: Making the European Monetary Union. . Cambridge, Ma. 2012 : Harvard University Press, ISBN 978-0-674-06683-0 567 S. € 28,60

: A Europe Made of Money. The Emergence of the European Monetary System. Cornell 2012 : Cornell University Press, ISBN 978-0-8014-5083-9 359 S. € 46,77

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Hubert Zimmermann, Lehrstuhl Internationale Politik, Universität Marburg

Die Eurokrise lässt die Geschichte der Europäischen Währungsunion in ganz neuem Licht erscheinen. Was früher als Erfolgsgeschichte eines visionären Projekts, welches gegen alle Vorhersagen umgesetzt wurde, erzählt werden konnte, muss nun wohl eher als Analyse eines zwar realisierten, aber mit fundamentalen Fehlern behafteten Prozesses analysiert werden. Die beiden hier besprochenen Bücher von Harold James (Princeton) und Emmanuel Mourlon-Druol (University of Glasgow) interpretieren zentrale Ereignisse und Institutionen der europäischen Währungsgeschichte und geben somit wertvolle Hinweise auf die Ursachen für die unvollständige Realisierung der Wirtschafts- und Währungsunion.

Harold James, einer der bedeutendsten Wirtschaftshistoriker unserer Tage, beleuchtet die Vorgeschichte der Währungsunion aus dem Blickwinkel des 1964 gegründeten Komitees der Zentralbankchefs der beteiligten Länder. Dieses Komitee, welches bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel tagte, spielte eine zentrale Rolle in den politischen Prozessen, die zur gemeinsamen Währung führten. Für seine Studie, die von der Europäischen Zentralbank und der BIZ in Auftrag gegeben wurde, hatte James exklusiven Zugang zu den Akten des Komitees bis 1993, sowie zu den Archiven beteiligter Notenbanken.

Sein zentrales Argument ist, dass die Währungsunion eine Reaktion auf fundamentale Ungleichgewichte im internationalen Währungssystem war, dass sie aber gleichzeitig ein aus politischen Gründen unvollendetes Projekt darstellte. Das Komitee der Zentralbankchefs spielte in diesem Prozess laut Harold James eine entscheidende Rolle. Es wurde gegründet als Forum, in dem die weit auseinanderklaffenden Standpunkte der europäischen Zentralbanken zu transatlantischen und innereuropäischen Währungsungleichgewichten diskutiert werden sollten. Die neue Institution spielte schnell eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Zahlungsbilanzschwierigkeiten, insbesondere bei der Ausarbeitung der technischen Maßnahmen. Die politisch brisanteren Fragen wurden im Währungskomitee der EG (Monetary Committee of the EC; MC) verhandelt, in dem die Finanzministerien die Oberhand besaßen. Die im Wesentlichen beratende Funktion des CoG änderte sich auch nicht während der Turbulenzen in den letzten Jahren des Bretton Woods Systems. So hatte das CoG, wie auch von Mourlon-Druol gezeigt, bei der Entstehung des EWS nur eine Nebenrolle. Allerdings etablierte sich das Komitee im Laufe der von Harold James im Detail aus den Quellen rekonstruierten Beratungen über die Jahre hinweg zu einem Gremium, welches immer mehr die intellektuelle Meinungsführerschaft über die künftige Gestalt einer europäischen Währung gewann. Als es nach der Etablierung des EWS und insbesondere mit der Arbeit im Delors Komitee über die Europäische Währungsunion „ernst“ wurde, hatten sich die Zentralbankgouverneure als entscheidende Akteure etabliert: In der Sprache der Politikwissenschaften formten sie eine höchst einflussreiche „epistemische Gemeinschaft“. Dort wo Einigkeit erzielt werden konnte, bei der Währungskomponente der Wirtschafts- und Währungsunion, reflektierte das Ergebnis den inzwischen erreichten Grundkonsens über die überragende Bedeutung einer durch unabhängige Zentralbanken abgesicherten Währungsstabilität. Die kontroverse wirtschaftspolitische Koordination wurde dagegen, wie bekannt, weitgehend ausgeklammert. Diese Themen wurden auch vom CoG als zu politisch betrachtet (S. 380). James zeichnet in der zweiten Hälfte des Buchs detailliert nach, wie es zu diesem zentralen Geburtsfehler des Euro kam. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Prozess analysiert wird, aber der Fokus auf die Zentralbanken fügt der bisherigen Historiographie eine wertvolle Perspektive hinzu. Für Nicht-Eingeweihte ist das Narrativ teilweise schwer nachzuvollziehen, da letztlich das CoG nur ein einzelner Akteur eines komplexen Prozesses war und die entscheidenden politischen Impulse von außen kamen. Spezialisten der europäischen Währungsgeschichte werden allerdings der Schilderung der Beratungen der Zentralbankakteure viele neue Gesichtspunkte entnehmen können.

Während sich die Studie von Harold James auf die detaillierte Auswertung der archivalischen Bestände einer Institution konzentriert, analysiert Mourlon-Druols „A Europe Made of Money“ auf der Basis einer umfassenden, multinationalen Archivrecherche die Vorgeschichte des Europäischen Währungssystems (EWS). Der Autor argumentiert, dass die Entstehung des EWS keinesfalls als ad-hoc Prozess verstanden werden kann, etwa als Reaktion auf die berühmte Rede des Kommissionspräsidenten Roy Jenkins Ende 1977 in Florenz. Sie war vielmehr das Resultat von wirtschaftspolitischen Entwicklungen und währungspolitischen Planungen, die auf den Lehren des gescheiterten Werner-Plans von 1970 aufbauten. Die Jahre zwischen diesem ersten ernsthaften Versuch, eine gemeinsame europäische Währung zu schaffen, und der Errichtung des EWS 1979 werden detailliert und aus einer Vielzahl von Perspektiven beschrieben. Die zentralen Akteure aus beinahe allen beteiligten Ländern und Institutionen kommen ausgiebig in Zitaten aus Originalquellen zu Wort. Mourlon-Druol, dessen Buch auf seiner Dissertation am Europäischen Hochschulinstitut, Florenz, beruht, versucht auch den Anschluss an prominente politikwissenschaftliche Erklärungen des monetären Integrationsprozesses herzustellen. Dieses Bemühen war sicher ausschlaggebend dafür, dass diese historische Studie Aufnahme in die führende politikwissenschaftliche Reihe zur internationalen Währungspolitik, herausgegeben von Cornell University Press, gefunden hat. Das Buch zielt nicht nur darauf ab, alle relevanten Akteure und Akteursgruppen zu Wort kommen zu lassen, sondern greift auch die Gesamtheit der verfügbaren theoretischen Perspektiven zu diesem Thema auf. Dies erlaubt es dem Autor, ein facettenreiches Bild zu zeichnen, bringt aber auch die Gefahr einer gewissen Beliebigkeit mit sich: „one of my central themes is the complex interlinkage between domestic politics, economic policy, international developments, institutional issues, economic thought, and even apparently remote topics such as defense issues and memory“. (S. 7) Studien, die zu viel erklären wollen (und das Zitat repräsentiert nur ein Element der verkündeten Ambitionen) enden oft im Gegenteil. Es geht in der Historiographie zu dieser Thematik ja nicht mehr vor allem darum, die in großen Zügen bekannte Geschichte der Währungsunion nachzuzeichnen, sondern die überzeugendste Interpretation dieses Prozesses zu erarbeiten. Natürlich war alles irgendwie wichtig, aber den Leser interessiert vor allem, welche Faktoren letztlich entscheidend für das Zustandekommen des EWS waren. Letztlich kann die Studie im begrenzten verfügbaren Raum nicht den enzyklopädischen Anspruch der Einleitung einlösen. Allerdings legt das Fazit dann doch zwei Elemente nahe, die besonders wichtig für den untersuchten Prozess waren. Dies ist zum einen, durchaus in Einklang mit Harold James, die Bildung einer transnationalen Elite in Währungsfragen seit den Verhandlungen um den Werner-Plan, und zum zweiten die Institutionalisierung des Europäischen Rats seit 1974. Die transnationale Elite, die sich aus Funktionären und Akademikern zusammensetzte, traf sich immer wieder in den zahlreichen Gremien der europäischen Währungskooperation (S. 264). Nach einiger Zeit formierte sich dann in diesem Personenkreis ein währungspolitischer Grundkonsens, der sich eng an das erfolgreiche Beispiel der deutschen Bundesbank anlehnte. Eine zentrale politische Konstante war die Überzeugung, dass jedes Land für die Folgen seiner Wirtschaftspolitik weiterhin selbst verantwortlich sein musste (S. 266): die europäische Währungskooperation hatte einen intergouvernementalen Charakter. Diese gemeinsame Basis an Überzeugungen führte allerdings erst dann zur innovativen Lösung in Form des EWS, als mit dem Europäischen Rat ein Instrument zur erfolgreichen Durchsetzung neuer Ideen geschaffen war. Die dominanten Persönlichkeiten im Rat waren der französische Staatspräsident Valery Giscard d’Estaing und der deutsche Kanzler Helmut Schmidt. Die Ursprünge ihrer Kooperation und die französischen Initiativen für einen Neustart der Währungskooperation bilden den Fokus der ersten Kapitel. Die Wechselbeziehungen zwischen detaillierten Plänen für die Währungszusammenarbeit, wie das Fourcade-Memorandum von 1974 oder der Duisenberg-Plan von 1976, mit den politischen Debatten werden präzise nachgezeichnet. Diese Pläne, in vielen technischen Komitees und Gremien diskutiert, waren kein völliger Neustart, sondern von vorherigen Ideen stark geprägt. So war letztlich auch das EWS keine revolutionäre Konstruktion, wie Mourlon-Druol argumentiert, sondern eine Weiterentwicklung schon bestehender Ideen. Insgesamt ist das Buch eine wertvolle Ergänzung der bisherigen Literatur zum EWS, insbesondere durch die multi-archivische Perspektive und die detaillierte Auswertung der politischen Kontroversen, die sich hinter der komplexen Terminologie der währungspolitischen Debatte in den transnationalen Expertengremien verbargen. Beide Bücher sind unverzichtbar für das Verständnis der europäischen Währungskooperation in den 1970er-Jahren.

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