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Titel
Epigraphic evidence. Ancient history from inscriptions


Herausgeber
Bodel, John
Erschienen
London u.a. 2001: Routledge
Anzahl Seiten
XXVI, 246 S.
Preis
£ 14,99 / $ 24,95
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Renate Lafer, Abteilung für Alte Geschichte, Institut für Geschichte, Universität Klagenfurt

Die vorliegende Publikation versteht sich als einführende Darstellung in den Bereich der Epigraphik mit einer Beschränkung auf die griechischen und lateinischen Inschriften. Es ist dies der zehnte Band aus der Reihe "Approaching the Ancient World", die sich eine Auseinandersetzung mit den Quellen zur Antike zum Ziel gesetzt hat. Bereits aus dem Untertitel "Ancient history from inscriptions" kann man erkennen, dass es sich hier um keine gewöhnliche Einführung in die Epigraphik handelt; denn obgleich diese Studie für Nichtspezialisten geschrieben ist, zeigt sie sich von einer anderen Seite als die bisherigen Veröffentlichungen dieser Art: Die einzelnen Kapitel folgen keinem systematischen Schema, sondern sind nach Gesichtspunkten der Wirtschafts-, Sozial- und Alltagsgeschichte aufgebaut. In jedem der von einzelnen Experten verfassten sechs Kapitel werden die Problematik nebst einzelnen Inschriftbeispielen besprochen. So wird zusätzlich zu einem guten Einblick in die Materie auch eine große Lebendigkeit durch die Vorstellung der vielen Originalquellen vermittelt.

Im ersten Kapitel ("Epigraphy and the ancient historian"), das vom Herausgeber der Studie, John Bodel, selbst verfasst wurde, geht es um methodologische Fragestellungen. Dieser Beitrag soll den Leser zunächst in die Materie einführen, weshalb er auch der in seiner Seitenzahl längste ist. Nach Erläuterungen von Definition und Zweck wird zunächst auf die geographische und zeitliche Verteilung von lateinischen Inschriften eingegangen; dasselbe wird dann für den griechischen Bereich gemacht. Wichtige Fragen wie "Wie viele Leute konnten überhaupt lesen und schreiben" oder "Welche Symbolkraft konnten Inschriften vermitteln" werden hier ebenfalls diskutiert. Der Autor weist zudem auf die Vielfalt der Inschriften hin und spricht das Problem von Fälschungen und der gebotenen Vorsicht bei der Datierung an. Das Hauptaugenmerk wird hier auf den lateinischen Bereich gelegt, was dann auch bei den übrigen Beiträgen fortgesetzt wird.

Maryline Parca geht im zweiten Kapitel ("Local languages and native cultures") der Frage nach, wie sich lokale, einheimische Sprachen und Dialekte in den Inschriften niederschlagen. In einer selektiven Auswahl wird hier der Bogen von Griechenland über Ägypten, Großbritannien, Gallien und wieder zurück über Afrika nach Palmyra gespannt. Als Beispiele nennt Parca unter anderem die in griechisch verfassten und dem religiösen Bereich zuzurechnenden proskynemata aus Ägypten, die noch einen starken ägyptischen Zusammenhang deutlich werden lassen, sowie die fast 200 ostraka aus dem Militärlager Bu Njem (Tripolitanien) und die bekannten Holztäfelchen aus dem Lager Vindolanda (Britannien), die jeweils starke Spuren des einheimischen Elementes erkennen lassen; die Fluchtafeln aus Bath, in denen insbesondere die britischen Eigenheiten zum Ausdruck kommen, werden hier ebenfalls genannt.

Der dritte Abschnitt ("Names and identities. Onomastics and Prosopography") ist der Namens- und Personenforschung gewidmet. Olli Salomies gibt in seiner gut verständlichen und klaren Darstellung zunächst eine Definition von Onomastik und Prosopographie, um dann die beiden Begriffe anhand von Beispielen näher zu erläutern. Neben allgemeinen, einführenden Bemerkungen zu den Bestandteilen eines griechischen bzw. römischen Namens gibt Salomies auch speziellere Hinweise auf individuelle Karrieren. Er betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Einbeziehung sowohl von Inschriften und Papyri als auch von literarischen Quellen, die sich für die Personenforschung gegenseitig ergänzen können. Der Schwerpunkt seiner Darstellung liegt im römischen Bereich, wofür er unter anderem auf den Gouverneur von Syrien und Rivalen Trajans, M. Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus, hinweist, für dessen Geschichte auch im größeren historischen Zusammenhang der Neufund einer Inschrift in den 70er Jahren entscheidend wurde. Im Schlusssatz verweist der Autor darauf, dass ein paar Ehreninschriften - wie in diesem Fall - zu einem gänzlich neu geschriebenen Kapitel römischer Geschichte führen können.

Wie und vor allem welche Personen kommen in den Inschriften zur Sprache? Auf diese Frage versucht Richard Saller im vierten Kapitel ("The family and society") eine Antwort zu geben. Er geht für seine Überlegungen zum griechischen Bereich zunächst vom agnatischen Modell Fustel de Coulanges aus, wonach die zentrale Bedeutung in der Familie der Religion und Ahnenverehrung insbesondere durch die männlichen Nachkommen zugekommen sei. Im Gegenteil meint Saller nun, dass in den Inschriften sehr wohl individuelle Züge und Eigenschaften der Verstorbenen betont werden. Grabinschriften werden zudem häufig von Ehegatten/innen gestiftet, was das Modell ebenfalls widerlegt. Der Schwerpunkt seiner Darstellung liegt jedoch wiederum im römischen Bereich. Saller weist darauf hin, dass eine methodologische Analyse der Sterblichkeitsrate aufgrund von Angaben aus den Inschriften problematisch ist, da die Auswahl der inschriftlich genannten Jahresangaben recht willkürlich ist und nicht immer Lebensalterangaben verzeichnet sind. Aus den Inschriften kann man jedoch - mit einiger Vorsicht - auf die Lebensverhältnisse (wie z.B. Heiratsalter) Rückschlüsse ziehen. Weiters lässt sich trotz der immer wieder kehrenden stereotypen Eigenschaftsbeschreibungen der Toten als pientissimus, dulcissimus usw. seiner Meinung nach auf ein gutes Familienverhältnis schließen, dass er als "loving, pleasurable and reciprocal" beschreibt (S. 102). Hier wird unter anderem auch die sog. "Laudatio Turiae"-Inschrift als Beispiel der pietas genannt. Als letzte Fragenkomplexe versucht Saller dann noch auf den sozialen Status und die soziale Mobilität einzugehen, wobei er betont, dass es durchaus schwierig ist, z. B. die Quantität der Sklaverei aus der Analyse von Inschriften zu bestimmen, hingegen eine soziale Mobilität anhand der vielen cursus honorum Inschriften immer wieder erkennbar ist.

Wie lässt sich das zivile und religiöse Leben anhand von Inschriften erkennen? Nach James Rives, der das fünfte Kapitel ("Civic and religious life") zu diesem Thema verfasste, sind es vor allem die inschriftlich immer wieder genannten zivilen wie auch religiösen Institutionen, die darüber Auskunft geben. Für den zivilen Bereich weist er z.B. auf Stadtgesetze wie die lex Ursonensis hin, weiters auf Magistratslisten oder etwa auf Wahlgraffiti in Pompeji, die jeweils Interaktionen im städtischen Leben erkennen lassen. Im religiösen Bereich nennt er verschiedene Arten von leges sacrae, die in Form von Inventaren, Tempelregulierungen oder etwa Reinigungsritualen das religiöse Leben zu kontrollieren und regulieren suchten. Auch Formen des Kaiserkultes oder die Akten der Arvalbrüderschaft werden hier erwähnt. Als besondere Gruppe, die für breite soziale Kontakte und Interaktionen sorgte, werden die vielen collegia angeführt, die mit ihren verschiedenen Aspekten das religiöse und zivile Leben beeinflussten. Vereinsinschriften sind insbesondere auch eine Quelle, in welcher Frauen zu Wort kommen, da jene hier auch öffentliche Ehrenstellungen erhalten konnten. Inschriften dieser Art liefern überdies viele wertvolle Informationen über den konstanten Austausch von Wohltaten und Ehrungen zwischen städtischen Gebilden und der Elite.

Im letzten Beitrag schließlich ("Inscribed instrumentum and the ancient economy") beschäftigte sich Giuseppe Pucci mit Aufschriften auf Gebrauchsgegenständen und ihren Aussagen in wirtschaftlicher Hinsicht. Auf welchem Material konnten Stempel, Herstellerinschriften oder Mengen- bzw. Inhaltsangaben angebracht werden und welchen Aussagewert hatte dies in wirtschaftlicher Hinsicht? Pucci nennt hier beispielsweise Signaturen auf Vasen, Amphorenstempel, Aufschriften, die auch in Form von Graffiti gestaltet sein konnten (unter anderem auf Ziegeln), und Inschriften auf Glasprodukten. Wichtig war es dem Autor auch, darauf hinzuweisen, dass man unterscheiden müsse, wann die Inschriften auf dem jeweiligen Objekt angebracht wurden: Setzte man sie bereits während der Produktion oder erst bei der Distribution auf. Wie dieser Aufsatz zeigt, ist nicht nur diese Frage oft schwierig zu beantworten, sondern es gibt auch sonst leider vielfach nur unsichere Interpretationsmöglichkeiten. Pucci gibt mit seinen Ausführungen einen guten Einblick in die bisherigen Forschungsergebnisse und auch in die derzeit noch vielen Problemfelder dieses doch sehr wichtigen Bereiches der Wirtschaftsgeschichte.

Den Abschluss der Studie bilden ein Appendix zu den wichtigsten Inschriftencorpora (von John Bodel), die hier detailliert vorgestellt und erklärt werden, ein Anmerkungsteil zu den oben besprochenen Kapiteln und eine ausführliche Bibliographie. Ein Index aufgefächert nach Quellen und einem Suchschema allgemeiner Art schließt die Publikation ab.

Zusammenfassend lässt sich die vorliegende Darstellung als sehr gut gelungen bezeichnen. Jeder der von einzelnen Fachexperten verfassten sechs Kapitel gibt nicht nur einen Überblick über bisherige Forschungsfragen, sondern vermittelt auch wertvolle methodologische Ansätze. Durch die Besprechung von vielen Inschriftbeispielen wird darüber hinaus das in der Theorie Dargestellte mit praktischen Beispielen demonstriert, so dass es nicht nur für Laien, sondern ebenfalls für Fachspezialisten eine interessante Lektüre bietet. Als kleine kritische Anmerkung kann lediglich genannt werden, dass der griechische Bereich viel zu kurz kommt, was aus dem Titel des Buches nicht zu ersehen ist.

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