A. Walker: Exotic Elements and the Imaging of Byzantine Imperial Power

Cover
Titel
The Emperor and the World. Exotic Elements and the Imaging of Middle Byzantine Imperial Power, Ninth to Thirteenth Centuries C.E


Autor(en)
Walker, Alicia
Erschienen
Anzahl Seiten
XXV, 260 S.
Preis
€ 78,32
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Grünbart, Institut für Byzantinistik und Neogräzistik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Die vorliegende Arbeit wurde 2004 als Dissertation an der Harvard University eingereicht und liegt nun wesentlich überarbeitet vor. Alicia Walker hat seitdem bereits einige Arbeiten zu byzantinisch/arabischen Verflechtungen publiziert.

Zwei nicht erhalten gebliebene Architekturdenkmäler markieren den Anfangs- und Endpunkt der Studie zum byzantinischen Herrschaftsverständnis: Der sogenannte Bryaspalast, den Kaiser Theophilos (829–842) von arabischen Architekten Konstantinopel gegenüber errichten ließ und der Muchrutas (ein Saal im konstantinopolitanischen Kaiserpalast), den seldschukische Bauleute unter Kaiser Manuel I. (1143–1180) ausführten. Normalerweise gilt der Zeitraum vom 9. bis zum 12. Jahrhundert als die Epoche, in der das oströmische Kaisertum solitärisch, nahezu monopolhaft und unnahbar seine ideologische und kulturelle Strahlkraft ausübte, was sich in Imitationen von kaiserlichen Reservaten und Herrschaftsikonographie manifestierte. Prägend für dieses Verständnis wirkte sicher auch der kunsthistorische Klassiker Grabars zum byzantinischen Herrscherbild.1

Walker unternimmt es, diese Thesen zu überprüfen und zu zeigen, dass es am byzantinischen Kaiserhof weit mehr Einflüsse und Transformationen gab, als landläufig angenommen wurde. Ihr geht es darum, den oströmischen Herrscher globalgeschichtlich und damit kosmopolitisch zu sehen. Der traditionelle Blick vom lateinischen Westen in den griechischen Osten wird hier durch die Schau vom byzantinischen Westen in den nahen und fernen Orient erweitert. Zwischen den eingangs erwähnten Eckpunkten teilt die Autorin ihre Untersuchung in Zeitabschnitte, die gleichzeitig unter markanten, eine Dynamik evozierenden Begriffen subsumiert werden: „emulation“, „appropriation“, „parity“, „expropriation“ und „comparability“.

Zunächst wird auf die unterschiedlichen Typen des kaiserlichen Bildes hingewiesen: Walker schließt sowohl offizielle (Siegel, Münzen, Urkunden) als auch inoffizielle Dokumente (etwa Elfenbeinkästchen, die nicht auf kaiserliche Initiative hin entstanden sein, aber aus dem höfischen Milieu stammen können) mit in ihre Argumentation ein (S. XVII).

Im ersten Kapitel („Emulation: Islamic imports in the iconoclast era – power, prestige, and the imperial image“, S. 20–44) werden Einflüsse aus dem gerade aufstrebenden abbasidischen Kalifat im Byzanz der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts untersucht. Unter Kaiser Theophilos intensivierten sich die Kontakte in die arabische Welt: Fachwissenschaftliche Literatur und technologisches Wissen wurden ausgetauscht (Leon der Mathematiker!, S. 39). Leider gibt es nur eine knappe Beschreibung des Bryaspalastes bei Theophanes2, die eine Rekonstruktion (der für Zeitgenossen augenfälligen Innovationen) unmöglich macht.3 Für die These der „emulation“, also der Nachahmung bekannter Muster, zieht Walker Seidenstoffe heran, die nachsassanidisch und somit in den Untersuchungszeitraum datiert werden. Besonders Jagdmotive scheinen auf beiden Seiten des Taurus en vogue gewesen zu sein, was Walker dahin gehend deutet, dass man sich die sassanidische Großmacht ideologisch einverleibte. Jagd spielt auch im zweiten Kapitel („Appropriation. Stylistic juxtaposition and the expression of power”, S. 45–79) eine Rolle. Die Zeit der makedonischen Dynastie (867–1056) rückt ins Zentrum der Betrachtung, die eine besondere Vorliebe für Dinge aus dem Osten hatte. Das zeigt sich etwa an persischen Stoffen, sogenannten Bagdadika. Besonders wird das Elfenbeinkästchen aus Troyes ("Troyes casket") diskutiert. Auf dem purpurfarbenen (!) Behältnis aus Elfenbein sind Jagdszenen dargestellt. Dabei ist auffällig, dass ein imperiales Programm präsentiert wird, aber jedwede religiöse Konnotation (Herrschaft durch Gott, Darstellung von Heiligen) fehlt (S. 49). Walker untersucht minutiös die Ikonographie (triumphierende Reiter, Löwen- und Eberjagd). Zunächst merkwürdig sind die Vogeldarstellungen auf den Seitenteilen, die eindeutig als chinesischer Einfluss überführt werden können. Das Fabelwesen fenghuang – auf chinesischen Kunstobjekten oft paarweise (männlich feng und weiblich huang) dargestellt – wurde in der kaiserlichen Herrschersymbolik verwendet und kann mit dem Phönix im ‚europäischen‘ Kulturraum verglichen werden, da auch die chinesischen Pendants aus dem Feuer geboren sind. Die Darstellungen auf dem Kästchen sind weniger mit christlichen Vorstellungen verknüpft, sondern werden hier bewusst angebracht, um den universalen Anspruch des byzantinischen Kaisers zu untermauern.4 Die Oikumene expandiert nun und überschreitet die spätantike Begriffsweite: „The images on the casket might also reflect the expansionist ethos of the Macedonian emperors during the second half of the tenth century“ (S. 76). Die bewusste Zusammenstellung unterschiedlicher Bilder unterstreicht den universalen, kosmopolitischen Anspruch.5

Geschenke und diplomatischer Austausch zwischen gleichmächtigen Partnern stehen im Mittelpunkt des dritten Kapitels („Parity. Crafting a Byzantine-Islamic community of kings“, S. 80–107). Besonders Konstantinos VII. hinterließ in seiner Schrift De administrando imperio zahlreiche Hinweise zum Geschenkewesen.6 Dass Konstantinos ein begeisterter Sammler islamischer Kunstgegenstände war, wird hier nicht ausgeführt.7 Alexander der Große war zu dieser Zeit in beiden Machtblöcken ein beliebtes Motiv, wie etwa die Innsbrucker Artuqiden-Schale (12. Jahrhundert) belegt.8 Im islamischen Kulturraum wurde Salomon, insbesondere das Siegel Salomons, aus dem Westen (also Byzanz) rezipiert, wie man ab dem 11. Jahrhundert feststellen kann.9

Im vierten Kapitel („Expropriation. Rhetorical images of the emperor and the articulation of difference“, S. 108–143) wird besonders das Elfenbeinkästchen aus Darmstadt (Hessisches Landesmuseum KG 54:217) unter die Lupe genommen. Walker plädiert für eine Datierung in das 12. Jahrhundert (üblich 10. Jahrhundert), da es in das kulturelle Milieu des komnenischen Kaiserhofes passe. Laut Walker setzte sich der Hersteller dieses Schmuckstückes ironisch mit dem Sultan auseinander: Während der byzantinische Herrscher auf einer Seite als Alexander dargestellt ist, wird sein Gegenüber nackt (Bauch!) und eine Laute spielend abgebildet. Auf den übrigen Seiten sieht man Taten des Herakles und den Heiligen Georgios, der das Böse besiegt, sowie Herakles und das Orakel. Aufgrund dieser Ikonographie sei das Werk nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen und nicht durch kaiserlichen Auftrag entstanden, sondern vielleicht durch einen ‚Insider‘ der imperialen Hierarchie.

Im letzten Kapitel („Incomparability. The aesthetics of imperial authority“, S. 144–164) wird ein heute verschwundenes Bauwerk interpretiert, das nur durch eine Schilderung des Nikolaos Mesarites bekannt ist. „Das Aussehen des Gebäudes bietet einen unerschöpflichen Genuss, nicht nur jenen die eben den ersten Blick auf das Bauwerk werfen, sondern es erregt auch bei denen, die oft vorbeikommen, ergriffenes und bestürztes Erstaunen. Dieses persische Gebäude ist herrlicher als jenes lakonische Haus des Menelaos“.10 Seldschukische Bauleute hatten den Muchrutas-Saal im Kaiserpalast errichtet, in dem sich der Usurpator Johannes der Dicke (1200) lagerte (nur mit der Krone auf dem Haupt). Sein anti-imperiales Verhalten harmonierte mit den Eigenarten des Bauwerkes (trinkende Gestalten und lautenspielende Musiker auf Wand- und Deckenbildern). Der anliegende kaiserliche Thronsaal war verwaist, reizt aber zu einem Vergleich, denn dort thronte normalerweise der Kaiser unter einem Christus Pantokrator. Walkers These, dass dieser Bau „John’s unfitness for rule“ (S. 145) widerspiegelt, ist nur zuzustimmen. Die rhetorische Darstellung Mesarites‘ korrespondiert – den Gedanken Walkers weitergesponnen – mit dem oben angeführten halbnackten Sultan. Eine Persönlichkeit, die man hier noch als Exemplum für vielschichtige Interpretationsmöglichkeiten anführen könnte, ist Andronikos I. Komnenos (1183–1185), der zwar als Modell für Herakles (S. 135) auftritt, aber nicht nur durch seine exotische, orientalisierende Kleidung (besonders seine Kopfbedeckung aus Georgien), sondern auch durch seine Bildstiftungen (Jagdszenen) auffällt.11

Die Studie Walkers ist ein gelungener Neuansatz, der hoffentlich die Meinung vom starren und undynamischen Byzanz zu revidieren hilft.12 Walker kombiniert in ihrer Analyse alle möglichen Medien und verleiht Objekten eine neue Sprache. Sie schafft eine beeindruckende Synthese, die zu einem holistischen sowie globalgeschichtlichen Verständnis des byzantinischen Kaisertums beiträgt.13 Last, but not least zeigt sie auf, wohin zukünftige interdisziplinäre Zusammenarbeit führen kann.

Anmerkungen:
1 André Grabar, L’empereur dans l’art byzantin, recherches sur l’art officiel de l’empire d’Orient, Paris 1936 (ND London 1971).
2 Immanuel Bekker (Hrsg.), Theophanes Continuatus, Joannes Cameniata, Symeon Magister, Georgius Monachus, Bonn 1838, S. 98.
3 Ausgrabungen des früher als Bryaspalast interpretierten Komplexes werden nun als monastische Anlage (inklusive Patriarchengrab) gedeutet. Vgl. Alessandra Ricci, Palazzo o monastero, Islam o Occidente: il complesso mediobizantino a Kucukyali (İstanbul), in: Rosa Fiorillo / Paolo Peduto (Hrsg.), III Congresso Nazionale di Archeologia Medievale, Florenz 2003, vol. I, S. 515–519.
4 Zunehmend werden Funde byzantinischer Münzen und Imitativprägungen in China dokumentiert. Siehe zuletzt: Guo Yunyan, A general overview of Byzantine coins. Their imitations found in China, in: Eirene 41 (2005), S. 87–116.
5 Zur Ökumenevorstellung vgl. Michael Kordosis, The limits of the known land (Ecumene) in the east according to Cosmas Indicopleustes. Tzinista (China) and the ocean, in: Byzantion 69 (1999), S. 99–106.
6 Zum Geschenktransfer und Gabenaustausch vgl. Jean-Michel Spieser / Élisabeth Yota (Hrsg.), Donation et donateurs dans le monde byzantin. Actes du colloque international de l'Université de Fribourg 13–15 mars 2008, Paris 2012; Michael Grünbart (Hrsg.), Geschenke erhalten die Freundschaft: Gabentausch und Netzwerkpflege im europäischen Mittelalter; Akten des Internationalen Kolloquiums Münster, 19. – 20. November 2009, Berlin 2011.
7 Siehe etwa den Briefaustausch zwischen Konstantin VII. Porphyrogennetos und Theodoros von Kyzikos aus der Mitte des 10. Jahrhunderts, der dem kaiserlichen Sproß einen arabischen Pokal (kylix) übersendet und seinen Geschmack genau trifft. Maria Tziatzi-Papagianni (Hrsg.), Theodori metropolitae Cyzici epistulae accedunt epistulae mutuae Constantini Porphyrogeniti, Berlin 2012; vgl. hierzu Michael Grünbart: Rezension zu: Tziatzi-Papagianni, Maria (Hrsg.): Theodori Metropolitae Cyzici Epistulae. Accedunt epistulae mutuae Constantini Porphyrogeniti. Berlin 2012, in: H-Soz-u-Kult, 10.10.2012, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2012-4-033>; vgl. schon Antonio Stránský, Costatino VII Porfirogenita, amante delle arti e collezionista, in: Atti del V Congresso Internazionale di Studi Bizantini, Rom 1940, S. 412–422.
8 Ergänzen könnte man zu diesem Kunstwerk: Thomas Steppan (Hrsg.), Die Artuqiden-Schale im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck. Mittelalterliche Emailkunst zwischen Orient und Occident, München 1995.
9 Das Testamentum Salomonis ist neu kommentiert und analysiert: Peter Busch (Hrsg.), Das Testament Salomos. Die älteste christliche Dämonologie, kommentiert und in deutscher Erstübersetzung, Berlin 2006.
10 Franz Grabler (Hrsg.), Die Kreuzfahrer erobern Konstantinopel. Die Regierungszeit der Kaiser Alexios Angelos, Isaak Angelos und Alexios Dukas, die Schicksale der Stadt nach der Einnahme sowie das „Buch von den Bildsäulen“ (1195–1206) aus dem Geschichtswerk des Niketas Choniates. Mit einem Anhang: Nikolaos Mesarites, Die Palastrevolution des Joannes Komnenos, Graz 1958, S. 310.
11 Michael Grünbart, Die Macht des Historiographen – Andronikos (I.) Komnenos und sein Bild, in: Zbornik Radova Vizantološkog Instituta 48 (2011), S. 75–85.
12 Kleinigkeiten: S. 48 l. Athanasios; S. 132 l. Panagiotis; S. 178 Fn. 15 l. Mullett; Prinzing, Günter. „Das Bamberger Gunthertuch …“ erschien nicht in „Byzantine Studies“, sondern in „Byzantinoslavica“; leider passierte in der Bibliographie ein Missgeschick: Die Titel unter „Ćurčić, Slobodan“ sind fast alle von „Cutler, Anthony“ (außer „Some Palatine Aspects of the Cappella Palatina in Palermo“); Ergänzen könnte man noch Ulrike Koenen / Martina Müller-Wiener (Hrsg.), Grenzgänge im östlichen Mittelmeerraum. Byzanz und die islamische Welt vom 9. bis 13. Jahrhundert, Wiesbaden 2008. – Leider sparte der Verlag bei den Farbabbildungen und verweigerte dem Rezipienten damit eine wichtige Dimension!
13 Vgl. Bernd Schneidmüller, Die Kaiser des Mittelalters. Von Karl dem Großen bis Maximilian I., 2. Aufl., München 2007.