S. Körner: Nikolaus II. Esterhazy

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Titel
Nikolaus II. Esterházy (1765–1833) und die Kunst. Biografie eines manischen Sammlers


Autor(en)
Körner, Stefan
Erschienen
Anzahl Seiten
398 S.
Preis
€ 69,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Gabriele B. Clemens, Historisches Institut, Universität des Saarlandes

Die vorliegende Dissertation von Stefan Körner bietet eine opulente Biographie zum Fürsten Nikolaus II. Esterházy, einem der reichsten Mäzene der Sattelzeit. Während die deutsche Forschung in den letzten fünfzehn Jahren fast völlig einseitig bürgerliches Mäzenatentum fokussierte und selbst adliges Mäzenatentum als bürgerlich interpretierte 1, liegt hier eine beeindruckende Studie vor, die zeigt, welche enorme Rolle der Adel auch nach 1800 noch als Mäzen spielte. Der 1765 geborene Fürst wird auf einer sehr breiten Quellenbasis als standesbewusster Repräsentant der europäischen Adelskultur portraitiert. Anknüpfend an die Tradition seines Großvaters und Vaters dienten seine Kunstsammlungen als prächtiger Beleg und der Zurschaustellung seiner legendären Machtfülle, barocken Prunks und eines gottgewollten Reichtums. Sein immenses Vermögen beruhte auf ausgedehntem Großgrundbesitz, Schlössern, Palästen und Villen in Ungarn, Österreich, Italien und Baden. An technischen Neuerungen und ökonomischem Fortschritt interessiert, investierte er innovativ in Schafzucht, Postwesen, Kohlebergbau und Aktien. Während der mehr als zwanzigjährigen Kriegsphase (1792–1815) verdiente Esterházy enorme Summen mit Kriegslieferungen und doch reichte sein schier unvorstellbares Vermögen nicht aus, um seine zahlreiche Aktivitäten als Bauherr, Kunstsponsor, Musikförderer und seine Maitressenwirtschaft zu finanzieren. Zweimal führt er sein Majorat bis an den Rand (1811) oder in den Ruin (1832).

Seine Aktivitäten spielten sich in einem dezidiert europäischen Rahmen ab. Bereits auf seiner ersten Reise, der standesgemäßen Grand Tour in Italien, baute er ein Netzwerk von Sammlern und Experten auf, die ihm halfen, seine Kunstsammlungen zu bereichern. Da der Kunstmarkt ein schwieriges Feld war mit heftig schwankenden Preisen, Moden und Fälschungen, ließ er sich fast zeitlebens von namhaften Experten beraten. Dabei sammelte er eher traditionell und kaufte etwa in Rom anerkannte Renaissancekunst und immer wieder Veduten. Auf dem Höhepunkt seiner Sammlerkarriere reiste er 1803 nach Paris und London, den kulturell und wirtschaftlich führenden Residenzen seiner Zeit. Hier wurden Familienportraits in Auftrag gegeben beim angesagtesten Modemaler, François-Pascal-Simon Gérard, dem teuersten von Paris. Überhaupt boten sich hier zahlreiche Möglichkeiten, die neuesten und luxuriösesten Kunstströmungen Europas kennenzulernen. Esterházy wurde sowohl von Napoleon als auch von George IV. in London empfangen. In der französischen Metropole suchte er architektonische Anregungen und engagierte einen jungen Architekten, Charles Moreau, um sein Schloss Eisenstadt gemäß der Spitze der allgemeinen Geschmackstendenzen neu zu gestalten. In London konzentrierte sich seine „Shopping-Tour“ vor allem auf technische Innovationen.

Zurückgekehrt nach Eisenstadt verfolgte er das Projekt, sein Schloss gemäß eines ganzheitlichen Konzepts von Gartenkunst, in Verbindung mit Architektur, Botanik, Landespflege und -wirtschaft zu gestalten. Die Dimensionen ähnelten Residenzplanungen und er leistete sich hier unweit von Wien das Kulturleben eines Kleinstaates mit eigenem Hofstaat, Kapelle und Theater. Der Fürst heuerte Personal vom berühmten Museenhof Weimar an, den er zu kopieren versuchte. Seine Verwandten kreierten in Südmähren und Niederösterreich ähnliche Anlagen im Sinne einer aufgeklärt-nützlichen-schönen Kulturlandschaft, die Esterházy aufsuchte und mit denen er konkurrierte. In dieser Phase seines Lebens suchte er die Nähe des Kaisers und folgte den Handlungsmustern der Hofgesellschaft, die Prestige und Rang an den Herrscher knüpften. 1804 erreichte der Fürst die Standeserhöhung, so dass seine Familie nach 1815 zu den mediatisierten Häusern gehörte, die den regierenden Familien ebenbürtig waren.

Ihn als manischen Sammler zu bezeichnen, trifft durchaus zu. Er konzentrierte sich keineswegs auf den Ausbau seiner Galerie, sondern kaufte ohne Unterlass Bücher, Porzellan, Mineralien, exotische Pflanzen, Obstbäume oder Noten. Doch seine Bildersammlung stand im Mittelpunkt seines Engagements. Hier erfährt man aber leider nur partiell, was gesammelt wurde. Von der Sammlung seines Großvaters übernimmt er nur sechs von 340 Gemälden (welche?). Als sein Kustos, der ehemals unter Dominique Vivant Denon im Louvre tätige Joseph Fischer, die Galerie im Haus Laxenburg in Wien 1811 einrichtete, wählte er hierfür 528 aus circa 1000 der fürstlichen Sammlung aus. Über deren Anschaffung wird man aber leider nur vereinzelt unterrichtet. Es wäre doch spannend gewesen, mehr über die Sammelgebiete und die Preise zu erfahren. Körner zeigt aber nachdrücklich, dass immer wieder ganze Sammlungen von anderen (adligen) Mäzenen den Besitzer wechselten. Dabei handelte es sich auch um ganz handfeste Investments. Bemerkenswert ist jedoch, dass Esterházy seine Sammlung, wohl auch nach Pariser Vorbild, wie sein Schwager Fürst Johann I. Liechtenstein, der Öffentlichkeit zugänglich machte. Dessen Wiener Privatgalerie umfasste sogar 1600 Gemälde.

Politisch verhielt sich der Fürst indifferent und bei politischen Machtwechseln schloss er sich stets dem Gewinner an. So begab er sich dann auch 1810 zur Hochzeit Napoleons mit der „geopferten“ Marie Louise nach Paris. Hier traf er wieder mit dem europäischen Hochadel zusammen und pflegte seine (Sammler-) Netzwerke. In den letzen Lebensjahren setzte er sich der gesellschaftlichen Verachtung aus, weil er ostentativ zu seiner bürgerlichen Geliebten hielt. Er zog sich, wann immer möglich, nach Italien und schließlich auf die von ihm erworbene Insel Mainau zurück. Schließlich stattete Esterházy seine Geliebte und deren Kinder mit Vermögen und Titeln aus und überwarf sich trotzig mit seiner ersten Familie. Zwischen 1794–1824 hatte der Fürst eine der bedeutendsten, repräsentativen Sammlungen der europäischen Kunstgeschichte geschaffen, die noch heute in der ungarischen Nationalgalerie in Budapest bewundert werden kann.

Körners Grundthese ist völlig überzeugend. Immer ging es Esterházy bei seinem leidenschaftlichen Sammeln, seinem Konsum und seiner opulenten Kunstförderung um die Hervorhebung seiner Person und um seine Geltungsmacht. Er kaufte die angesagteste Ware, so etwa vergleichsweise früh zeitgenössische Plastiken von Antonio Canova und Berthel Thorvaldsen, wobei er sich fast immer durch Expertenrat absicherte. Er agierte auf einer europäischen Bühne und verfügte über ein dichtes Sammlernetzwerk. Schade ist jedoch, dass der Autor die aktuelle Adelsforschung nur partiell zur Kenntnis nimmt. Zu Beginn seines wirklich interessanten Buches bezeichnet er die sozialhistorische Adelsgeschichte als terra incognita, dabei bezieht er sich auf einen Band von Hans-Ulrich Wehler aus dem Jahr 1990 (S. 14). Das traf damals gewiss zu, doch seitdem ist viel geschehen, obwohl immer noch munter behauptet wird, das 19. Jahrhundert sei ein rein bürgerliches gewesen und der Adel befände sich auf dem absteigenden Ast. Zwar wurde ein Band von zwei führenden Adelsforschern (Eckart Conze und Monika Wienfort) von Körner rezipiert, viele andere Standardwerke fehlen jedoch. Hätte Körner sich die Publikationen der Forschergruppe von Heinz Reif, der Dresdner Gruppe um Josef Matzerath und Silke Marburg, die Arbeiten von Ewald Frie, der nachdrücklich aufzeigt, was passiert, wenn der Adel eben nicht mehr repräsentieren kann, oder den Band einer deutsch-italienischen Tagung zur adligen Hochkultur angesehen 2, dann hätte er seine Thesen auf das Glänzendste bestätigt gesehen. Auch andernorts in Europa entfaltete der Adel, als Meister der Sichtbarkeit (Heinz Reif), ein ostentatives, allgegenwärtiges Mäzenatentum. Davon abgesehen hat Stefan Körner ein wichtiges, gut geschriebenes, geradezu opulent bebildertes und sorgfältig redigiertes Buch vorgelegt, das einen wichtigen Baustein zur europäischen Adelsforschung liefert.

Anmerkungen:
1 Gabriele B. Clemens, Der rheinische Kunstmarkt, Mäzene und Sammler im langen 19. Jahrhundert, in: Rheinische Vierteljahrsblätter 76 (2012), S. 205–225.
2 Gabriele B. Clemens / Malte König / Marco Meriggi (Hrsg.), Hochkultur als Herrschaftselement. Italienischer und deutscher Adel im 19. Jahrhundert, Tübingen 2011.

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