Titel
Der Hereroaufstand 1904.


Autor(en)
Nordbruch, Claus
Erschienen
Anzahl Seiten
155 S.
Preis
120 Abb.
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Joachim Zeller

Dieses Buch, das die Geschichte des Krieges zwischen der deutschen Kolonialmacht und den Herero in Namibia in den Jahren 1904-1907 aufarbeiten möchte, hat sein Ziel gänzlich verfehlt. Der Autor ist damit gescheitert, den Feldzug gegen die aufständischen Herero, den der hauptverantwortliche General Lothar von Trotha als Vernichtungskrieg führte und der in einem Völkermord endete, historiographisch adäquat zu erforschen. Zwar wird der Vorsatz erkennbar, ein wissenschaftlichen Kriterien gerecht werdendes Werk vorzulegen, doch wird dieser Anspruch in keiner Weise erfüllt.

Zunächst ist festzuhalten, dass Nordbruch sich auf eine - unbeholfene wie unvollständige - Zusammenfassung hinlänglich bekannter Fakten zur Ereignis- und Operationsgeschichte des Krieges beschränkt, Fakten, die bereits Horst Drechsler oder Walter Nuhn in ihren Studien erschöpfend präsentiert haben. In ermüdender Weise reiht Nordbruch in seinen Schilderungen Zitate meist aus der damaligen Erinnerungsliteratur aneinander und präsentiert diese als scheinbar objektive Darstellungen ohne quellenkritisch vorzugehen, wodurch die Publikation einen durchweg kolonialapologetischen Charakter erhält. Auf Primärquellen aus den einschlägigen Archiven z.B. in Windhoek und Berlin hat der Autor gänzlich verzichtet.

Quälend ist unter anderem die Lektüre des Kapitels über die deutsche „Schutztruppe“, deren „Tapferkeit“ und „wahren Heldenmut“ er verteidigt. Die Ausführungen bewegen sich dabei einmal mehr auf dem Niveau und im Stil alter Kolonialbücher aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Wichtige Aufsätze wie die des Militärhistorikers Wolfgang Petter, der sich kritisch mit der Geschichte des Kolonialmilitärs auseinandergesetzt hat, scheint Nordbruch nicht zu kennen und führt sie folglich auch nicht auf.

Neben der Nichtberücksichtigung historischer Forschungsmethoden und des aktuellen Forschungsstandes, leugnet der Autor schlicht die - seit Jahren heftig diskutierte - These vom Völkermord, den die Deutschen an den Herero begingen. Dabei werden in Ermangelung eigener Ergebnisse nur solche Autoren zitiert, die, wie etwa Gerd Sudholt, schon vor vielen Jahren mit fragwürdigen Argumenten gegen diese These Position bezogen haben. Ebenso wird mit nur wenigen nichtssagenden Halbsätzen auf das tausendfache Sterben der Herero in den Konzentrationslagern eingegangen. Die vom deutschen Kolonialgouvernement eingerichteten Lager waren eben keine ‚normalen‘ Kriegsgefangenen- oder Internierungslager, sondern Zwangsarbeits- und Vernichtungslager.

Da der deutschzentristische Ansatz des Buches unreflektiert bleibt, sind nicht zuletzt auch die Darstellungen zur Geschichte und Kultur der Herero indiskutabel. Sie strotzen nur so vor Peinlichkeiten und Halbwissen. Neuere Veröffentlichungen wie die von Gesine Krüger fehlen; zwar wird das Buch einer der führenden Herero-Forscher, Jan-Bart Gewald, in der Literaturliste aufgeführt, ohne sich aber die Mühe gemacht zu haben, dessen Forschungsergebnisse auch nur ansatzweise zu berücksichtigen.

Regelrecht die Sprache verschlägt es dem Leser an der Stelle, wo der Autor die nach 1920 von der neuen Kolonialmacht Südafrika für die Herero eingerichteten „Wohngebiete“ - Nordbruch meint damit die Reservate, von denen einige auch schon während der Zeit der deutschen Kolonialherrschaft errichtet wurden - folgendermaßen beschreibt: „Es waren dies alles andere als staatlich sanktionierte Abschiebungsmaßnahmen oder gar eine Politik der Einpferchung von Eingeborenen.“ (S. 127f.) Solche anachronistisch-reaktionären Äußerungen im Jahre 2002 zu veröffentlichen und damit wider besseren Wissens die Segregations- und Apartheidspolitik des weißen Minderheitsregimes in Pretoria auch noch im Nachhinein zu legitimieren, bedarf keines weiteren Kommentars.

Welchen Erkenntniswert die heroisierenden Illustrationen mit kämpfenden Schutztrupplern haben sollen, die zahlreich in dem Buch abgedruckt sind, bleibt das Geheimnis des Autors. Jedenfalls unterbleibt wie auch bei den Fotodokumenten eine angemessene Kommentierung der Bilder; die allermeisten der Bildlegenden dürften nicht der Archivüberlieferung entstammen.

Fazit: Das Buch von Nordbruch tradiert die kolonialistische Mentalität längst vergangener Tage. Zum bevorstehenden hundertsten Jahrestag des Ausbruchs des Deutsch-Herero-Krieges (12. Januar 2004) kann es nichts Erhellendes beitragen. Im Gegenteil: Bei der notwendigen Aufarbeitung des ersten Völkermordes, den die Deutschen im 20. Jahrhundert begingen und der heute im kollektiven Bewusstsein der Deutschen weitgehend vergessen ist und selbst in hiesigen Historikerkreisen noch immer viel zu wenig zur Kenntnis genommen wird, kann Nordbruchs Buch nur als Störfeuer betrachtet werden. Getrost kann man es unter der Kategorie ‚geschichtsrevisionistisches Machwerk‘ ablegen.

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