A.B. Bosworth: Legacy of Alexander

Cover
Titel
The legacy of Alexander. Politics, warfare, and propaganda under the successors


Autor(en)
Bosworth, Albert B.
Erschienen
Anzahl Seiten
307 S.
Preis
£ 42,50 (Hardback)
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sabine Müller, Geschichts- und Kulturwissenschaften, Justus-Liebig-Universität Gießen

Mit "The legacy of Alexander" legt der renommierte Gräzist und Alexanderhistoriker Albert Brian Bosworth nach einem zweibändigen Kommentar und einer monografischen Analyse zu Arrians Anabasis, zahlreichen grundlegenden Aufsätzen zur Geschichte Alexanders, zwei bedeutenden Alexandermonografien und der Mitherausgeberschaft des Aufsatzbandes "Alexander the Great in fact and fiction" 1 ein Werk vor, das sich mit den drei Dekaden nach Alexanders Tod im Jahr 323 v.Chr. beschäftigt. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei die Formation der Monarchien der Seleukiden und Antigoniden in den Jahren 318 bis 311 v.Chr. Wie im Vorwort angekündigt handelt es sich um den Vorreiter eines größeren Projektes einer allgemeinen Geschichte der Diadochenzeit.

Als Ausgangspunkt erörtert Bosworth in der Einleitung seine sehr plausible These, dass die thematisierte Zeitspanne entgegen der allgemeinen Forschungsmeinung, sie sei von "decline and desintegration" (S. 1) geprägt, eher als "one of creation rather than desintegration" (S. 2) betrachtet werden kann, da der Prozess des Zerfalls schon vor Alexanders Tod eingesetzt habe und durch sein Ableben lediglich beschleunigt worden sei. Bosworths früh angesetzte Datierung des Verfallsprozesses des Alexanderreiches in Folge des Indienzuges lässt sich durch die Aussagen von Arrian und Plutarch belegen.2 Die These der Gegenwartsgebundenheit von Alexanders Autorität wurde bereits in einer neueren Untersuchung Blackwells am Beispiel des Harpalosfalles ausführlich erörtert.3

Ausgehend von dieser Prämisse schließt Bosworth einen kurzen historischen Abriss der turbulenten Jahre zwischen 323 und 318 und eine fundierte Analyse der Quellenlage an, wobei er insbesondere die Bedeutung von Diodor betont, dem die Berichte des Zeitgenossen und Freundes von Eumenes, Hieronymos von Kardia, zugrunde lagen.

Im zweiten Kapitel werden die Regelungen nach Alexanders Tod in Babylon thematisiert, wobei der Fokus auf den Machtkonstellationen und politischen Gruppierungen der Generäle Alexanders mit den Machtzentren um den Chiliarchen Perdikkas in Babylon, Krateros in Kilikien und Antipater in Makedonien liegt. Bosworth legt überzeugend dar, dass der Terminus "Babylon settlement" in der englischsprachigen Forschung zu Unrecht kursiere, da es sich vielmehr um einen komplizierten Prozess politischen Taktierens der verschiedenen Fraktionen in Babylon gehandelt habe: "In fact there was constant intrigue, constant negotiation, and constant compromise" (S. 32).

In einer sorgfältigen Analyse beschäftigt sich Bosworth mit der Akklamation von Alexanders Halbbruder Philipp Arrhidaios durch die makedonische Heeresversammlung und setzt sich dabei mit Curtius' Überlieferung im zehnten Buch und der aktuellen Forschungsdebatte um die Problematik der Authentizität auseinander. Bosworth erkennt Spuren ptolemäischer Propaganda in Curtius' Bericht und bewertet die römische Prägung seiner Schrift in differenzierter Weise. Seinem Verweis auf eine Untersuchung McKechnies, der Curtius als unglaubwürdige Quelle abqualifiziert,4 ist jedoch entgegenzusetzen, dass diese These zu Recht von Carney angefochten wurde.5

Klarsichtig beurteilt Bosworth die einzigartige Situation als Schlüsselproblem, dem sich die makedonische Heeresversammlung zu stellen hatte, eine Lage ohne Präzedenzfall, für die es keine festgelegte konstitutionelle Regelung gab. Zum ersten Mal gab es ein Reich in Übersee und anstatt eines designierten Nachfolgers aus der Argeadendynastie eine größere Zahl potentieller Nachfolger, "an oversupply of potential kings" (S. 29), die sich in ziemlicher Chancengleichheit um die Krone stritten.

Im dritten Kapitel geht Bosworth in einer minuziösen Untersuchung der Frage der Heereszahlen nach Alexanders Tod als "main social issue" nach und nimmt dabei auf seine These aus dem Jahr 1986 Bezug, Alexander habe mit seinen Kriegszügen die militärischen Ressourcen in Makedonien in einem solchen Maße erschöpft, dass er damit eine tote Generation verantwortet und das Land dem Verfall anheim gegeben habe.6 Die von Hammond, Badian und Billows angefochtene These wird von Bosworth, der auch in seinen jüngsten Veröffentlichungen seinem negativ geprägten Alexanderbild als eines erobernden Zerstörers treu bleibt,7 insofern leicht revidiert, als er zurücknimmt, dass Alexanders Generation eine tote Generation gewesen sei (S. 94). In einer Analyse der militärischen Situation der makedonischen Armee von 323 bis 319, anknüpfend an die Vorgeschichte der von Diodor überlieferten Zahlen von Alexanders Heer 334 beim Übergang über den Hellespont,8 kommt Bosworth zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Mehrzahl der Soldaten unter Antipater und Alexander keine Makedonen gewesen seien (S. 66-67), eine These, die sicherlich diskutiert werden wird. Als Gesamtergebnis konstatiert Bosworth, dass Makedonien im Jahre 323 in militärischer Hinsicht im Vergleich zur Situation 336 geschwächt war und die Dominanz der Zeit von Chaironeia nie mehr zurückerlangte, wozu auch die Diadochenkriege beitrugen.

Im vierten Kapitel legt Bosworth die erste detaillierte Studie vor, die sich mit dem politischen Kontext des militärischen Konfliktes zwischen Eumenes von Kardia und Antigonos Monophthalmos, mit ihren zwei Schlachten im Iran im Winter 317/16 sowie "the political aftermath" (S. 159-168) beschäftigt und dabei auch die Probleme thematisiert, die sich aus den klimatischen Bedingungen einerseits und der Heterogenität der Truppen andererseits für die Heerführer ergaben. Anschaulich schildert er die realpolitische Lage einer ständigen Rivalität und Bedrohung auch der miteinander verbündeten Diadochen, deren Praxis es war, erst einen Pakt zu schließen und dann gegeneinander zu intrigieren. Als treibende Kraft der politischen Manöver sieht Bosworth das Motto Achills, dem sich bereits Alexander verschrieben hatte, "to excel and prove superior", und folgert: "and to achieve that end all manners of intrigue, including forgery, perjury, and judicial murder, was acceptable" (S. 168).

Im fünften Kapitel widmet Bosworth sich einer kritischen Betrachtung der Hauptquelle zur Zeitspanne nach Alexanders Tod, Hieronymos von Kardia, überliefert durch Diodor. Anhand von zwei ethnografischen Exkursen in Hieronymos' Werk, einerseits über indische Heiratsbräuche und die Witwenverbrennung, andererseits über die Sitten der arabischen Nabatäer, schlüsselt er überzeugend und anschaulich auf, dass hinter den farbenfrohen, exotischen Einschüben zeitgenössische politische Bezüge und eine handfeste Propaganda im Dienste der Diadochen standen. "The blend of factual reportage and interpretatio Graeca" (S. 187) diene der moralischen Lehre, Hieronymos sei es mehr um politische Moral und die Gegenwart als um die Ethnographie fremder Völker gegangen. Seine Unterhaltung berge stets eine politische Botschaft mit kritischer Perspektive: "What emerges from this study is a more complex, sophisticated historian than we might have assumed." (S. 208)

Mit den Hintergründen des Aufstiegs von Alexanders Hypaspistenführer und Perdikkas' Chiliarchen Seleukos in den Jahren 316 bis 305 beschäftigt sich Bosworth im sechsten Kapitel, gemäß seiner Ansicht "the most spectacular phenomenon of the period of the Successors" (S. 210), das niemals wirklich in der Forschung geklärt worden sei. Bosworth zeigt auf, wie es Seleukos gelang, sich dank der ihm zugewiesenen Satrapie Babylonien als seiner Machtbasis trotz seiner Position an der Peripherie zu einem Faktor zu entwickeln, mit dem die Diadochen zu rechnen hatten, "making Babylonia practically an independent principality" (S. 211). In seiner wechselnden Bündnispolitik spiegelt sich das strategische Taktieren wider, das für Alexanders Nachfolger charakteristisch war.

In einer Rekonstruktion der Chronologie, "admittedly a wholly speculative construction" (S. 222), anhand der umfassenden Kenntnis von babylonischen sowie griechischen Quellen deckt Bosworth auf, dass sich die Überlieferungen entgegen der gängigen Forschermeinung nicht widersprechen, sondern sich auf unterschiedliche Zeitpunkte beziehen (S. 225). In einer Widerlegung von Winnickis Datierung der Entscheidungsschlacht von Gaza 9 hebt Bosworth das bisher als allgemein gültig postulierte Datum, den Herbst 312, aus den Angeln und schlägt den früheren Zeitpunkt April 312 vor (S. 229). Seleukos' Bedeutung sieht er darin, dass er dank seiner im Ostiran etablierten Macht Lysimachos, Kassander, Ptolemaios und Antigonos, die sich im Frieden von 311 mit ihren erworbenen Positionen arrangierten, ebenbürtig wurde: "He was now a dynast alongside the other four [...]" (S. 245).

Im abschließenden und wichtigsten Kapitel beschäftigt sich Bosworth mit dem Charakter der hellenistischen Monarchie und ihrer Legitimation und geht anhand der Beispiele von Demetrios und Lysimachos der These von Austin nach, dass Erfolg und die Fähigkeit, durch reiche Kriegsbeute Wohltätigkeit zu demonstrieren, die notwendige Bedingung für das Königtum gewesen sei.10 Bosworth argumentiert anhand der historischen Beispiele überzeugend, dass die Thematik weitaus komplexer ist und sich zu Erfolg, Wohltätigkeit und der Herrschaft nach geltendem Recht vor allem ein Faktor gesellen musste: "It was first and foremost the heroic ethos that mattered" (S. 278).

Wie wichtig das Vorbild Alexanders für die Diadochen bei ihrer Herrschaftsetablierung war, wird in allen Kapiteln deutlich, die legitimierende Wirkung der imitatio Alexandri zieht sich wie ein roter Faden durch Bosworths Werk und wird anhand zahlreicher Beispiele manifestiert: Krateros adaptierte Alexanders Königstracht, für Lysimachos war seine Position als Somatophylax Alexanders legitimierend, Peukestas war für die Diadochen ein unangenehmer Konkurrent, da er sich darauf berufen konnte, Alexander in der Mallerstadt das Leben gerettet zu haben, Eumenes rief Alexander als geistigen Führer seines militärischen Unternehmens an und betonte in kritischen Situationen Parallelen zu seinem Schicksal und Antigonos imitierte in der Entscheidungsschlacht gegen Eumenes Alexanders Taktik von Gaugamela.

Bosworth hinterfragt die Politik der Diadochen, gelangt zu neuen und plausiblen Ergebnissen und schlüsselt auf fundierte Weise auf, in welchem Ausmaße die Autorität und Machtstellung der Diadochen von ihrer Beziehung zu Alexander und der Propagierung der imitatio des Eroberers abhängig waren. "The legacy of Alexander" zeichnet den politischen Charakter der Epoche nach Alexanders Tod treffend und einleuchtend nach und kann als ein neues Standardwerk zu dieser Thematik betrachtet werden.

Anmerkungen:
1 Bosworth, A. B.: A historical commentary on Arrian's history of Alexander. Vol. I. Commentary on books I-III, Oxford 1980; A historical commentary on Arrian's history of Alexander. Vol. II. Commentary on books IV-V, Oxford 1995; From Arrian to Alexander. Studies in historical interpretation, Oxford 1988; Conquest and empire. The reign of Alexander the Great, Cambridge 1988; Alexander and the East. The tragedy of triumph, Oxford 1998; Alexander the Great in fact and fiction, hrsg. v. A. B. Bosworth; E. J. Baynham, Oxford 2000.
2 Plut. Alex. 68,2-3; Arr. an. 7,4,2-3.
3 Blackwell, C. W.: In the absence of Alexander. Harpalus and the failure of Macedonian authority, New York 1999.
4 McKechnie, P.: Manipulation of themes in Quintus Curtius Rufus book 10, in: Historia 48 (1999), S. 44-60. "Curtius is a thoroughly bad source [...] Scholars should believe nothing in Curtius book 10 which is not confirmed in another source [...]" (S. 60).
5 Carney, E. D.: The trouble with Philipp Arrhidaeus, in: AHB 15 (2001), S. 63-89. "McKechnie's arguments are interesting but generally unpersuasive." (S. 68).
6 Bosworth, A. B.: Alexander the Great and the decline of Macedon, in: JHS 106 (1986), S. 1-12. "For Macedonia proper the generation of Alexander was literally a dead generation. Within three years the king had removed over 30,000 men in their prime and removed them totally." (S. 9).
7 Anzuführen ist Bosworths Vergleich zwischen Alexander und Cortés: Bosworth 1998 (wie Anm. 1), S. 159-164.
8 Diod. 17,17,3-5.
9 Winnicki, J. K.: Militäroperationen von Ptolemaios I. und Seleukos I. in Syrien in den Jahren 312-311 v. Chr., in: Ancient Society 20 (1989), S. 55-92.
10 Austin, M. M.: Hellenistic kings, war, and the economy, in: Classical Quarterly 36 (1986), S. 450-466.

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