Chr. Schmetterer: Die rechtliche Stellung römischer Soldaten

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Titel
Die rechtliche Stellung römischer Soldaten im Prinzipat.


Autor(en)
Schmetterer, Christoph
Reihe
Philippika 54
Erschienen
Wiesbaden 2012: Harrassowitz Verlag
Anzahl Seiten
XI, 130 S.
Preis
€ 38,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Günther, Deutsche Schule Tokyo Yokohama

Nach einem bei Cassius Dio (42,49,4) überlieferten Diktum Oktavians macht die Souveränität einer Herrschaft die Macht und Kontrolle über zwei Dinge aus: Heer und Finanzen. Insofern nimmt es nicht wunder, wenn beiden Eckpfeilern der kaiserlichen Herrschaft seitens der jeweiligen principes eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wurde. Die herausgehobene Stellung des jeweiligen Augustus als oberster Heerführer nach den entscheidenden Weichenstellungen im Januar 27 v.Chr. sowie die im Zuge der Wandlung der Heersystems im 1. Jahrhundert v.Chr. von der Miliz- zur Berufsarmee entstandene gegenseitige Abhängigkeit zwischen dem Feldherrn bzw. Kaiser und dem Heer bedingten dabei auch eine spezielle rechtliche Behandlung des Soldaten. Wiewohl zahlreiche Einzelstudien zu den verschiedenen Rechtsbereichen (so zu Straf-, Ehe- und Vermögensrecht) existieren, fehlte es bislang an einer systematisierenden Zusammenschau. Diese hat sich Christoph Schmetterer mit seiner bereits 2005 in Wien eingereichten Dissertation auf die Fahnen geschrieben.

In seiner kurzen Einleitung (S. 1f.) betont Schmetterer die Bedeutung der Armee im Gefüge der römischen Kaiserzeit und zeigt auf, inwieweit ein systematisches In-den-Blick-Nehmen der juristischen Dimension des Soldatseins erst in der Severerzeit einsetzte. Wenn er hier keinen eigenen Ansatz zu einer Fragestellung sowie einen Quellen- und Forschungsüberblick liefert, deutet dies bereits auf das große Manko der Arbeit hin: Sie bietet zumeist mehr eine deskriptive Zusammenstellung des Quellen- und Forschungsstandes denn eine wirkliche Analyse der rechtlichen Stellung der Soldaten im Prinzipat. Zunächst wendet sich Schmetterer in einer historischen Kurzschau der Entwicklung und Organisation der römischen Armee von der späten römischen Republik bis in die Kaiserzeit zu (S. 3–10). Die aufgrund der Kürze naturgemäß sehr pauschale Faktenzusammenstellung bietet dennoch einen guten Einblick in die Struktur des römischen Heerwesens, und mehr – etwa die Diskussion der sogenannten Marianischen Heeresreform1 – soll dieses Kapitel auch gar nicht leisten.

Für den Bereich „Wehrpflicht und Heereseintritt“ (S. 11–24) arbeitet Schmetterer die Einberufungs- und Ausschlussgründe (zum Beispiel bestimmte Priesterwürden, spezielle Verwaltungsbeamte in den Munizipien, Alter, körperliche Untauglichkeit) heraus, ohne jedoch die einzelnen Zeugnisse näher zu diskutieren. Vielmehr stützt er sich auf die vorhandene, jedoch nicht immer vollständig recherchierte Sekundärliteratur, wodurch manche Fehleinschätzung anfällt. So dürfte beispielsweise bezüglich des Status der Armeeangehörigen der Grabstein des „Septimus Niger“ (sic!, korrekt wäre Q. Septimius Niger) aus Carnuntum (AE 1937, 174) mit der Abbildung eines pilleus nicht als Beispiel für eine Freilassung eines Mannes dienen, die ihm den Eintritt in die Armee ermöglichen sollte (so Schmetterer, S. 23). Schumacher hat überzeugend nachgewiesen, dass die Abkürzung L P unterhalb des pilleus nicht mit L(ibertatis) P(illeus), sondern vielmehr mit L(ibertas) P(ublica) aufzulösen ist.2 Die daraus resultierende politische Aussage- und Propagandakraft des Grabsteins für einen in den Wirren des Vier-Kaiser-Jahres 69 n.Chr. auf der richtigen Seite agierenden Soldaten bildet eine bessere Kontextualisierung dieses Zeugnisses als die Annahme von Sklavenaushebungen im Jüdischen Krieg Vespasians. Im Bereich des „Militärstrafrechts“ (S. 25–29) differenziert Schmetterer die Militärstrafen und -delikte aus; die literarische Überlieferung, etwa das Beispiel des T. Manlius Torquatus, der seinen eigenen Sohn wegen Befehlsmissachtung habe hinrichten lassen (Liv. 8,7), behandelt Schmetterer nicht nach der neueren Forschung zu den Exempla, sondern sieht darin einen „wahren Kern“ (S. 25). Insofern gelangt er auch hier über eine bloße Zusammenstellung der spezifisch soldatischen Vergehen und der darauf stehenden Strafen nicht hinaus.

Deutlich analytischer geht Schmetterer die vermögensrechtlichen Fragen an, die sich für den militärischen Bereich stellten. Aufbauend auf einem diachronen Überblick zur Besoldung und zu den wirtschaftlichen Beschränkungen für Soldaten (S. 34–40) widmet er sich intensiv dem peculiumcastrense als privilegierter Sonderform eines normalen peculium für eigentlich der patria potestas unterworfene Haussöhne (S. 41–52). Er kann hier erweisen, wie das zunächst von Augustus eingeführte enge Rechtsinstitut nach und nach im Zuge der Dogmatisierung des römischen Rechts in die verschiedenen Bereiche wie Erb- und Schuldrecht erweitert und in die Systematik der römischen Juristen eingebaut wurde.

Nach einem kurzen Einblick in das sicherlich mit anderen theoretischen Ansätzen, etwa religionswissenschaftlichen Fragestellungen, mehr zu erschließende und damit über den Bereich der potentiellen politisch-konspirativen Bedrohung für die kaiserliche Macht hinausgehende Kollegienwesen im Militär (S. 53–55) widmet sich Schmetterer konzise dem Eherecht (S. 56–75) und – daraus folgend – dem Erbrecht (S. 76–82). Für das Eherecht erweist er durch die Analyse der relevanten Quellenzeugnisse nachvollziehbar, dass bis in severische Zeit zwar kein Ehe-, jedoch ein Heiratsverbot für Soldaten während der Dienstzeit existierte. Zudem zeigt er die weitgehenden Testierfreiheiten römischer Soldaten und die daraus erwachsenden Folgen auf. Mit dem ius postliminii für Kriegsgefangene berührt er anschließend wiederum einen Bereich, der den römischen Juristen Kopfzerbrechen ob der Auswirkungen auf die Rechtssystematik bereitete (S. 83–87), insofern in gewissen Bereichen das fiktive Weiterbestehen des vormaligen Rechtsstatus angenommen wurde, hingegen für Ehe und Besitz dies in der Regel nicht der Fall war; auch hier könnte man die Quellenbasis über die juristische Literatur hinaus noch beträchtlich erweitern.3

Der nächste Abschnitt widmet sich der in den letzten Jahren insbesondere aufgrund der systematischen Auswertung der Militärdiplome boomenden Erforschung der Veteranen (S. 88–111); Schmetterer untersucht zuerst die mit der Entlassung verbundene Abfindung mit Geld bzw. Land. Dabei geht er auch kurz auf die Finanzierung mithilfe des aerarium militare ein.4 Sein Hauptaugenmerk liegt in diesem Kapitel aber auf der Verleihung der civitas und des conubium sowie der Auswertung der Militärdiplome. Neuere Funde und Forschungen nicht verzeichnend5, stellt er das typische Formular eines Militärdiploms ebenso wie die wichtigsten rechtlichen Regelungen vor, gegliedert nach den unterschiedlichen Statusgruppen innerhalb der Armee. Abschließend legt er die Bereiche der Steuer- und Leiturgiebefreiung dar, die Veteranen, zum Teil differenziert nach Entlassungsstatus, zugute kamen. In einem kurzen „Resumee“ (sic!) (S. 112–114) zieht Schmetterer den Schluss, dass es sich bei der Rechtsstellung der Soldaten um ein Exponiertsein im doppelten Sinne gehandelt habe: Einerseits seien die Soldaten in vielen Rechtsbereichen gegenüber den normalen Bürgern des Römischen Reiches bevorzugt, andererseits auch aufgrund des Machtfaktors deutlich stärker eingehegt worden.

So sehr dieses Ergebnis und die dargebrachte Übersicht zu den verschiedenen Rechtsbereichen zufriedenstellen mag, so differenziert muss man abschließend die Qualität der Studie beurteilen: Abgesehen von störenden orthographischen Ungereimtheiten im Deutschen wie in den Quellensprachen hätte die Arbeit durch eine quellenkritischere, auch andere Quellengattungen neben der juristischen Literatur intensiver ausleuchtende Analyse gerade in den nur deskriptiv dargebrachten Teilen noch mehr an Erkenntnisgewinn liefern können. Dass dieser Mangel vor allem auf eine fehlende Fragestellung zurückgeführt werden muss, ist angesichts der für das Gefüge der Römischen Kaiserzeit überaus relevanten Thematik umso schmerzlicher. Immerhin dürfte Schmetterers Zusammenstellung der verschiedenen Rechtsbereiche eine gute Basis für weitere Forschungen gelegt haben.

Anmerkungen:
1 Vgl. dazu nur Heribert Aigner, Gedanken zur sogenannten Heeresreform des Marius, in: Franz Hampl / Ingomar Weiler (Hrsg.), Kritische und vergleichende Studien zur Alten Geschichte und Universalgeschichte, Innsbruck 1974, S. 11–23.
2 Leonhard Schumacher, Sklaverei in der Antike, München 2001, S. 188f. u. 293.
3 Vgl. dazu nur Oliver Stoll, ‚Nulla erunt bella, nulla captivitas‘? Aspekte der Kriegsgefangenschaft und Gefangene als Mediatoren römischer Technologie im Sasanidenreich, in: Sven Günther / Kai Ruffing / Oliver Stoll, Pragmata. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte der Antike im Gedenken an Harald Winkel, Wiesbaden 2007, S. 117–149.
4 Dazu jetzt auch Sven Günther, Vectigalia nervos esse rei publicae. Die indirekten Steuern in der Römischen Kaiserzeit von Augustus bis Diokletian, Wiesbaden 2008, bes. S. 57–59.
5 Vgl. beispielsweise die fortlaufende Publikation in der Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik; siehe auch die online gestellten Diplome unter <http://www.romancoins.info/MilitaryDiploma.html> (10.02.2013). Zur neueren Forschung vgl. nur den wichtigen Kolloquiumsband von Michael A. Speidel / Hans Lieb (Hrsg.), Militärdiplome. Die Forschungsbeiträge der Berner Gespräche von 2004, Stuttgart 2007, den der Autor jedoch nicht berücksichtigt.

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