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Titel
Die Parther. Die vergessene Großmacht


Autor(en)
Ellerbrock, Uwe; Winkelmann, Sylvia
Erschienen
Anzahl Seiten
290 S.
Preis
€ 29,99
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Udo Hartmann, Institut für Altertumswissenschaften, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Während es mittlerweile zu fast allen Epochen der Antike knappe historische Einführungen aus der Feder ausgewiesener Kenner gibt, sind die iranischen Monarchien der alten Welt von der Forschung in dieser Beziehung bislang sträflich vernachlässigt worden. Ganz besonders traurig sieht es für die Epoche der Arsakiden aus: Sucht man eine Übersicht zur parthischen Geschichte in deutscher Sprache, ist man immer noch auf Schippmanns nicht sehr überzeugendes Buch verwiesen; den besten Überblick zu Staat und Gesellschaft bietet Wiesehöfer in seiner Monographie zum antiken Persien.1 Daher greift der Leser mit einiger Vorfreude zur nun aus dem Zabern-Verlag vorliegenden Überblicksdarstellung zu Geschichte, Staat und Gesellschaft sowie Archäologie und Kunst der Parther von Uwe Ellerbrock und Sylvia Winkelmann, verspricht der Klappentext doch „einen umfassenden Überblick über die geschichtliche und kulturelle Entwicklung des Partherreiches“; es entstehe „ein faszinierendes Gesamtbild dieser antiken Großmacht.“ Die Autoren möchten dabei die „vergessene Großmacht ins Bewusstsein zurückholen“ (S. 14). Um das Gesamturteil vorwegzunehmen: der Leser wird leider enttäuscht, das Buch wird diesen Ansprüchen in keiner Weise gerecht.

Die Monographie stellt die Parther in 14 Kapiteln vor, die zumeist jeweils von einem der beiden Autoren verfasst worden sind. Der Band schließt mit einer dreiseitigen Liste mit Literaturhinweisen und einigen Empfehlungen zu Internetseiten. Im Buch findet sich zudem eine Reihe qualitätsvoller Abbildungen. Ein Register fehlt indes. Wie in der Einführungsliteratur leider üblich, wird hier auf Anmerkungen mit Quellennachweisen und Angaben zur Forschung verzichtet. Auch bei im Haupttext angesprochenen oder zitierten Quellenpassagen finden sich keinerlei Nachweise. Da die Quellenlage für die Partherzeit sehr unübersichtlich ist, wird der Leser sich zwangsläufig an anderer Stelle informieren müssen, woher die Autoren ihr Wissen beziehen. Auch die Vielzahl an wissenschaftlichen Diskussionen und unterschiedlichen Positionen in der Forschung wird von den Autoren weitgehend ausgeblendet.2

Bereits der etwas unübersichtliche Aufbau lässt erste Zweifel an der Qualität des Überblicks aufkommen, die sich bei der Lektüre sehr schnell bestätigen: Während die Beiträge von Sylvia Winkelmann, einer Orientarchäologin aus Halle, im Allgemeinen den aktuellen Forschungsstand wiedergeben und zuverlässig über archäologische Stätten und die Kunstgattungen informieren, sind die historischen Kapitel von Uwe Ellerbrock, einem Mediziner und Münzsammler aus Elmshorn, überaus problematisch. Diese Beiträge können weder in ihrer wissenschaftlichen Darstellungsweise noch in ihrem Inhalt überzeugen. Viele Einschätzungen sind wenig gelungen. Es finden sich zahlreiche Ungenauigkeiten, oberflächliche Formulierungen3 und Widersprüche4 sowie viele grobe, teils haarsträubende Fehler: „Lucius Severus“ zieht „im Jahr 162“ gegen die Parther, „im Jahr 198“ folgt ihm Septimius Severus, der „aber keine wesentlichen Landgewinne“ macht (S. 63), so lauten Ellerbrocks knappe Informationen zum Partherkrieg des Lucius Verus (161–166) und zu den beiden Partherkriegen des Severus (195 und 197/98), die zur letzten großen Erweiterung des Römischen Reiches führten; mehr historische Fehler und Ungenauigkeiten in der Datierung kann man in einem Satz eigentlich nicht machen. Solche Fehler durchziehen sowohl Ellerbrocks Kapitel zur parthischen Geschichte5 als auch seine Abschnitte zu Staat und Gesellschaft.6

Über die verwendete Begrifflichkeit reflektiert Ellerbrock an keiner Stelle: So schließt er aus der Tatsache, dass die Könige der Elymaïs im 1. und 2. Jahrhundert Münzen prägten, „auf eine gewisse Unabhängigkeit vom Parthischen Reich“ (S. 35), ohne zu erläutern, was dies bedeuten soll. Dass ein Kerngebiet des Partherreiches sich selbstständig machte, ist wenig wahrscheinlich; der Vasallenkönig wurde hier wohl vom Arsakiden mit dem Münzrecht geehrt. Auch für die Charakene wird aus der Münzprägung des Vasallenkönigs unzulässig auf eine „Teilautonomie“ geschlossen (S. 78), ohne das dynamische Verhältnis zwischen parthischem Königtum auf der einen, Hochadel, Vasallenkönigen und Satrapen auf der anderen Seite zu analysieren. Ein solches „Konglomerat aus Gruppen, Schichten, Völkern und Staaten“ wie das Partherreich ist für Ellerbrock „zwangsläufig fragil“ (S. 117); das hier aus der älteren Forschung übernommene und mittlerweile überholte Bild der ‚schwachen Parther‘ blendet die lange und erfolgreiche Regierung der Arsakidenfamilie völlig aus, die an anderer Stelle (S. 13 u. 119) indes besonders betont wird. Ohne eine Reflexion wird erklärt, dass das Partherreich „ein feudalistischer Staat“ gewesen sei (S. 119). Der Begriff des Adels wird nicht näher definiert oder analysiert (S. 126f.).

Die Angaben werden zumeist als sichere Erkenntnisse präsentiert, nur selten wird angedeutet, dass fast alle Punkte unsicher, schlecht belegt und in der Diskussion sind. Eine gründliche Auseinandersetzung mit der aktuellen Forschung findet nicht statt, Ellerbrocks ‚Forschungsbericht‘ (S. 20f.) ignoriert mit Wolski, Chaumont, Wiesehöfer, Dąbrowa, Olbrycht, Hauser oder Lerouge nahezu alle wichtigen Forscher zu den Parthern aus den letzten Jahrzehnten, auch die „Weiterführende Literatur“ übergeht außer zwei Bänden Wiesehöfers sämtliche Arbeiten dieser Forscher7 und bietet sonst nur wenig sinnvolle Hinweise zur historisch relevanten aktuellen Literatur.8

In einer ersten „Annäherung“ an das Partherreich (S. 17–37) streicht Ellerbrock die schlechte Quellenlage und die Tilgung der Erinnerung an die Parther durch die Sāsāniden als Gründe für das „Vergessen“ der Großmacht heraus; die „wichtigste Quelle für die Parther“ sind für den Numismatiker die Münzen (S. 19). Auf das Kapitel „Vorparthische Geschichte – ein kurzer Überblick“ (S. 38–45) beider Autoren folgt Ellerbrocks sehr knappe und unbefriedigende Darstellung der Geschichte des Arsakidenreiches (S. 46–68); sein oberflächlicher Überblick reiht lediglich wie ein Zettelkasten König an König, ohne die historischen Entwicklungen aufzuzeigen und die beschriebenen Phänomene wie die Bürgerkriege und die Konflikte zwischen Königtum und Adel im Partherreich oder die Dynamik der römisch-parthischen Beziehungen zu analysieren. Politische Zielsetzungen von Römern und Parthern sowie Formen der Diplomatie werden kaum betrachtet. Antike Quellen werden unkritisch paraphrasiert: Crassus zieht aus persönlicher Ruhmsucht gegen die Parther (S. 56), und die „willensstarke Frau“ Musa vergiftet ihren Gemahl (S. 60). Man erfährt zwar, dass Orodes II. ein „gepflegter Mann“ war (S. 56), die drei von Trajan im Osten eingerichteten Provinzen werden dagegen ebenso wie die politischen Erfolge und Misserfolge Vologeses’ IV. übergangen.

Neben den erwähnten inhaltlichen Fehlern finden sich einige problematische Einschätzungen: So meint Ellerbrock, dass die Parther „offenbar nie besondere Anstrengungen unternommen“ hätten, die Römer anzugreifen, sie hätten vielmehr „gute diplomatische Beziehungen bevorzugt“ (S. 55). Diese Wertung kann ohne eine Einzelfallanalyse nicht überzeugen; zum einen gab es mit den Pakoros-Zügen und dem Angriff Vologeses’ IV. durchaus ernstzunehmende Offensiven; zum anderen müssten genauer die Möglichkeiten der Partherkönige zu militärischen Offensiven und ihre jeweiligen strategischen Ziele analysiert werden. Die letzte Phase des Partherreiches (51–224) ist für Ellerbrock durch „innere Zerrüttung“ und „Niedergang“ gekennzeichnet (S. 46; vgl. S. 63). Dass die Regierungen Vologeses’ I. und Vologeses’ IV. lange Phasen stabiler Herrschaft bildeten, in denen die Parther gegen Rom in die Offensive gehen konnten, und dass die Parther auch noch im frühen 3. Jahrhundert massiven römischen Angriffen erfolgreich trotzten, fällt dabei unter den Tisch; eine Untersuchung der Gründe des Niedergangs und der strukturellen Probleme der Parther im frühen 3. Jahrhundert findet nicht statt.

Es folgt ein kurzer, recht fehlerhafter Überblick beider Autoren zu wichtigen Regionen im Westen des Großreiches.9 In „Vasallenstaaten, Königreiche, Provinzen und Städte unter parthischem Einfluss“ (S. 69–83) werden die Osrhoene, die Kommagene, die Gordyene, die Adiabene, Media Atropatene, die Charakene, die Elymaïs, die Persis und Hatra vorgestellt, wobei die Kommagene nicht so recht in diese Liste passt, da sie nie zum Partherreich gehörte. Auch bleibt unklar, warum der gesamte Osten des Reiches unberücksichtigt bleibt. Als einzige Stadt wird hier Hatra beschrieben, Städte im Partherreich sind aus archäologischer Perspektive erst Thema des folgenden Kapitels (unter historischer Perspektive wird die bedeutende Rolle griechischer Poleis wie Seleukeia oder Susa im Partherreich nirgendwo betrachtet). Winkelmann („Parthische Architektur und Städtebau“, S. 84–104) präsentiert knapp, aber fundiert die Vielfalt der parthischen Architekturformen (wie die Iwanhalle und den Kuppelbau), beschreibt wichtige parthische Städte und geht dabei auch auf neue archäologische Funde ein.10 Der Leser vermisst hier allerdings eine Karte, die die teilweise wenig bekannten Orte in Zentralasien und im Iran verzeichnet, Übersichtspläne zu den Stätten sowie Pläne und Rekonstruktionsskizzen der beschriebenen Bauwerke. Im folgenden Kapitel (S. 105–116) betrachtet Winkelmann die Beziehungen zwischen dem Arsakidenreich und den nomadischen Völkern an der parthischen Ostgrenze, wobei übersichtlich sowohl die Konflikte durch Völkerwanderungsbewegungen als auch der kulturelle Austausch beleuchtet werden; auch das Graeco-Baktrische und das Indoparthische Reich sowie das Kušan-Reich werden dabei konzise dargestellt.11

Wenig qualitätsvoll sind Ellerbrocks Kapitel zur „Herrschaftsstruktur der Parther“ (S. 117–134) und seine „Einblicke in das gesellschaftliche Leben“ (S. 135–163). Ellerbrock stellt Königtum und Verwaltungsstrukturen vor, wobei er sich für letztere in erster Linie auf die problematische Arbeit Khurshudians stützt12, der zahlreiche Ämter aus Quellen der Sāsānidenzeit auf die Epoche der Parther überträgt. Ein Großteil der von Ellerbrock besprochenen Ämter und Titel sind so für das Arsakidenreich gar nicht bezeugt.13 In seinen „Einblicken“ in die parthische Gesellschaft beleuchtet Ellerbrock nicht etwa die schwer zu rekonstruierenden Sozialstrukturen aus den ‚freien‘ Adelsschichten und den Hörigen, aus griechischen Polisbürgern, Kaufsklaven und möglichen Mittelschichten, sondern berichtet eingangs über eine angebliche „Gleichstellung von Mann und Frau“ (geschlossen aus Euphrat-Papyri aus der Mitte des 3. Jahrhunderts aus dem Römischen Reich), die er auf ein „nomadisches Erbe“ zurückführen möchte (S. 135f.). Sodann informiert Ellerbrock über Sklaven und Kriegsgefangene, über Erziehung, Backgammon, Musik, Medizin und die Kochkunst im Partherreich (wobei das Huhn nach parthischer Art des Apicius ausführlich zu Wort kommt); die Quellenbasis zu diesen Themen ist (um es vorsichtig auszudrücken) für die Arsakidenzeit allerdings sehr schmal.14 Gelungener sind die eingeschobenen Abschnitte Winkelmanns zur parthischen Bekleidung und Ellerbrocks Unterkapitel zu Sprache und Schrift der Parther sowie das anschließende kurze Kapitel „Zeitrechnung bei den Parthern“ (S. 164–168), das ebenfalls Ellerbrock verfasste.

Im nächsten Kapitel („Handel und Wirtschaft bei den Parthern – Die Seidenstraße“, S. 169–184) informieren beide Autoren über Handel, Zoll, Bergbau und Landwirtschaft.15 Präzise und anschaulich beschreibt Winkelmann dann Aufbau, Taktiken und Bewaffnung des Arsakidenheeres („Das Militärwesen – Die Armee der Parther“, S. 185–196)16 und erörtert in einem längeren Kapitel die Kunst der Parther (S. 197–244). Dieses Kapitel kann sowohl durch seine qualitätsvolle Darstellung als auch seine Informationsdichte überzeugen. Eingangs beleuchtet Winkelmann das Problem der Definition einer ‚parthischen Kunst‘ und stellt die wesentlichen Forschungspositionen knapp vor. Danach arbeitet sie die Phasen der Formierung und Entwicklung dieser Kunst heraus. Sie plädiert für eine eigenständige parthische Kunst, deren Charakteristika (wie Frontalität und Detailliertheit der Darstellung) abschließend hervorgehoben werden. Diese Kunst habe sich über eine längere „Anlaufphase“ herausgebildet sowie das hellenistische und altvorderasiatische Erbe integriert und schöpferisch weiterentwickelt (S. 243f.). Schließlich beschreibt Ellerbrock die „Religionen im Parthischen Reich“ (S. 245–279): Zuerst analysiert er dazu Münzbilder und betont die Rolle der Tyche bei der Übergabe der Königsherrschaft, dann beschreibt er wesentliche Aspekte des Zoroastrismus, wobei sich für die Parther kaum Sicheres sagen lässt (und daher vor allem Informationen zu anderen Epochen geboten werden); auch Juden, Christen und Manichäer werden erwähnt. Winkelmanns kurzes Schlusskapitel „Das parthische Erbe“ (S. 280–284) konzentriert sich auf die Rezeption der parthischen Kunst in Asien und Europa; eine historische Zusammenfassung fehlt.

Nur ungern fällt der Rezensent ein so scharfes Urteil, diese Monographie kann jedoch weder in ihrer Darstellung der Geschichte noch in ihrer Erörterung von Staat und Gesellschaft überzeugen; sie hat offenbar weder eine wissenschaftliche Begutachtung noch ein kritisches Lektorat durchlaufen. Die von Ellerbrock verfassten Passagen entsprechen weder wissenschaftlichen Standards noch bieten sie eine innovative Erörterung des Partherreiches. Die methodischen Mängel, die Fehlstellen in der Darstellung der Geschichte sowie insbesondere in der Betrachtung von Staat und Gesellschaft, die unkritische Quellenarbeit, die mangelnde Auseinandersetzung mit der aktuellen Forschung, für die die Parther durchaus keine „vergessene Großmacht“ sind, sowie die inhaltlichen Fehler und Unzulänglichkeiten fallen sofort ins Auge. Ohne wissenschaftlichen Apparat ist es dem mit der Materie nicht vertrauten Leser kaum möglich, zwischen auf Quellen basierenden Fakten und reinen Spekulationen zu unterscheiden. Dies alles ist umso ärgerlicher, da die von Winkelmann verfassten Kapitel zur Archäologie und Kunst durchaus einen guten Überblick auf dem Stand der aktuellen Forschung bieten. Ellerbrock und Winkelmann wenden sich mit ihrer Einführung an einen Leser, dem das Partherreich „vermutlich weniger oder gar nicht bekannt“ ist (S. 13); diesen unvorbereiteten Leser kann man eigentlich nur vor dem Buch warnen, da er hier keine verlässlichen, quellenfundierten Informationen auf dem aktuellen Forschungsstand, sondern fehlerhafte und wenig wissenschaftliche Schilderungen finden wird, die ihn an vielen Punkten in die Irre führen. Studierende, die eine qualitätsvolle Einführung zum Partherreich suchen, sollten daher dieses Buch im Regal stehen lassen.17

Anmerkungen:
1 Klaus Schippmann, Grundzüge der parthischen Geschichte, Darmstadt 1980; Josef Wiesehöfer, Das antike Persien, Zürich 1994, bes. S. 163–204.
2 Verweise auf bestimmte Forschungspositionen erfolgen meist auch nur anonym, man rekurriert ohne Belege auf „einige Forscher“ (S. 17), „Untersuchungen“ (S. 72, 151 u. 222), die „Ansicht heutiger Wissenschaftler“ (S. 113) oder neue „Forschungsergebnisse“ (S. 266).
3 Eine Auswahl: Iustin wird ohne Erwähnung des Trogus besprochen (S. 27). Nicht Orodes II., sondern sein Sohn und seine Feldherren kämpften in Kleinasien, Syrien und Palästina (nicht „Israel“, S. 56). „Cicero regierte“ in Syrien, Pakoros „wurde vom römischen Gaius Cassius Longinus geschlagen“ (S. 58); das Triumvirat wird von Octavian, Lepidus und Marc Anton „gegründet“ (S. 59). In der Darstellung der Niederlage des Pakoros fällt weder der Name des Schlachtortes Gindaros noch der des Feldherrn Ventidius Bassus (S. 59). Über den Usurpator Tiridates (35/36 n.Chr.) gegen Artabanos II. weiß Ellerbrock nur zu berichten, dass er „aus einer alten parthischen Familie stammte“ (S. 62). Dass er Arsakide und Sohn eines der nach Rom als Geiseln geschickten Söhne Phraates’ IV. war sowie auf Bitten des parthischen Adels von Rom nach Parthien geschickt wurde, verschweigt er. Trajan verjagte laut Ellerbrock sowohl Vologeses III. als auch dessen Gegenkönig Osroes aus Seleukeia-Ktesiphon (S. 64f.), obwohl in den Quellen nur Osroes erwähnt wird. Septimius Severus eroberte 195 die Osrhoene, nicht aber die Adiabene (so aber S. 65; vgl. S. 77). Jedoch wurde unter Severus nicht die ganze Osrhoene „römische Provinz“ (S. 71), ein verkleinertes Klientelkönigreich blieb erhalten.
4 Während im Quellenkapitel von „aramäischen“ Inschriften der Parther gesprochen wird (S. 25), erläutert Ellerbrock später korrekt, dass es sich um Inschriften in parthischer Sprache „in einer semitischen Schrift“ (also mit aramäischen Buchstaben) handelt (S. 152). Die parthischen Legenden der Münzen werden indes durchgängig fälschlich als „aramäisch“ bezeichnet (S. 31, 80, 115, 156, 254 u.ö.). Babylonische Keilschrifttexte werden sowohl als primäre als auch als sekundäre Quellen vorgestellt (S. 25 u. 27). Die griechisch-parthische Inschrift Vologeses’ IV. auf einer aus der Charakene verschleppten Herakles-Bronzestatue wird mal korrekt als Inschrift (S. 25 u. 154f.), mal als „Bronzemünze“ (S. 65; ebenso 64) bezeichnet. Der erste Arsakide, der den Titel ‚König der Könige‘ führte, ist mal Mithradates I. (S. 51, wohl korrekt), mal Mithradates II. (S. 118) – hier wechselte offenbar die Forschungsgrundlage.
5 Phraates I. siedelte die Marder in Charax in der Rhagiane (Isid. Mans. Parth. 7), nicht in (Spasinou) Charax (S. 50) an; letzteres gehörte damals noch gar nicht zum Partherreich. Der griechische Begriff Philadelphou in der Königstitulatur auf parthischen Münzen heißt weder „dem Wohltäter“ (S. 52) noch „der Menschenliebende“ (S. 158), wie Ellerbrock ‚übersetzt‘. Crassus zog nicht als Konsul gegen die Parther, Surenas kämpfte nicht mit seiner „private[n] Armee“ (S. 56). Cicero war 52 v.Chr. Statthalter in Kilikien, nicht in Syrien (S. 58). Artabanos II. schreibt nicht an den „Statthalter von Susa“ (S. 61), sondern an die beiden Archonten der Stadt, Antiochos und Phraates, sowie an die Polis (SEG 7, 1934, 1). Über den Verkauf der Osrhoene durch Pakoros II. berichtet Arrian (Parth. fr. 45 Roos), nicht Cassius Dio (so S. 64). Trajan nahm eine Tochter des Osroes, nicht des Vologeses (so S. 64) gefangen (HA Hadr. 13,8). Dass Parthamaspates vor dem Partherkrieg Trajans in Rom im Exil lebte (S. 65), weiß nur Ellerbrock.
6 Der Begriff marzbān ist auch und vor allem aus Zeugnissen aus der und über die (späte) Sāsānidenzeit bekannt (anders S. 129). Teleonike war zwar die Gattin Phraates’ III., ob sie aber seine „Schwester/Ehefrau“ war (so S. 133), wissen wir nicht; ihr Titel ist im Keilschrifttext (AD III Nr.-62, av. 1 vom Mai 62 v.Chr.) verloren. Der griechische Name lässt aber eher auf eine Herkunft der Frau aus einer hellenistischen Monarchie schließen. P. Dura 20 (nicht 10) stammt aus dem Jahr 121 (nicht 122, S. 136). Iason kam aus Tralleis (nicht Trailleis) und sang die Szene der Agaue (nicht der Agane, S. 163; vgl. Plut. Crass. 33, 3).
7 Während die „Weiterführende Literatur“ immerhin zwei Arbeiten von Josef Wiesehöfer anführt (Das antike Persien, Zürich 1994 und den von ihm herausgegebenen Sammelband Das Partherreich und seine Zeugnisse, Stuttgart 1998, wobei Wiesehöfer hier allerdings nicht als Herausgeber gekennzeichnet wird), fehlen alle Arbeiten von Józef Wolski (u.a. L’empire des Arsacides, Louvain 1993), Marie Louise Chaumont (u.a. Etudes d’histoire parthe, II: Capitales et résidences des premiers Arsacides, in: Syria 50, 1973, S. 197–222), Edward Dąbrowa (u.a. Studia Graeco-Parthica, Wiesbaden 2011), Marek J. Olbrycht (u.a. Parthia et ulteriores gentes, München 1998), Stefan R. Hauser (u.a. Die ewigen Nomaden? Bemerkungen zu Herkunft, Militär, Staatsaufbau und nomadischen Traditionen der Arsakiden, in: Burkhard Meißner u.a. [Hrsg.], Krieg – Gesellschaft – Institutionen, Berlin 2005, S. 163–208) und Charlotte Lerouge (u.a. L’image des Parthes dans le monde gréco-romain, Stuttgart 2007).
8 Es fehlen beispielsweise zudem Margarete Karras-Klapproth, Prosopographische Studien zur Geschichte des Partherreiches auf der Grundlage antiker literarischer Überlieferung, Bonn 1988; Oliver Linz, Studien zur römischen Ostpolitik im Principat, Hamburg 2009; Vesta Sarkhosh Curtis / Sarah Stewart (Hrsg.), The age of the Parthians, London 2007; Holger Sonnabend, Fremdenbild und Politik, Frankfurt am Main u.a. 1986; Karl-Heinz Ziegler, Die Beziehungen zwischen Rom und dem Partherreich, Wiesbaden 1964. Das Verzeichnis ignoriert also fast alles Wichtige, dafür besteht die letzte Seite zur Hälfte aus sieben spezielleren Arbeiten Winkelmanns (zwei davon noch im Druck).
9 Der „Historienschreiber Plinius“ (S. 69) spricht nur von 18 regna, nennt aber keine konkreten Regionen. Die von Ellerbrock und Winkelmann (S. 69) aufgeführten Regionen „Persis, Elymais, Mesene (Charakene), Hatra, Osrhoene, Adiabene, Media Atropatene und Hyrkanien“ finden sich (wortwörtlich!) nicht beim älteren Plinius, sondern bei Wiesehöfer, Persien, S. 198 (allerdings mit einem „vermutlich“ vor Hyrkanien). Dass die Gordyene in parthischer Zeit ein „Königreich“ war (S. 69 u. 75), ist nicht bezeugt. Der letzte bekannte König der Gordyene, Zarbienos, war Untertan des Tigranes von Armenien (Plut. Lucull. 21,2; 29,8). Zu Königen wurden die Abgariden in der Osrhoene erst zwischen 34/33 v.Chr. und 25 n.Chr. erhoben (nicht bereits 132 v.Chr., S. 71), vgl. Andreas Luther, Die ersten Könige von Osrhoene, in: Klio 81 (1999), S. 437–454, bes. 448–453. Die Kommagene liegt nicht in Mesopotamien (S. 72). Die Autoren schreiben (S. 76), dass in der Adiabene keine parthischen Münzen geprägt wurden; unerwähnt bleibt die Bronzeprägung des parthischen Vasallenkönigs Monobazos I. Bazaios von Adiabene aus dem Jahr 20/21 n.Chr., vgl. Dietrich O. A. Klose, Von Alexander zu Kleopatra. Herrscherporträts der Griechen und Barbaren, München 1992, S. 82, Nr. 151. Ob die Adiabene östlich des Tigris unter Trajan römische Provinz wurde (S. 77), ist in der Forschung umstritten, vgl. Udo Hartmann, Die Ziele der Orientpolitik Trajans, in: Robert Rollinger u.a. (Hrsg.), Interkulturalität in der Alten Welt, Wiesbaden 2010, S. 591–633, hier 616–622; unter Severus blieb sie jedenfalls ein parthischer Vasallenstaat (anders S. 77). Nach Ellerbrock und Winkelmann fehlen „Zeugnisse parthischer militärischer Eingriffe in die Persis“ (S. 82), sie übersehen dabei die Niederschlagung eines Aufstands in der Persis unter Vologeses V. (Chronik von Arbela S. 22–23 T / S. 41–42 Ü), vgl. Udo Hartmann, Ein Arsakide im Heer des Septimius Severus. Überlegungen zu den Hintergründen des zweiten Partherkrieges, in: Electrum 15 (2009), S. 249–266, hier 258–261.
10 Dura-Europos lag aber in der Provinz Syria (bzw. seit Severus in Syria Coele), nicht in Mesopotamia (S. 97). Die Stadt ist nicht bis 273 besiedelt gewesen (256 wurde sie zerstört). Ktesiphon wurde das dritte Mal nicht 201 (S. 103), sondern 197/98 von den Römern erobert.
11 Die „Hephthaliten und die Alttürken“ (S. 107) mussten die Parther allerdings noch nicht abwehren, diese machten erst ihren Nachfolgern, den Sāsāniden, zu schaffen.
12 Eduard Khurshudian, Die parthischen und sasanidischen Verwaltungsinstitutionen nach den literarischen und epigraphischen Quellen (3. Jh. v. Chr. – 7. Jh. n. Chr.), Jerewan 1998.
13 So gibt es keinen Beleg für einen „paygospan“ im Partherreich, nach Ellerbrock ein „Stadthalter eines Landes“ (sic!, S. 129); das Amt ist erstmals im Tatenbericht Šābuhrs I. bezeugt (ŠKZ pa. 3: ptykwspn, pādgōsbān, nach Huyse ‚Landvögte‘), über die Funktion des Beamten in frühsāsānidischer Zeit wissen wir nichts. Auch die Titel kanārang und spāhbed sind für die Parther nicht belegt (vgl. Khurshudian, Verwaltungsinstitutionen, S. 73 u. 147), was Ellerbrock (S. 129f.) nicht erwähnt (während er dies bei den ausführlich mit ihren Aufgaben beschriebenen Ämtern des hazārbed und des niwēdbed immerhin einräumt, S. 129). Dass parthische Satrapen nur „in Verbindung mit Weinbergen erwähnt“ werden (S. 130), ist Unsinn (vgl. nur Sen. epist. 21,4; Ios. ant. Iud. 14,13,3/330; Cass. Dio 40,30,2; Herodian. 3,1,2; Satrapenstele von Susa von 215, Walter B. Henning, The monuments and inscriptions of Tang-i-Sarvak, in: Asia Major N. S. 2.2, 1952, S. 151–178, hier 176); gemeint ist wohl, dass der Titel xšahrap in den Nisa-Dokumenten im allgemeinen im Kontext von Weinbergen genannt wird. Auch kann aus den Nisa-Dokumenten nicht geschlossen werden, dass parthische Satrapen generell nur kleine Bezirke verwalteten. Mit „divandpir“, dem „Chef der Reichskanzlei“ (S. 130), ist wohl der dipīrpat (dpyrpty), der ‚Hauptschreiber‘, der Nisa-Dokumente gemeint (vgl. z.B. Nisa 1543 von 15 v.Chr.).
14 Seine ausführliche Diskussion zum medizinischen „Wissen in parthischer Zeit“ (S. 147–149) beginnt Ellerbrock daher auch mit der Einschränkung: „Aus parthischer Zeit sind aus Parthien selbst keine Zeugnisse über medizinisches Wissen bekannt, […]“ (S. 147).
15 Isidor von Charax berichtet allerdings nicht über „fest eingerichtete Zollhäuser“ (S. 172), sondern nur über einen Ort in Obermedien namens Bazigraban, wobei er noch hinzufügt: „ho esti telonion“ (Mans. Parth. 6). Er nennt hier wohl keine Zollstation, deren Funktion mitten in Medien auch ungewöhnlich wäre, sondern gibt mit dem Ausdruck telonion offenbar nur eine griechische Übersetzung des iranischen Ortsnamens. Über den parthischen Zoll wissen wir mithin nichts.
16 Einen „Eran-Spahbed“ (S. 186) hat es allerdings in der Partherzeit noch nicht gegeben, er ist erst unter den Sāsāniden bezeugt (zumal auch die Konzeption von Ērān erst von den Nachfolgern der Arsakiden entwickelt wurde).
17 Zu einem kritischen Urteil kommt in seiner Rezension auch Erich Kettenhofen in: Frankfurter elektronische Rundschau zur Altertumskunde 19 (2012), S. 29–33 (<http://s145739614.online.de/fera/ausgabe19/Kettenhofen.pdf>); hier werden zudem weitere Fehler, Widersprüche und Ungenauigkeiten aufgeführt.

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