L. Foxhall: Studying Gender in Classical Antiquity

Cover
Titel
Studying Gender in Classical Antiquity.


Autor(en)
Foxhall, Lin
Reihe
Key Themes in Ancient History
Erschienen
Anzahl Seiten
XI, 188 S.
Preis
£18.99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Bernadette Descharmes, Historisches Seminar, Technische Universität Braunschweig

Mit der Reihe „Key Themes in Ancient History“ richten sich die Herausgeber an Studierende, die einen ersten knappen Überblick zu zentralen Themen der altertumswissenschaftlichen Disziplinen gewinnen wollen. Außerdem will die Reihe Lehrenden ein Hilfsmittel zur Vermittlung des Themas bereitstellen. Es sei aber gleich vorweg gesagt, dass dieser Band zum Thema Geschlecht von Lin Foxhall die formulierten Ziele nur bedingt zu erfüllen vermag.

In der Einleitung weist Foxhall auf die methodischen und theoretischen Schwierigkeiten hin, die sich dadurch ergeben, dass Geschlecht zum einen als biologisch, zum anderen als sozial determiniert gilt. Zwar herrsche in der Antike ein essentialistisches Verständnis von Geschlecht vor, doch seien Körper letztlich nicht nur biologische, sondern auch soziale Einheiten. Als solche wurden sie auch in der Altertumsforschung bisher behandelt.

In einem Forschungsüberblick zeigt Foxhall, dass man jedoch nie wirklich objektiv an das Thema Gender heranging. Ausgehend von den 1930er-Jahren hätten stets die eigenen moralischen und ideologischen Vorstellungen der Gelehrten die Interpretationen der antiken Quellen bestimmt. Im Folgenden zeichnet sie den Paradigmenwechsel nach, in dem sich die Wissenschaft von der Frauenforschung zu einer Ausrichtung auf die Kategorien Geschlecht und Sexualität hinwendete und Kategorien wie Alter und Status miteinbezog. Auffallend ist bereits hier, dass sich Foxhall hauptsächlich auf die anglo-amerikanische Literatur bezieht und kaum französische, geschweige denn deutsche Studien berücksichtigt. Nach einem kurzen Einblick in die Möglichkeiten der Arbeit mit literarischen Quellen und archäologischen Hinterlassenschaften, weist Foxhall auf den selektiven Charakter ihrer Quellen hin. Sie betont zudem den Anspruch, die Unterschiede zwischen der griechischen und römischen Kultur herausstellen zu wollen.

Im ersten Kapitel („Households“) behandelt Foxhall die Beziehungen innerhalb des griechischen oikos beziehungsweise der römischen familia, insbesondere zwischen Mann und Frau. Während sie für Griechenland Heiratspraktiken an den Beispielen aus Athen und Gortyn erörtert, legt sie für Rom den Fokus unter anderem auf die Augusteischen Ehegesetze. Hier sieht sie einen erheblichen Unterschied zwischen Rom und Griechenland, denn in Rom existierten neben der Ehe noch viele andere wichtige Beziehungen, neben denen sich die Bedeutung der Ehe relativierte. Auch aus diesem Grund seien Ehen in Rom viel eher emotional geprägte Verbindungen – eine Einschätzung, die nicht ganz überzeugt. Foxhall ist außerdem der Meinung, die Ehegesetze hätten einen erheblichen Eingriff in das Privatleben dargestellt. Sie weist aber nicht darauf hin, dass diese strikte Trennung privater und öffentlicher Angelegenheiten vor allem für die Mitglieder der Oberschicht vermutlich gar nicht bestand. Das Kapitel schließt mit der Behandlung des außerehelichen Sexualverkehrs, wobei sich hier zeigt, dass für Männer und Frauen nicht dieselben Regeln galten.

Das Kapitel „Demography“ greift ebenfalls die Themen Verwandtschaft und Familie auf. Dabei zeigt Foxhall zunächst, dass bei der Herstellung von Genealogien die väterlich agnatische Linie gegenüber der weiblichen eine weitaus bedeutendere Stellung einnahm. Auch am Beispiel römischer Haushalte in Ägypten verdeutlicht sie, dass meist die Verwandtschaft väterlicherseits den Lebensmittelpunkt der Individuen bildete. Doch die seitenlangen Erörterungen verschiedener sozialer Organisationsformen wie Phratrien oder gentes lassen oftmals die Frage nach der Relevanz dieser Ausführungen für eine Geschlechtergeschichte aufkommen. Klarer wird der Gender-Bezug formuliert, wenn es um Geburt, Kindheit und Sozialisation geht. Aber hier wie auch bei der sich anschließenden Erörterung der Bestattungspraktiken führt Foxhall zunächst viel allgemein Sozialgeschichtliches an, bevor sie geschlechterrelevante Fragen diskutiert.

Das dritte Kapitel widmet sich dem Zusammenhang von Geschlecht und Körper. Dominierend sei in der Antike der Gedanke einer polaren Opposition der Geschlechter, die in konkreten Körpervorstellungen aufgehe. Geschlechtliche Ambiguität hingegen sei problematisch, obwohl das Beispiel des Favorinus, eines Sophisten aus dem 2. Jahrhundert n.Chr., zeige, dass andere Kriterien wie Status, Reichtum und Bildung für die gesellschaftliche Anerkennung als Mann genauso entscheidend waren. Auch in den medizinischen Texten erscheine alles Uneindeutige als pathologisch. Insbesondere zeigt Foxhall, wie die Texte die Beiträge der Geschlechter bei der Zeugung des Nachwuchses und die Beschaffenheit männlicher und weiblicher Körper verhandelten. Vor allem aber spiele für den Mann die Kontrolle des Körpers eine entscheidende Rolle bei der Bestätigung seiner Qualitäten als Mann. Dies illustriert Foxhall an der Gegenüberstellung des Timarchos und des Epikrates. Auch die kontrollierte Ausübung körperlicher Gewalt habe in das Repertoire männlicher Verhaltensweisen gehört, weshalb Krieg und Militär ausschließlich als Feld für die Zurschaustellung von Männlichkeit zu gelten habe. Der geschlechtliche Körper sei also vor allem durch passende Körperpraktiken und Verhaltensweisen konstruiert worden.

Das Kapitel „Wealth“ befasst sich anschließend mit der Frage, inwiefern Geschlecht den Zugang zu Eigentum strukturiert. Allein die Regelungen der Mitgift und Vererbung ließen, so Foxhall, einen deutlichen Geschlechterunterschied erkennen. Außerdem seien Frauen in ihrer Geschäftsfähigkeit nicht so autonom wie Männer gewesen. Das Erwerbsleben habe sich ebenfalls stark geschlechterspezifisch gestaltet: Zum einen hätten Frauen weniger Berufe offen gestanden, zum anderen hätten sich typische Frauenberufe durch einen servilen Charakter ausgezeichnet. Der Prostitution widmet Foxhall dann besondere Aufmerksamkeit, wobei sie sich in einem Nachweis von Bordellen anhand archäologischer Quellen ergeht. Erneut lenkt hier Foxhalls allgemeines sozialgeschichtliches Interesse vom eigentlichen Thema ab. Ein Blick auf die materielle Kultur zeigt dann aber wieder, wie geschlechtsbezogen sich die Nachfrage und der Umgang mit Verbrauchsgütern gestaltete. Insbesondere der Umgang mit Textilien ließe erkennen, dass nicht allein das Geschlecht, sondern wieder einmal soziale Kriterien wie Alter und Status darüber entschieden, ob Kleidung angemessen erschien.

Ohnehin sind Alter und Status die beiden Kategorien, gegenüber denen Foxhall immer wieder die Bedeutung des Geschlechts relativiert. So ist wenig überraschend, dass für sie auch bei der Strukturierung des häuslichen Raumes nicht allein die Frage nach Geschlecht entscheidend ist. Griechische Häuser seien flexibel genutzt worden, und auch in Rom habe man die vielseitige Nutzung einzelner Bereiche zeitlich aufeinander abgestimmt. Zeit sei also ein zentraler Faktor gewesen, wenn es um die Besetzung von Raum gegangen sei. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Foxhall bei ihrer Erörterung der römischen Badehäuser, wo auch wieder Zeit, Prestige und Status viel eher den Raum zu ordnen schienen als Geschlecht.

Dieser Tenor wiederholt sich im Kapitel zur Religion, denn kultische Autorität sei vor allem vom sozialen Status abhängig gewesen. Nichtsdestoweniger gelingt es Foxhall, wichtige Fragen bezüglich geschlechtsspezifischer Rollen und Aufgaben bei Opfer- und Kultpraktiken einzubinden. Foxhall entlarvt unter anderem, dass das Thesmophorienfest nur deshalb als mysteriöser Geheimkult galt, weil die männlichen Autoren von ihm ausgeschlossen waren. Bei den vermeintlich typisch weiblichen Kulten wie dem der Bona Dea oder den Bacchanalien finden sich zudem zahlreiche Belege für eine männliche Anhängerschaft. Außerdem hätten sich Männer gleichermaßen des magischen Liebeszaubers bedient, wenn auch auf aggressivere Weise als Frauen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Lektüre dieser Einführung über weite Strecken enttäuscht. Die von Foxhall gewählten Fallbeispiele wirken manchmal zwar beliebig und wenig repräsentativ, aber mitunter liegt gerade hierin eine Stärke: Statt nur auf die einschlägigen Texte wie etwa Xenophons Oikonomikos zu verweisen, integriert sie vielseitiges, bisher wenig berücksichtigtes Quellenmaterial. Insgesamt aber gewinnt man den Eindruck, dass der Genderaspekt gegenüber Kriterien wie Alter und Status relativiert werden soll und die Autorin viel allgemeiner in sozialgeschichtliche Themen einführen möchte, statt geschlechtergeschichtliche Kontroversen und Interpretationsspielräume im Detail zu behandeln. Die Auswahl der Themen ist sicher gut gelungen, da sie dann doch auf knappen Raum ein breites Spektrum abdecken. Positiv zu vermerken sind auch die zahlreichen Abbildungen, die den Text ergänzen, sowie die bibliographischen Essays und das umfangreiche Literaturverzeichnis. Hier wird aber nichtsdestoweniger überdeutlich, dass Foxhall mit wenigen Ausnahmen nur auf englischsprachige Forschungsliteratur zu verweisen vermag. Auch aus diesem Grund erscheint als Einstieg in das Studium antiker Geschlechtergeschichte eine intensive Lektüre des ebenso aktuellen EGRA-Bandes zu dieser Thematik von Tanja Scheer sicher lohnenswerter.1

Anmerkung:
1 Tanja Scheer, Griechische Geschlechtergeschichte (= Enzyklopädie der griechisch-römischen Antike 11), München 2011.

Redaktion
Veröffentlicht am
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension