegien mit Muttersprachlern fordern geradezu vergleichende Studien mit Programmen zur Vermittlung von Kenntnissen des Gastlandes in anderen Auslandsschulsysteme in verschiedenen historischen Kontexten heraus.

Anmerkungen:
1 Udo Kelle / Christian Erzberger, Qualitative und quantitative Methoden. Kein Gegensatz, in: Uwe Flick / Ernst von Kardorff / Ines Steinke (Hrsg.), Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek 5. Aufl. 2007, S. 299–309.
2 Karen Kroon, Foreign Language/Intercultural Education in the Department of Defense Dependents Schools. A Descriptive Study of the Host Nation Program in the Federal Republic of Germany (Diss.) Ohio 1985.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit der Historischen Bildungsforschung Online. (Redaktionelle Betreuung: Philipp Eigenmann, Michael Geiss und Elija Horn). https://bildungsgeschichte.de/
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