Y. Mieczkowski: Eisenhower's Sputnik Moment

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Titel
Eisenhower's Sputnik Moment. The Race for Space and World Prestige


Autor(en)
Mieczkowski, Yanek
Erschienen
Anzahl Seiten
368 S.
Preis
€ 33,49
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tilmann Siebeneichner, Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin

Yanek Mieczkowskis Studie über ein Ereignis, das weithin als Beginn des Weltraumzeitalters gilt – der erste Start eines sowjetischen Satelliten am 4. Oktober 1957 –, will Verschiedenes. Neben dem Wettrennen im Weltraum, das sich in seiner Folge entwickelte und der Bedeutung von politischem Prestige im Kalten Krieg geht es ihm vor allem um das Krisen-Management des damaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower. Und nicht immer scheint Mieczkowskis Erkenntnisinteresse ausschließlich historisch begründet zu sein, wie zumindest die letzten Sätze seiner Studie nahelegen: „Eisenhower’s finest legacy, though, transcended the space race and the Cold War. It is his blueprint for a strong economy and world prestige – one that still gives guidance today.“ (S. 296)

Auch, wenn Mieczkoswki, wie er in seiner Einführung erklärt, an drei Themenkomplexen interessiert ist – Eisenhowers Führungsstil, der ‚Eroberung‘ des Weltraums im Rahmen der internationale Blockkonfrontation des Kalten Krieges und der Etablierung einer US-amerikanischen Weltraum-Infrastruktur –, ist seine Studie überwiegend eine Huldigung von Eisenhowers Krisen-Management und dessen Präsidentschaft insgesamt. Zentrale Eckpfeiler dieser Präsidentschaft, so arbeitet Mieczkowski heraus, waren Eisenhowers Interesse an einem ausgeglichenen Haushalt und an einer umsichtigen Sicherheitspolitik. Unaufgeregt und weitsichtig, so seine These, habe er sich auch in Momenten größter Verunsicherung nicht von diesen abbringen lassen – mit erheblichen, sein politisches Andenken bis in die Gegenwart hinein bestimmenden Konsequenzen.

Als einen solchen Moment größter Verunsicherung versteht Mieczkowski den Start des ersten sowjetischen Satelliten, räumt aber im ersten seiner in drei Abschnitte unterteilten Studie zugleich mit dem bis heute virulenten Mythos vom „Sputnik-Schock“ auf. Vielmehr zeigt er, dass die Reaktionen der meisten US-Bürger – und insbesondere die Eisenhowers – alles andere als panisch waren. Vielmehr wurde diese von einzelnen pressure groups in Politik und Presse, die nach einer entschlossenen Antwort verlangten, in diesem Sinne instrumentalisiert. Mieczkowskis Fazit des ersten Teils gibt den Ton seiner Studie vor und rückt Eisenhower in das Licht eines verkannten, beinah tragischen Helden: Dem US-Präsidenten sei nicht zuletzt aufgrund geheimdienstlicher Quellen – der Verfasser verweist in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Spionage-Flugzeug U-2 – jederzeit klar gewesen, dass Sputnik keineswegs Ausdruck einer wissenschaftlichen oder militärischen Überlegenheit der Sowjetunion war, sondern vor allem ein kostspieliger und ansonsten wenig effektiver PR-Stunt. Da er aber aus Gründen der nationalen Sicherheit seine Quellen nicht offenlegen konnte, habe er sich gezwungen gesehen, mit seinen eigenen Prinzipien zu brechen.

„Radical moves“ (S. 145ff.), Eisenhowers Reaktionen auf die sowjetische Herausforderung, stehen folglich im Mittelpunkt des zweiten Teils von Mieczkowskis Studie. Entgegen seiner Überzeugung, dass sich die nationale Regierung aus Bildungsfragen grundsätzlich herauszuhalten habe, verabschiedete Eisenhower etwa den sogenannten National Defense Education Act (NDEA), der eine erhebliche Aufstockung der Ausgaben im Bildungsbereich vorsah, um auf diese Weise dem (scheinbaren) Vorsprung der Sowjetunion entgegenzuwirken. Eisenhower revitalisierte das von Henry Truman ins Leben gerufene Presidential Science Advisory Committee (PSAC), das in der Folge ein erstes grundlegendes Raumfahrtprogramm für die US-Regierung erarbeitete und großen Anteil an der Gründung der National Aeronautics and Space Administration (NASA) im Juli 1958 hatte.

Teil zwei seiner Studie benutzt Mieczkowski zugleich dazu, drei von Eisenhowers politischen Rivalen einzuführen, deren Namen heutzutage weit mehr mit dem Weltraumprogramm der USA in Verbindung gebracht werden als sein eigener: Richard Nixon, damals noch Eisenhowers Vizepräsident, sowie die Senatoren Lyndon B. Johnson und John F. Kennedy. Auf der Suche nach „winning issues“ (S. 138) hätten insbesondere die beiden letztgenannten die symbolische Bedeutung des Weltraums als einem populären Sehnsuchtsort des 20. Jahrhunderts erkannt und dazu benutzt, sich selbst als potentielle Präsidenten zu profilieren. Prestige ist in diesem Zusammenhang Mieczkowskis zentrales Stichwort: Unwillig, sich auf einen symbolischen Wettlauf mit der Sowjetunion einzulassen, dessen wirtschaftlicher und politischer Gewinn unabsehbar war, habe Eisenhower stets Wert auf die Stärkung der Ökonomie und nationalen Sicherheit gelegt. Sich einem spektakulären Projekt zu verschreiben, das in erster Linie dem Zweck diente, die weltweite Aufmerksamkeit auf Amerika zu lenken – Mieczkowski bezieht sich hier insbesondere auf Kennedys Ankündigung vom Mai 1960, innerhalb einer Dekade Menschen zum Mond (und sicher wieder zurück) zu bringen – lehnte er jedoch entschieden ab.

In Mieczkowskis Augen ist dies umso tragischer, als dass Eisenhowers ausgewogene und spektakuläre Stunts scheuende Politik nicht nur die Grundlage für die Erfolge seiner Nachfolger lieferte, sondern jeden Vergleich mit den Weltraum-Erfolgen der Sowjetunion bereits während seiner Amtszeit zugunsten der USA entschied. Als Eisenhower im Januar 1961 sein Amt niederlegte, konnte er auf 31 erfolgreiche Satelliten-Starts verweisen, 22 mehr als der Sowjetunion bis dahin zu starten gelungen war. Wie der Verfasser im dritten Teil seiner Studie ausführt, schuf die unter Eisenhower forcierte Entwicklung der Saturn-Rakete nicht nur die Grundlage für das bemannte Raumfahrtprogramm der USA. Das von ihm angestoßene Corona-Spionage-Satelliten-Programm – laut Mieczkowski „one of Eisenhower’s greatest legacies“ (S. 215) – bildete bis in die frühen 1970er-Jahre hinein das Nonplusultra nationaler Fernaufklärung und -erkundung.

Dass Eisenhower nichtsdestotrotz – und erst recht im Vergleich mit seinen Amtsnachfolgern – als ein führungsschwaches, „reaktionäres Fossil“ (S. 238) erscheint, erklärt Mieczkowski mit dessen bescheidener Öffentlichkeitsarbeit: „Eisenhower, the general who titled his World War II memoir Crusade in Europe, never as president generated a sense of crusade. Thus, in reflecting caution and moderation, Eisehower’s space policy succeeded well. In demonstrating bold leadership, it did not. He had secured for America the two standards of presidential leadership, peace and prosperity, but he proved less successful in instilling a sense of the third ‘p’ – progress.” (S. 292)

Mieczkowskis Arbeit ist in erster Linie eine politikhistorische Studie mit stark biographischem Blick. Zwar stehen eindeutig die Jahre 1957–60 im Mittelpunkt des Interesses, Bezug genommen wird aber immer wieder auch auf Eisenhowers frühere Jahre und Prägungen. Bedauerlicherweise verfällt die Argumentation darüber bisweilen ins Anekdotische. Bemerkenswert ist der vergleichsweise geringe Umfang an Sekundärliteratur, die für diese Studie herangezogen wurde. Eisenhowers Handeln, vor allem aber seine Motivation wird zudem vornehmlich durch den Blick von ehemaligen Angehörigen seiner Administration rekonstruiert. So entsteht ein mitunter unkritisches Bild, das zudem nicht frei von Widersprüchen bleibt. Handelte es sich bei Eisenhower nun um einen Politiker, der die Bedeutung von PR und Prestige unterschätzte, obwohl er doch der erste Präsident der USA war, der das Fernsehen für seine Politik entdeckte und für seine Präsentationen sogar mit einem Emmy geehrt wurde (wie Mieczkowski herausarbeitet)? War Eisenhower jemand, der im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen die Bedeutung des Weltraums verkannte, wenn ihm doch der Verdienst zugeschrieben werden muss, die Grundlagen für das US-amerikanische Weltraumprogramm geschaffen zu haben?

Auch wenn Mieczkowskis unverhüllte Sympathie für Eisenhower einerseits und sein über rein historiographische Fragen hinausgehendes Erkenntnisinteresse andererseits bisweilen irritieren, hat der Autor eine Studie vorgelegt, die nicht nur Historiker/innen des Kalten Krieges und Eisenhower-Biographen interessieren dürfte, sondern auch für gesellschaftliche Technikwahrnehmungen und Fortschrittsdiskurse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufschlussreich ist und deshalb sicherlich eine breite Leserschaft finden wird und verdient hat.

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