C. Zimmermann (Hrsg.): Stadt und Medien

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Titel
Stadt und Medien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart


Herausgeber
Zimmermann, Clemens
Reihe
Städteforschung 85
Erschienen
Köln 2012: Böhlau Verlag
Anzahl Seiten
VI, 294 S.
Preis
€ 37,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ricarda Drüeke, Kommunikationswissenschaft, Universität Salzburg

Die Auseinandersetzungen mit dem Raumbegriff haben in zahlreichen Forschungsdisziplinen in den letzten Jahren enorm zugenommen. Die Verbindung der räumlichen Ansätze der Sozial- und Kulturwissenschaften mit denen der Geografie, insbesondere der Sozialgeografie, wird als spatial turn in den Geistes- und Sozialwissenschaften bezeichnet. Raum war zunächst, insbesondere in den Naturwissenschaften, eng an eine physische Vorstellung von Materialität geknüpft. Auch in der Geografie war lange Zeit eine naturalistische Raumkonzeption vorherrschend, in der Raum als physische Entität und damit als das scheinbar Gegebene angesehen wurde. Frühe sozialwissenschaftliche Auseinandersetzungen mit dem Raum stellten in den Vordergrund, dass sich bestimmte gesellschaftliche Prozesse und Strukturen im Raum abbilden, aber auch diese Konzeption setzte die Existenz eines physischen Raumes voraus. In neueren Ansätzen – wie aus der Sozialgeografie, den Cultural Studies und den Gender Studies – rücken neben der Konzeption einer abgeschlossenen Form oder Struktur ebenso konstruierte, gedachte und erlebte Räume. Raum lässt sich dann als Produkt sozialer und kultureller Praktiken sowie als diskursiver Ort begreifen, bei dessen Konstruktion auch immer Medien eine Rolle spielen. In den Blick geraten zunehmend Veränderungen und Umdeutungen, da die Perspektive auf Raum nie abgeschlossen sein kann.

In diesen Zusammenhang ist auch der von Clemens Zimmermann herausgegebene Sammelband „Stadt und Medien. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ einzuordnen, der aus historischer, medienwissenschaftlicher und kulturwissenschaftlicher Perspektive das Verhältnis von Stadt und Medien beleuchtet. Die darin analysierten engen historischen Verflechtungen von Stadt und Medien unter Diskussion des Raumbegriffs zeigen die Kontinuität dieses Verhältnisses auf und bewerten zahlreiche Phänomene, die daraus resultieren. Der Band geht auf ein gemeinsames Kolloquium des Instituts für vergleichende Städtegeschichte der Universität Münster und des Lehrstuhls für Kultur- und Mediengeschichte der Universität des Saarlandes zurück.

Herausgeber Clemens Zimmermann konstatiert einleitend, dass Medien in „historisch wachsendem Ausmaß unerlässlich für die intra- und interlokale Kommunikation“ seien (S. 2) und diese Relationen auf verschiedenen Ebenen der Ökonomie, der Raumvorstellungen, der Medialisierung sowie aus einer historischen Perspektive heraus betrachtet werden können. Damit wird eine neue Perspektive auf das Verhältnis Stadt und Medien angekündigt. Eine gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer dieser Ebenen, so stellt Zimmermann fest, sei in der gegenwärtigen Forschung kaum aufzufinden. Diese Lücke will der vorliegende Sammelband schließen, in dem insbesondere zwei Zugänge gewählt werden: eine Analyse der „Stadt als Standort von Medien“ sowie der „Repräsentation der Stadt in den Medien“ (S. 4). Medien, wie die frühen Druck- und Schriftmedien, aber auch die sogenannten Massenmedien haben immer auch örtliche Bezüge und innerörtliche Funktionen; Medien prägen außerdem die Vorstellungen über die jeweilige Stadt.

Der Band versammelt zehn Aufsätze aus den Bereichen Mediengeschichte, Kulturwissenschaft, Architektur sowie Kommunikationstheorie. Den Beiträgen gemeinsam ist ein zugrunde gelegter historisch-relationaler Raumbegriff. Die ersten fünf Beiträge widmen sich aus unterschiedlichen Perspektiven verschiedenen Medien und deren Auswirkungen auf Städte und Urbanität. Gemeinsam ist diesen Beiträgen, dass sie einen bestimmten historischen Kontext in den Blick nehmen. Carla Meyer fokussiert auf die städtische Imagepflege bis 1500, Ute Schneider nimmt eine Historisierung verschiedener „Medienstädte“ der Frühen Neuzeit vor und zeigt auf, dass diese zumeist Handelszentren bilden. Jörg Requate thematisiert die Rolle von Presse und Journalismus in urbanen Kontexten des 19. Jahrhunderts und streicht die Relevanz städtischer Verlagszentren heraus. Adelheid von Saldern und Rolf Sachsse beschäftigen sich mit der Zeitspanne der Zwischenkriegszeit bzw. der Zeit kurz vor und nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Saldern arbeitet den Zusammenhang zwischen dem Radio und dessen Verankerung in konkreten urbanen Milieus heraus. Sachsse zeigt auf, dass die – zumeist als Auftragsbilder für bauplanerische Zwecke dienenden – medialen Bilder von Städten im 20. Jahrhundert einen Bruch zu alten Stadtbildern vollziehen, da sie bestimmte Vorstellungen und damit Repräsentationen von Städten zeigen.

Nicole Huber und Katrin Minner untersuchen die städtischen Selbstdarstellungen in Bauausstellungen sowie in Stadt(werbe)filmen. Insbesondere bei internationalen Bauausstellungen, so Huber, werde deutlich, dass die Präsentationen vielfältige mediale Darstellungsformen nutzen, die zunehmend transnationale Leitbilder von Architektur- und Stadtentwicklung aufnehmen (S. 196). Die Beiträge von Anna Schober, Axel Schildt und Martin Schreiber beziehen sich auf die Zeit nach 1945. Schober untersucht die Rolle des Kinos, die sich durch vielfältige städtische Bezüge auszeichnet: Filmplakate befinden sich im öffentlichen Raum einer Stadt, das Kino fungiert als Ort der Zusammenkunft in der Stadt, stellt aber auch einen Raum der Entgrenzung durch filmische Imaginationen bereit. Am Beispiel Hamburgs zeigt Schildt, wie Medienunternehmen mit Kreativindustrien und bestimmten Milieus verbunden sind und so die Raumorganisation an ihren Standorten prägen. Die Betonung urbaner Kontexte findet sich auch im Beitrag von Schreiber, der herausstellt, dass Urbanität trotz der Dynamik neuer Informations- und Kommunikationstechnologien Bestand hat, sich allerdings dadurch neue Problemstellungen für die Stadtentwicklungspolitik ergeben. Insgesamt zeige sich durch die versammelten Beiträge, so resümiert Zimmermann, dass Medien nicht ortslos sind und es auch nie waren (S. 18). Medien stehen mit Städten in einer Wechselbeziehung, die sich durch räumliche Verortungen von Medien, Repräsentationen von Raum und Medien sowie imaginierten medialen und räumlichen Vorstellungen äußert.

Der Sammelband bietet spannende und neue Einblicke in die Wechselbeziehungen von Stadt und Medien aus unterschiedlichen Perspektiven. Verschiedene Phänomene werden herausgearbeitet, die Einleitung bildet dabei die inhaltliche Klammer. Eine thematische Strukturierung des Sammelbandes durch Zwischenüberschriften fehlt, obwohl die Beiträge in der Einleitung in thematische Cluster zusammengefasst werden. Diese Cluster spiegeln sich jedoch nicht im Inhaltsverzeichnis wider, das eine chronologische Gliederung aufweist. Die Nachvollziehbarkeit der inhaltlichen Strukturierung wird dadurch erschwert. Insgesamt ist der Sammelband für interessierte WissenschaftlerInnen als Einstieg in die Diskussion um Medien und Raum bestens geeignet und bietet aufgrund der großen inhaltlichen Spannbreite der Beiträge darüber hinaus zahlreiche Vertiefungsmöglichkeiten. Somit liegt mit diesem Sammelband ein weiterer Baustein der sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskussion zum spatial turn vor.

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