Titel
Dreihundert Jahre Preußische Königskrönung. Eine Tagungsdokumentation


Herausgeber
Kunisch, Johannes
Reihe
Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, Beih. 6
Erschienen
Anzahl Seiten
292 S.
Preis
€ 52.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Kirsten O. Frieling (Universität Erlangen / Greifswald)

Der von Johannes Kunisch herausgegebene Sammelband ist das Ergebnis einer Tagung, die anlässlich des 300jährigen Jubiläums der Königserhebung des Hauses Brandenburg im November 2000 in Berlin stattgefunden hat. Als konkreter Bezugspunkt wurde dabei nicht die Krönung selbst, sondern der Abschluss des Krontraktats (16. November 1700) gewählt. Die elf Beiträge des Bandes beschäftigen sich in erster Linie mit politischen Faktoren, die im Zusammenhang mit der preußischen Königserhebung stehen, sie beeinflusst und ermöglicht haben. Das Geschehen der Krönung wird auf diese Weise aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

Barbara Stollberg-Rilinger ordnet den Wunsch Friedrichs III. (I.) nach einer Krone in das zeremonielle Zeichensystem der Frühen Neuzeit ein. Nach einer Analyse der politischen Kommunikation um 1700 kommt sie zu dem Schluss, dass nur die Königswürde Preußen eine gleichrangige Stellung unter den anderen europäischen Mächten auf der symbolischen Ebene des Zeremoniells und damit auch de facto auf der politischen Ebene verschaffen konnte. Wolfgang Neugebauer richtet seinen Blick ebenfalls auf die Positionierung Preußens im europäischen Mächtesystem. Er untersucht die „Geschichts- und Legitimationspolitik der Hohenzollern“ (S.29) und schildert die preußischen Bemühungen, vor der Königskrönung eine den anderen europäischen Herrschern vergleichbare Genealogie zu erstellen. Peter Baumgart analysiert die „Binnenstrukturen monarchischer Herrschaft“ (S.49), indem er die höfischen Administrations- und Beratergremien Friedrichs III. (I.) einer genaueren Betrachtung unterzieht. Hinsichtlich einer Beurteilung des Regierungsstils des Monarchen hält er fest, daß „die persönliche Komponente einer eher schwachen, vielfach von ihren Ratgebern und Günstlingen abhängigen Persönlichkeit nicht einfach übersehen oder verdrängt werden“ (S.71) dürfe. Der Rolle und Bedeutung der preußischen Landstände bei der Königserhebung wendet sich Michael Kaiser zu. Er stellt überzeugend dar, dass die Stände nur eine untergeordnete Rolle bei den Krönungsfeierlichkeiten spielten, und führt dies auf das politische Kalkül Friedrichs III. (I.) zurück, seine neugewonnene Souveränität nicht nur nach außen, sondern auch nach innen zu demonstrieren. Dadurch verhinderte dieser jedoch gleichzeitig „eine unmittelbare integrative Wirkung der preußischen Königskrone“ (S.122/123). Iselin Gundermann zeigt die zeitgenössische Diskussion um eine Salbung des preußischen Königs und erklärt die schließlich getroffene Entscheidung, Friedrich III. (I.) doch auch zu salben, damit, dass eine Salbung aus legitimatorischen Gründen – nämlich zum einen „wegen des auf religiösen Wurzeln beruhenden Herrscherheils“ (S.132/133) und zum anderen mit Rücksicht auf die Stellung Preußens im Kreis der anderen, gesalbten Herrscher – vorgenommen wurde. Joachim Eibach untersucht eingehend die Predigten, welche anlässlich der Krönung Friedrichs III. (I.) gehalten wurden. Er stellt fest, dass diese einerseits dazu dienten, dem Königtum Friedrichs eine legitimatorische Basis zu verschaffen. Auf der anderen Seite hebt er jedoch hervor, dass Predigten gleichzeitig genutzt wurden, um den Herrscher an seine Pflichten gegenüber seinen Untertanen zu erinnern und ihn zu ermahnen, diesen stets nachzukommen. Der einzige kunsthistorische Beitrag der Tagung von Hellmut Lorenz widmet sich der Neugestaltung des barocken Berliner Stadtschlosses im Zusammenhang mit der Königserhebung. Es wird deutlich, „daß sich im Umfeld des Königs und in direktem Bezug zur angestrebten Königswürde am Berliner Hof in den Jahren um und nach 1695 in sehr kurzer Zeit schlagartig ein Kunstzentrum entwickelt hat, das die bislang provinzielle Prägung der Region abstreifte“ (S.185).

Einen neuen Blick auf die politischen Interessen des Wiener Hofes an der preußischen Krönung eröffnet der Beitrag von Christine Roll. Sie legt eindrücklich dar, dass in den Überlegungen Kaiser Leopolds I. und seiner Berater nicht nur ein drohender Krieg um die Spanische Erbfolge, sondern auch die sich abzeichnenden Auseinandersetzungen im Ostseeraum eine Rolle spielten. Als Hauptmotiv für die kaiserliche Zustimmung zur Standeserhebung Friedrichs III. (I.) nennt sie deshalb nicht die Gewinnung preußischer Truppen, sondern die Vermeidung eines Zweifrontenkrieges. Diese konnte nach Meinung der Wiener Diplomaten nur durch eine Anbindung Preußens an den Kaiser gewährleistet werden. Roll modifiziert somit die bisher gängige Forschungsmeinung eines ‚einfachen’ Handels „Krone gegen Truppen“ (S.193) durch eine neue Akzentuierung. Max Plassmann fällt in dieser Hinsicht hinter ihre Ausführungen zurück auf die ‚alte’ Forschungsposition, wenn er schreibt, „daß Kaiser Leopold I. ihn [Friedrich] und seine Truppen im Falle eines Spanischen Erbfolgekrieges benötigte“ (S.231). Er beschäftigt sich deshalb eingehender mit den preußischen Truppen im Spanischen Erbfolgekrieg und schlussfolgert, daß Friedrich III. (I.) „mit dem durchaus geschickten, in jedem Fall aber der Situation angepassten Einsatz seiner Armee noch als Auxiliartruppe im Windschatten der Großmächte den Grundstein für den weiteren Aufstieg seines Staates gelegt“ (S.255/256) habe. Heinz Duchhardt wählt einen ungewöhnlichen Ansatz und regt in seinem kurzen Beitrag an, einmal über die „Nicht-Krönungen“ (S.257) von Friedrichs III. (I.) Nachfolgern nachzudenken. Er konzentriert sich dabei vor allem auf die Nicht-Krönung von 1713/14 und trägt ein ganzes „Bündel“ (S.259) von Faktoren zusammen, die die Entscheidung gegen eine Krönung herbeigeführt haben. Der Beitrag von Johannes Kunisch schließlich befasst sich mit dem vernichtenden Urteil, das Friedrich II. über seinen Großvater im allgemeinen und die Krönung im besonderen abgab, indem er der Frage nachgeht, „ob Friedrich der Große denn den Maßstäben, nach denen er den Großvater glaubte tadeln zu müssen, selbst gerecht geworden ist“ (S.267). Da „[v]iele Ausdrucksformen fürstlicher Selbstdarstellung [...] trotz eines offenkundigen Wandels in Geschmack und Habitus unverändert geblieben“ seien, führt er die negative Beurteilung Friedrichs III. (I.) durch seinen Enkel auf eine Verschiebung der „Prioritäten bei der Ausübung eines Herrscheramtes“ zurück. Aus der Sicht Friedrichs des Großen, für den der Monarch seine eigenen Interessen stets denjenigen des Gemeinwohls unterordnen sollte, „konnte das Königtum des ersten Königs tatsächlich als eine Inszenierung erscheinen, die den Eindruck der Eitelkeit und des unangemessenen Aufwandes vermittelte“ (alle Zitate S.284).

Das Verdienst des Tagungsbandes besteht darin, dass auf einen biographischen, auf die Person Friedrichs III. (I.) konzentrierten Zugang zum historischen Ereignis zugunsten einer Analyse politischer Strukturen verzichtet wird. Dadurch wird das Blickfeld über die Person des Monarchen hinaus geöffnet. Insbesondere die Beiträge von Barbara Stollberg-Rilinger, Joachim Eibach und Christine Roll wenden sich Fragen zu, die von der Forschung gänzlich vernachlässigt bzw. anders gewichtet wurden. Für den Leser erweist sich über dies als wertvoll, dass auch teilweise kontroverse Forschungsmeinungen dokumentiert werden.

Im Gegensatz zu bisherigen Forschungsarbeiten werden in diesem Band erstmals außen- und innenpolitische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt und nebeneinander gestellt. Auf diese Weise wird deutlich, dass beide Felder sich gegenseitig ergänzen. Dies zeigt sich auch in der insgesamt ausgewogenen Zusammenstellung der Beiträge. Die beiden Beiträge von Heinz Duchhardt und Johannes Kunisch bieten insofern eine Art Ausblick, als sie sich von der Krönung 1701 lösen und deren Wirkungen auf bzw. Beurteilung durch folgende Herrscher in den Blick nehmen. Sie runden somit den Tagungsband gelungen ab. Jedoch hätte sich der Leser eine deutlichere Gliederung gewünscht. Die Anordnung der einzelnen Beiträge läßt eine klare Struktur jedenfalls nicht erkennen. Ein wenig aus dem Rahmen fällt dabei vor allem der kunsthistorische Beitrag, der etwas verloren und unvermittelt neben den übrigen Beiträgen steht.

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