Cover
Titel
Medienkultur. Die Kultur mediatisierter Welten


Autor(en)
Hepp, Andreas
Reihe
Medien - Kultur - Kommunikation
Erschienen
Anzahl Seiten
174 S.
Preis
€ 16,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Richard Münch, Fachbereich Soziologie, Universität Bamberg

Wir leben in einer mediatisierten Welt, die eine eigene Kultur schafft, nämlich eine Medienkultur. Das ist der Leitsatz jeglicher Medienforschung heute. Diesem Leitsatz ist das Buch von Andreas Hepp gewidmet. Es geht ihm in diesem, einschließlich Literaturverzeichnis und Register 174 Seiten umfassenden Buch, um eine Skizzierung der begrifflichen, theoretischen und methodischen Instrumente, mit denen sich die mediatisierten Welten der Medienkultur untersuchen lassen.

Nach der Einführung in die Thematik wird in Kapitel zwei erläutert, was Medienkultur ist und nicht ist. Sie ist omnipräsent, aber nicht gleichzusetzen mit der Massenkultur, wie sie paradigmatisch von Adorno und Horkheimer in ihrer Dialektik der Aufklärung beschrieben wurde. Die Medienkultur ist nicht so standardisiert wie von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer dargestellt, sie ist offen, komplex und widersprüchlich. Die Medienkultur wird durch Medien geprägt, es ist aber zu einfach, die Geschichte als eine Abfolge von Leitmedienkulturen, zum Beispiel von der Oralität zum Druck und zu den elektronischen Medien, zu begreifen. Die Medien konstruieren Wirklichkeit, dies geschieht jedoch in je spezifischer Form in den verschiedenen Lebenswelten, Feldern oder Funktionsbereichen der Gesellschaft. Die Medienkultur ist „wirklichkeitskonstitutiv“, dennoch fungiert sie nicht als ein übergreifendes Integrationsprogramm, weil sich die Wirklichkeitskonstitution jeweils als mediale Konstruktion verschiedener Welten vollzieht. Die mediatisierte Welt der Politik ist eine andere Welt als die mediatisierten Welten des Rechts, der Wissenschaft, der Kunst et cetera. Die Medienkultur ist hochgradig technisiert, aber nicht gleichzusetzen mit der Cyberkultur. Letztere ist nur eine unter den verschiedenen mediatisierten Welten.

Kapitel drei beschäftigt sich gezielt mit der Frage, was unter „Mediatisierung von Kultur“ zu verstehen ist. Es handelt sich um eine Form der Vermittlung. Durch mediale Kommunikation wird dem Leser, Hörer oder Zuschauer zum Beispiel vermittelt, was Politik ist, was beim Rettungsschirm für den Euro politisch verhandelt wird, welche politischen Folgen ein Auseinanderbrechen der Eurozone hätte. Es wird vermittelt, wie die Schwimmwettbewerbe bei den Olympischen Spielen ablaufen, warum die chinesischen Schwimmerinnen so schnell sind. Es wird vermittelt, welche Probleme die deutschen Universitäten bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses haben, warum Professoren und Studierende darüber klagen. Es wird vermittelt, was man wo studieren kann und wie einzelne Fachbereiche im Ranking positioniert sind. Es wird vermittelt, wie, mit welchem Erfolg und welchen Begleiterscheinungen die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft spielt, wie der Bundestrainer die Mannschaft aufstellt und welche Erfolge und Misserfolge er dabei erreicht. In „Waldis Club“ werden darüber im Fernsehen Stammtischdebatten geführt. Die Spieler werden bewertet, gelobt und kritisiert. Es handelt sich jeweils um mediale Konstruktionen der politischen, akademischen und sportlichen Realität. Die Darstellung der politischen, akademischen und sportlichen Ereignisse geschieht mit den Instrumenten der Medien, mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit der Leser, Hörer oder Zuschauer zu gewinnen. Die Ökonomie der Aufmerksamkeit ist dabei von entscheidender Bedeutung. Mediale Realitätskonstruktionen folgen einer Medienlogik, die maßgeblich durch die Nachrichtenfaktoren bestimmt wird. Das sind Faktoren, die sicherstellen, dass eine Nachricht bzw. eine Darstellung als neu und interessant erscheint und Aufmerksamkeit auf sich zieht. Weil die mediale Durchdringung aller Lebensbereiche in unserer Gegenwart zu einem dominanten Faktor der Realitätskonstruktion geworden ist, kann nach Friedrich Krotz übergreifend von Mediatisierung als Metaprozess und nach Bruno Latour von Mediatisierung als Panorama gesprochen werden.

Kapitel vier stellt die Medienkultur als Kultur mediatisierter Welten dar. Dazu wird auf eine Reihe von elementaren Analysekonzepten zurückgegriffen. Es geht zunächst um das Konzept der Medienkultur selbst. Hierbei tritt die Translokalität der Medienkultur in den Vordergrund, das heißt das Gemeinsame der medialen Realitätskonstruktion, unabhängig von Ort und Funktionsbereich der Gesellschaft. Mediatisierte Welten werden im Anschluss an Alfred Schütz und Thomas Luckmann als Wirklichkeitskonstruktion verstanden. Um sie zu verstehen, muss man untersuchen, wie diese Wirklichkeit konstruiert wird. Zu berücksichtigen sind dabei die Netzwerke und Figurationen der Kommunikation, in denen sich die mediale Wirklichkeitskonstruktion vollzieht.

Im fünften Kapitel werden die Formen der Vergemeinschaftung heutiger Medienkulturen behandelt. Mediatisierte Kulturen forcieren Translokalität, die jedoch die lokale Verwurzelung des Alltagslebens nicht zum Verschwinden bringt, sondern durchdringt und verändert. Sie deterritorialisieren, ohne territoriale Grenzziehungen aufzuheben. Die subjektiven Gemeinschaftshorizonte entwickeln sich im Spannungsfeld von Lokalität und Translokalität, Territorialität und Deterritorialisierung.

Kapitel sechs entwickelt Leitlinien für die Erforschung der Medienkultur. Erforderlich ist die Entwicklung von Theorien, wobei die Präferenz bei materialbasierten Methoden der Theorieentwicklung liegen sollte. Theorien sollen aus der Empirie heraus am Untersuchungsmaterial entwickelt werden. Es soll untersucht werden, wie die Nutzung bestimmter Medien als kommunikativ zentral konstruiert wird. Ebenso sollen die Prozesse analysiert werden, durch die Medienkommunikation den Zugang zu den Medienkulturen bestimmt. Der Autor nennt dieses Verfahren „de-zentrieren“. Weiterhin gehören zum methodischen Instrumentarium die Bestimmung von Mustern der Medienkommunikation und der transkulturelle Vergleich.

Ein Ausblick auf weitere Forschung schließt das Buch ab. Das Verdienst dieser kompakten Darstellung der Medienkultur ist die Beleuchtung des Phänomens mediatisierter Welten mithilfe einer Vielzahl von Analyseinstrumenten unterschiedlichster Autoren. So entsteht ein facettenreiches Bild der Medienkultur. Der Leser wird an die entsprechende Literatur herangeführt und neugierig gemacht. Er kann nach Bedarf anhand der Literatur einen Aspekt tiefer ausleuchten. Die Lektüre des Buches schützt vor Vereinfachungen und Einseitigkeiten. Es macht deutlich, wie komplex sich der Prozess der Mediatisierung der Welt darstellt. Allerdings verliert sich die Darstellung stellenweise in den herangezogenen Beiträgen aus der Literatur.

Das Buch beschäftigt sich ausdrücklich mit dem begrifflichen, theoretischen und methodischen Instrumentarium zur Analyse der Medienkultur. Das heißt, es ist weitgehend eine Trockenübung und will als solche verstanden werden und durchgestanden sein. Das Buch muss als Trockenübung gewollt werden, um hilfreich zu sein. Wer es so will, findet eine facettenreiche Darstellung unterschiedlichster Instrumente zur Analyse mediatisierter Welten.

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