E. Gatz (Hg.): Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001

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Titel
Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001. Ein biographisches Lexikon


Herausgeber
Gatz, Erwin
Erschienen
Anzahl Seiten
592 S.
Preis
€ 84,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Stefan Voges, Historisches Seminar, Universität Leipzig

Das biografische Lexikon der Bischöfe der deutschsprachigen Länder gibt viele Antworten. Eine bleibt es schuldig: Warum endet der zeitgeschichtliche Band im Jahr 2001? Einen bedeutenden Einschnitt in der deutschen Geschichte wie bei den früher erschienenen Bänden oder in der (deutschen) Kirche kann man nicht geltend machen. So mag als Erklärung für das Ende des erfassten Zeitraums letztlich nur eines dienen: Die Arbeiten am vorliegenden Band waren bis in die Gegenwart hinein abgeschlossen. Und angesichts der ständigen Bischofswechsel – allein im vergangenen Jahr wurden vier Bischofsstühle frei und vier neue Bischöfe ernannt – überzeugt dieses Argument für das gewählte Ende. Auch wenn das Jahr 2000 vielleicht eine andere Symbolkraft entfaltet hätte.

Mit dem fünften Band deckt das von Erwin Gatz, Rektor des Campo Santo Teutonico in Rom und Direktor des Römischen Instituts der Görres-Gesellschaft, unter Mitwirkung weiterer Wissenschaftler herausgegebene Bischofslexikon für den deutschen Sprachraum nun den Zeitraum von 1198 bis in die Gegenwart ab 1. Dieses nützliche Nachschlagewerk schließt eine Lücke in der Reihe historischer Lexika. Der vorliegende Band dürfte aufgrund des in ihm behandelten Zeitraums jedoch auch unter Nichthistorikern größere Verbreitung erlangen.

Bis ins Jahr 2001 sind in dem neuesten Band alle Bischöfe, Weihbischöfe und Generalvikare Deutschlands, Luxemburgs, der Schweiz, Österreichs und Südtirols erfasst. Ergänzend kommen die Äbte der Schweizer Gebietsabteien Einsiedeln und St-Maurice, die Militärbischöfe und deren Generalvikare, die Sekretäre der Bischofskonferenzen, die Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe/Katholischen Büros Bonn bzw. Berlin sowie die Beauftragten für den Klerus und die Vertriebenen aus den Jurisdiktionsbezirken Branitz, Breslau, Danzig, Ermland, Glatz und Schneidemühl hinzu.

Anders als bei den Vorgängerbänden sind die 544 Einträge nicht alphabetisch, sondern nach Jurisdiktionsbezirken geordnet. Diese Strukturierung verhilft zu einem schnellen Überblick über ein Bistum. Der ist leider nur gewährleistet, wenn man sich zuerst die Übersicht über die Diözesan- und Weihbischöfe sowie Generalvikare anschaut, die am Anfang jedes Bezirkes steht. Denn nur in dieser sehr nützlichen Übersicht sind alle Bischöfe des Bistums vollständig aufgelistet. Erfolgte ein Wechsel in eine andere Diözese, so ist der entsprechende Eintrag dort zu suchen. Dieser Querverweis ist in der Übersicht angegeben, nicht jedoch in der chronologischen Abfolge der Lebensbilder und Biogramme. Die Benutzerfreundlichkeit dieses auch als Handbuch nutzbaren Bandes wird dadurch ein wenig geschmälert. Die weggefallene durchgehend alphabetische Sortierung wird dagegen durch ein Register der behandelten Personen wettgemacht.

Den abgetretenen/verstorbenen Diözesanbischöfen ist jeweils ein Lebensbild gewidmet, während die amtierenden Bischöfe und alle anderen Personen in knappen Biogrammen dargestellt sind. Im Gegensatz zu dem konzentrierten Spot der Biogramme kann das umfangreichere Lebensbild die Personen auch im Profil beleuchten. Dabei lag es in der Freiheit der Autoren, wie gründlich und ausführlich sie das Leben der zu beschreibenden Personen ausleuchten. Nicht nur der Länge, auch dem Stil der Beiträge ist diese Freiheit anzumerken.

Herausgeber Erwin Gatz verweist im Vorwort auf das Bemühen, bei möglichst einheitlicher Gestaltung nicht „den persönlichen Stil zu nivellieren“ (S. 5). Das mag für ein Lexikon stellenweise ungewohnt sein, der Charakterisierung der Personen ist es zumeist nicht abträglich. Denn in den Lebensbildern geht es nicht allein um die Auflistung der biografischen Daten und die Beschreibung des persönlichen Lebensweges. Als „Spitzenpolitiker“ der Institution Kirche werden die Bischöfe auch eingeordnet in zeitgenössische Problemfelder und kontroverse Auseinandersetzungen. Aufgrund der zeitlichen Nähe können diese Einschätzungen der Autoren natürlich vielfach an eigenen Erfahrungen und Meinungen von Leserinnen und Lesern gemessen werden. Einer möglichen Kritik kommen viele der 66 Autoren durch ein nach wie vor subjektives, aber ausgewogenes Urteil zuvor.

Beispielhaft dafür ist die Charakterisierung des umstrittenen ehemaligen Bischofs von Fulda, Erzbischof Johannes Dyba (1929-2000). In seinem Urteil über den streitbaren Oberhirten verbindet Erwin Gatz persönlichen Stil mit gescheiter Beobachtung zu einem klaren Schluss: „Seine Fähigkeit zu griffiger Formulierung und seine Unbekümmertheit verschafften ihm ein großes Echo und begeisterte Zustimmung, seine Schnoddrigkeit und oft kantige Schärfe aber auch zahlreiche Gegner. In der Deutschen Bischofskonferenz gehörte er dem konservativen Flügel an.“ (S. 232) Solche dezidierten Bewertungen gelingen freilich nicht jedem Autor und sind auch nicht bei jedem Bischof angebracht.

Nicht immer angemessen scheinen die Längen der Lebensbilder, die teilweise erheblich differieren. So wird ein herausragender Vertreter des deutschen Episkopats wie Julius Kardinal Döpfner in knapp siebzehn Spalten vorgestellt, während dem sicherlich nicht weniger bedeutsamen Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Frings gerade einmal sechs Spalten zukommen. Wäre an mancher Stelle eine stärkere redaktionelle Bearbeitung wünschenswert, so verdeutlichen diese Unterschiede insgesamt, dass es sich nicht nur um ein klassisches Lexikon handelt.

Die üblichen biografisch-lexikalischen Informationen kommen wegen gewisser Ungleichgewichte in der Regel nicht zu kurz. Bedauerlich sind einige Aussparungen, so etwa die Ernennung von Walter Kardinal Kasper zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, die mit Datum vom 3. März 2001 noch in den erfassten Zeitraum fällt. Auf den ersten Blick verwirrend ist die stellenweise unterschiedlich formulierte Zuordnung von Weihbischöfen („der Diözese“ oder „in einer Diözese“). Nicht ganz problemlos ist auch die Praxis, die Zählung der Amtsjahre mit dem Jahr der Wahlbestätigung bzw. Ernennung zu beginnen. Die Bischofsweihe bzw. die Einführung nach einer Translation wäre wohl das genauere Datum.

Manche Ungereimtheiten sind offenbar dem Zeitdruck zuzuschreiben, der dadurch entstand, dass die Redaktion den Band fertig stellen wollte, bevor die nächsten Bischofsernennungen erfolgten. Diesem Umstand ist es wohl auch anzulasten, dass die Porträtfotografien der amtierenden Bischöfe von unterschiedlicher Qualität sind und nicht immer auf dem neuesten Stand zu sein scheinen. Außerordentlich hilfreich ist hingegen ein Verzeichnis auf die von den jeweiligen Personen publizierten Monografien bzw. der Verweis auf ein Schriftenverzeichnis.

Insgesamt liegt mit dem Lexikon der Bischöfe der deutschsprachigen Länder ein nützliches Nachschlagewerk und Handbuch vor, das sich durch Vollständigkeit und Sorgfalt auszeichnet. Es bietet über rein biografische Daten hinaus einen Beitrag zur allgemeinen kirchlichen Zeitgeschichte, die in den Lebensbildern prägnant thematisiert wird. Die eingangs erwähnten Wechsel auf den deutschen Bischofsstühlen setzen sich auch in diesem Jahr fort. Eine laufende Aktualisierung der Daten wäre also durchaus wünschenswert.

Anmerkungen:
1 Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198-1448, hg. von Erwin Gatz unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Berlin 2001; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1448-1648, hg. von Erwin Gatz unter Mitwirkung von Clemens Brodkorb, Berlin 1996; Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1648-1803, hg. von Erwin Gatz unter Mitwirkung von Stephan M. Janker, Berlin 1990; Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945, hg. von Erwin Gatz, Berlin 1983.

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